Kritik zu Just Mercy

© Warner Bros. Pictures

Die Verfilmung des Sachbuchs von Bryan Stevenson, der sich als Anwalt in Alabama für die Verteidigung von zu Unrecht Verurteilten einsetzte, legt eindringlich rassistische Polizeigewalt und Justizwillkür bloß

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Monroeville, Alabama. Eine Kleinstadt im Süden der USA, wo auch Ende der 1980er, gelinde gesagt, die Uhren noch anders ticken und der »weiße alte Mann« als Sheriff über Gut und Böse richtet. Knapp drei Dekaden vorher hatte Harper Lee hier, in ihrer Heimatstadt, den Anti-Rassismus-Roman »Wer die Nachtigall stört« angesiedelt (allerdings unter dem fiktiven Ortsnamen Maycomb). Allzu viel hat sich seitdem nicht verändert, als 1987 die Leiche einer jungen weißen Frau gefunden wird, vergewaltigt und ermordet. Die lokale Polizei verhaftet schnell einen Schwarzen, der in ihren Augen als Täter infrage kommt, auch wenn eigentlich alles dagegenspricht. Ein Schwurgericht befindet diesen Walter McMillian schließlich für schuldig, er wird verurteilt. 

Dies ist der Ausgangspunkt von »Just Mercy«, dem neuen Film von Destin Daniel Cretton (»Short Term 12 – Stille Helden«), der damit Bryan Stevensons Erfahrungsbericht verfilmt, der McMillians Fall nochmals aufrollte und die Geschichte später publizierte (2015 erschien sie unter dem Titel »Ohne Gnade« auch in Deutschland). Cretton hat den Stoff mit Michael B. Jordan in der Rolle des unermüdlichen Menschenrechtlers als Protagonisten zu einem Drama adaptiert, das mit Verve die Willkür der US-amerikanischen Polizei und Justiz anklagt.

Stevensons Engagement, darauf verweisen Buch wie Film, ist durch seine eigene Sozialisation geprägt. Er stammt selbst aus einfachen Verhältnissen, ist in Delaware in sozialen Wohnprojekten aufgewachsen. Mit viel Ehrgeiz und der Hilfe seiner alleinerziehenden Mutter hat er es als einer von wenigen Schwarzen zum Jurastudium auf die Elite-Uni in Harvard geschafft. Danach hätte er als Anwalt in einer der führenden Kanzleien des Landes viel Geld verdienen können, doch der junge Idealist geht lieber dahin, wo es wehtut, in den noch immer von Segregation und Rassismus geprägten Süden. In Monroeville gründet er zusammen mit der dort ansässigen (weißen) Kollegin Eva Ansley (Brie Larson) die Hilfsorganisation »Equal Justice Initiative«, um unschuldig Verurteilten zu helfen, die sich eine ordentliche Verteidigung nicht leisten konnten. 

Das sind, nicht immer, aber überproportional oft, schwarze Männer. Stevenson beginnt zu recherchieren und entdeckt schnell Ungereimtheiten, vor allem der einzige Zeuge Ralph Myers (Tim Blake Nelson) erweist sich als Krimineller, der mit seiner Falschaussage ganz eigene Motive verfolgte. Der junge akademische Afroamerikaner von außerhalb stößt in der von weißen Machtstrukturen dominierten Provinzstadt nicht nur auf den Widerstand der Behörden, allen voran des bigotten Sheriffs Tate (Michael Harding), sondern auch in der Bevölkerung auf eine Mauer des Schweigens. Kaum jemand will aussagen, aus Angst, aus rassistischen Motiven heraus oder schlicht, um nicht behelligt zu werden. 

In der »Award Season« bis zur Oscarverleihung Anfang Februar wurde »Just Mercy« größtenteils missachtet, was auch daran liegen mag, dass Cretton die erschütternde Geschichte bis zur Wiederaufnahme des Verfahrens 1992 erstaunlich brav und bisweilen schematisch inszeniert. Vor allem Stevenson wirkt in seiner bruchlosen Heldenhaftigkeit etwas eindimensional, gar nicht unähnlich dem anderen Anwalt, der hier Jahrzehnte vorher einen der Vergewaltigung angeklagten Schwarzen verteidigte, Gregory Pecks Atticus Finch in der Filmadaption von »Wer die Nachtigall stört« (1962). Michael B. Jordan (»Nächster Halt: Fruitvale Station«), der »Just Mercy« auch mitproduziert hat, verkörpert nun diesen determinierten, überlegt agierenden und in sich ruhenden Mann überzeugend. Vor allem aber Jamie Foxx spielt McMillian subtil und nuanciert und ist so gut wie seit »Ray« nicht mehr. So gelingt Cretton trotz Schwachstellen und bei aller Konventionalität das überzeugende Porträt einer Gesellschaft, das weit über diesen Fall hinausweist. Er zeigt Strukturen aus Vorurteilen und Hass, die sich so oder ähnlich immer wieder und überall wiederholen.

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