Kritik zu Get the Gringo

© Concorde

Mel Gibson in einem »kleinen« Actionfilm, in dem er einmal mehr das macht, was er am besten kann: den zwiespältigen Antihelden spielen, der viel aushält und am Ende eine gute Tat vollbringt

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Um zu erläutern, was es heißt, wenn ein Star als »toxisch« bezeichnet wird, gibt es kein besseres Beispiel als Mel Gibson. Es ist müßig aufzuzählen, wodurch sich Gibson diesen Status erworben hat, das Resultat ist deprimierend genug: Er kann zwar weiter Filme machen, aber sie sind nicht mehr »vermarktbar «. So gründlich hat Gibson sein Image ruiniert, dass jedes öffentliche Erscheinen als Antiwerbung gilt. Doch »unvermarktbar« heißt nicht unverkäuflich. Für Get the Gringo bedeutete das, dass er in den USA gar nicht erst ins Kino kam, sondern direkt als DVDPremiere ausgewertet wurde – begleitet von positiven Kritiken dafür, dass er quasi in Reinform die Sehnsüchte der Gibson-Fans erfüllt: Get the Gringo ist ein »schmutziger kleiner Film«, in dem Gibson genau das tut, was er am besten kann, einen äußerst zwiespältigen Helden spielen, der eine Menge körperlicher Qualen einzustecken vermag, nicht zuletzt weil er glaubt, es irgendwie verdient zu haben.

Die Auftaktszene führt ihn als durch die Wüste flüchtenden Geldräuber ein. Gejagt von der Polizei steuert er sein Auto schließlich direkt auf den Zaun der amerikanisch-mexikanischen Grenze zu und gerät bei der Crashlandung auf der anderen Seite direkt in die Hände mexikanischer Ordnungshüter. Wie viel Hornhaut dieser nie beim Namen genannte und selbst in den Credits nur als »Driver« bezeichnete Mann auf dem Gewissen trägt, wird schon darin deutlich, dass er den Tod seines auf der Flucht im Auto verstorbenen Kompagnons regungslos hinnimmt. Mit derselben grinsenden Coolness lässt er zu, dass die mexikanischen Polizisten seine Beute, immerhin zwei Millionen Dollar, unter sich aufteilen und ihn in ein Gefängnis der besonderen Art namens El Pueblito verfrachten. Die Gefangenen leben hier mit ihren Familien in Selbstverwaltung. Was idyllisch klingt – und auf ein reales Experiment in Mexiko zurückgeht –, entpuppt sich als Hölle auf Erden, in der sich die soziale Härte der mexikanischen Gesellschaft in Vergrößerung abbildet. Die großen Diebe nehmen die kleinen aus, wer nichts hat, gilt nichts, und Frauen und Kinder werden auf alltäglicher Basis misshandelt. Kurzum, es ist eine Welt, in der sich Gibsons Antiheld bestens zurechtfindet.

Get the Gringo ist das Spielfilmdebüt von Adrian Grunberg, der unter anderem als Gibsons »First Assistant Director« bei Apocalypto gearbeitet hat. Er inszeniert erfreulich mätzchenfrei und mit souveränem Raumgefühl die Machtverhältnisse im Gefängnislabyrinth als Choreografie versteckter Blicke und heimlicher Handlungen. Trotz allerlei Unebenheiten, was Dosierung und Tonlage sowohl der Gewaltszenen als auch des Humors angeht, bleibt der Film angenehm fokussiert darauf, wie Gibsons Figur sich wieder und wieder aus misslicher Lage befreit und dabei durch das Einstehen für einen kleinen Jungen doch noch ein Stück Erlösung erwirbt. Das Highlight des Films zeigt Gibson allerdings nicht als Actionstar, sondern als großen Imitator: mit perfektem Stimmklang macht er da ausgerechnet jenen Altstar nach, dessen Ruf das perfekte Gegenteil von »toxisch« verkörpert – Clint Eastwood.

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