Kritik zu Destroyer

© Concorde Filmverleih

Karyn Kusama (»Jennifer's Body«) tauscht mit Nicole Kidman als zentraler Antiheldin die Geschlechterrollen des modernen Film noir

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Sollte noch irgendwer – unwahrscheinlicherweise – Zweifel daran gehabt haben, dass Nicole Kidman eine der vielseitigsten Schauspielerinnen unserer Zeit ist, dürften die nach den vergangenen Monaten endgültig verflogen sein. »Aquaman«, »Mein Bester & ich«, »Der verlorene Sohn« – unterschiedlicher hätten Kidmans Rollen kaum sein können, inhaltlich wie optisch. Nicht nur Hollywoods Perückenmacher dürften begeistert sein von Kidmans Freude an immer neuen Verwandlungen, denen sie nun mit »Destroyer« ein weiteres eindrückliches Kapitel hinzufügt.

Als LAPD Detective Erin Bell sind ihr hier Desillusionierung und lange Jahre nervenzehrender Polizeiarbeit geradezu ins ungeschminkte Gesicht geschrieben. Als sie an einem Tatort in einer der unglamourösesten Gegenden von Los Angeles einen Toten wiedererkennt, holen sie die Dämonen der Vergangenheit ein. Eine Drogen- und Bankraubgang, die sie und ihr damaliger Partner (Sebastian Stan) einst als Undercover-Agenten infiltrierten, scheint wieder aktiv zu sein – und Bell begibt sich im Alleingang auf einen Vergeltungsfeldzug, bei dem sie der Reihe nach ein Gangmitglied nach dem nächsten aufzutreiben versucht, bis sie den skrupellosen Silas (Toby Kebbell) zur Rechenschaft ziehen kann.

Regisseurin Karyn Kusama, die nach ihrem Debütfilm »Girl Fight« in Film (»Jennifer's Body«) wie Fernsehen (»The Man in the High Castle«) eine Vorliebe für das Spiel mit Genre-Konventionen und Pulp-Elementen entwickelte, inszeniert einen modernen, aber klassischen L.A. Noir-Film wie er schmuddelig-brutaler nicht sein könnte. Zu zeigen, dass sich eine solche Geschichte auch mit einer Frau statt eines Mannes erzählen lässt, sei ihr Ziel gewesen, gab sie kürzlich im Interview zu Protokoll, und natürlich funktioniert der Rollenwechsel reibungslos. In Sachen Austeilen und Einstecken hält Kidman in einer wortkargen und körperlichen, von traumatischen Erfahrungen gezeichneten Performance locker mit den sonst üblichen, männlichen Protagonisten mit.

Allein ein Gender-Switch, gepaart mit einer gewollt umständlichen, sich auf Rückblenden verlassenden Erzählstruktur, macht allerdings noch keinen großartigen Film. So spannend »Destroyer« bisweilen ist, so flach bleibt die Figurenzeichnung – und Kidmans Antiheldin auch in weiblicher Gestalt eine wenig dreidimensional ausgeformte Figur. Die Seelenpein und Rachegelüste dieser Ermittlerin wirken eher behauptet als wahrhaftig empfunden, genau wie der ungewohnt rohe Look nie aufhört, wie die auf Effekt zielende Maske einer Schauspielerin auszusehen.

Es ist – neben Kusamas Gespür für Atmosphäre und einem faszinierenden L.A.-Bild – nur Kidmans vollem Einsatz zu verdanken, mit dem sie sich auf diese schauspielerisch neue Herausforderung stürzt, dass »Destroyer« tatsächlich hin und wieder echte Dringlichkeit entwickelt. Als Einzelkämpferin einen Film tragen kann sie ohne Frage. Um damit aber auch über die eigene Leistung hinaus zu überzeugen, lässt sie das Drehbuch zu sehr allein in der Traufe stehen.

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