DVD-Tipp: »German Angst«

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Der Schrecken hinter der Tür

In dem kleinen Zimmer des etwa 14-jährigen »Final Girl« scheint die Welt noch heil zu sein, vielleicht sogar zu heil. Eine Illusion, die eine andere, verdrängte Wirklichkeit erahnen lässt. Die Poster an den Wänden und das Meerschweinchengehege neben dem Bett , das T-Shirt mit den Pferdeköpfen und der rosafarbene Koffer, das alles wirkt eine Spur zu mädchenhaft und kindlich, als sei die Zeit irgendwann stehen geblieben und mit ihr auch die Entwicklung der namenlos bleibenden Teenagerin. Der Schrecken lauert eben nicht nur jenseits der Tür zu ihrem Zimmer. Er hat sich längst in ihrer Welt eingenistet. Und wie einen Virus tragen ihn die Bilder, diese teils wahrhaft extremen Nahaufnahmen von dem Mädchen und ihren Meerschweinchen, weiter. Zunächst ist es eher eine Ahnung, heraufbeschworen von der suggestiven Atmosphäre und dem Kontrast zwischen dem Bilderbuch-Kinderzimmer und dem Rest der Wohnung, die regelrecht in Dreck und Chaos zu versinken scheint. Aber natürlich bleibt es nicht nur bei Andeutungen.

Final Girl, Jörg Buttgereits Segment des Anthologiefilms German Angst, kippt bald in eine außergewöhnlich drastische Rachevision. Während Lola Gaves Final Girl im Off-Kommentar darüber referiert, wie Meerschweinchen kastriert werden, statt et sie ihrem ans Bett gefesselten Vater einen Besuch ab, die Geflügelschere in der Hand. Aber selbst in den Momenten, in denen Blut spritzt und sprudelt, ist Buttgereits triumphale Rückkehr zum Film von tiefer Traurigkeit erfüllt. Die Drastik der Bilder ist ein Spiegel, in dem der nie endende Schmerz eines von ihrem Vater missbrauchten Mädchens aufscheint.

Jörg Buttgereit, Michal Kosakowski und Andreas Marschall spielen mit dem Titel "German Angst" auf die Blüte des deutschen Horrorfilms in den 20er und ganz frühen 30er Jahren an. Wie die Klassiker von Robert Wiene, Fritz Lang und Friedrich Wilhelm Murnau sprengen auch ihre kurzen Werke klassische Genre-Grenzen. Ähnlich radikal wie Buttgereit nähert sich auch Michal Kosakowski der deutschen Wirklichkeit. In Make a Wish wird ein taubstummes Pärchen in einer verfallenen Fabrik von vier Neonazis bedrängt und misshandelt. Ein magisches Amulett, das Menschen die Körper tauschen lässt, scheint ihre letzte Rettung zu sein.

Am deutlichsten bekennt sich allerdings Andreas Marschall zu den weitgehend verschütteten deutschen Genre-Traditionen. Sein Segment Alraune ist eine Hommage an den Schriftsteller Hanns Heinz Ewers und seinen gleichnamigen Roman. Es geht um eine Geheimgesellschaft, deren Mitglieder im Alraunen-Rausch die höchste sexuelle Erfüllung suchen. Wie schon in den Jahren nach dem Ersten Weltkrieg ist Berlin auch in Marshalls filmischem Nachtmahr eine Metropole dunkler Begierden und zerstörerischer Exzesse. Expressionistische Visionen und drastischer Body-Horror vermischen sich zu einer Art Fiebertraum.

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... zum Interview mit den Regisseuren

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Auch wir haben einen Superhelden! Und was ist schon der Red Skull gegen die fiese Faschistenbraut Ilse von Blitzen? Wenn Jörg Buttgereit keine Filme dreht oder Kritiken für epd Film schreibt, dann bastelt er an den Geschichten für diese schöne, den alten Marvelheften bis in die Anmerkungen perfekt nachempfundene Comicserie um Captain Berlin. Drei Bände gibt es schon. Thud! Squelch! Pop!!

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