Kritik zu Station Agent

Trailer englisch © Miramax

Ein Hauch von Western

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"Da draußen gibt es nichts, gar nichts", warnt der Anwalt und Testamentsvollstrecker, als er Finbar McBride von seiner Erbschaft in Kenntnis setzt. "Da draußen", das meint einen Ort mit Namen Newfoundland in New Jersey. Dort liegt an einer stillgelegten Bahnstrecke jenes verlassene Zugdepot, das Finbar von seinem Chef geerbt hat, dem Besitzer eines Modelleisenbahngeschäftes in Hoboken. Fin macht sich auf den Weg nach Newfoundland.

"... nichts, gar nichts", das ist die Sichtweise des Großstädters, für Fin dagegen, der in seinem neuen Heim auch ohne Telefon auskommt, ist die ländliche Ruhe genau das Richtige - wenn es sie denn gäbe. Denn mit seiner Größe von nur 1,40 Meter lenkt Fin unweigerlich die Aufmerksamkeit jeder Person auf sich, der er begegnet, auf dem Land noch mehr als in der Großstadt. Der Film zeigt die ganze Palette dieser Aufmerksamkeit, vom Angaffen bis zu dummen Bemerkungen - und er zeigt die stoische Gelassenheit, mit der Fin darauf reagiert, eine Gelassenheit, aus der freilich auch eine jahrzehntelange leidvolle Erfahrung spricht. Wie viel sich da angestaut hat, merkt man, wenn er sich einmal verkrampft, die Schultern hochzieht, sich in einer Bar betrinkt und dann auf den Tresen klettert, um den Leuten das zu geben, was sie wollen. Das ist eine jener Szenen, die den Film davor bewahren, zu "nett" zu sein. So bekommt die Geschichte der sich langsam anbahnenden Freundschaft zwischen dem Neuankömmling und zwei Einwohnern von Newfoundland etwas Schwebendes - am Ende sitzen die drei auf einer Veranda und reden. Es könnte endlos so weitergehen, nichts wird zum Abschluss gebracht.

Diese Offenheit unterstreicht den Independent-Charakter von The Station Agent, der in seiner Ausgangssituation gleichzeitig etwas vom klassischen Western hat, vom in sich selbst ruhenden, einzelgängerischen Fremden, der in den Ort kommt. Dieses Genre ist auch in den Bildern des Films präsent. Schon lange nicht mehr hat man einen neuen Film gesehen, der seine Geschichte so sehr in Totalen erzählt, gleichzeitig die Emotionen der Figuren beschützend und dem Zuschauer die Freiheit gebend, sich in den Bildern umzuschauen.

The Station Agent findet in seiner verhaltenen Erzählweise ein Äquivalent zu der Art und Weise, wie sich hier Freundschaften entwickeln. Auf den ersten Blick ist der in sich ruhende und in sich zurückgezogene Fin nämlich das vollkommene Gegenteil von Joe, der die Stille nicht ertragen kann. Unzufrieden damit, für seinen kranken Vater dessen mobilen Schnellimbiss gegenüber von Fins Bahndepot zu managen, erweist sich Joe später als jemand, der für das Kochen dieselbe Leidenschaft aufbringt wie Fin für Züge. Mit der zurückgezogen lebenden Malerin Olivia dagegen, die um ihren toten Sohn trauert (und Fin gleichzeitig mit Informationen überhäuft, um die er nicht gebeten hat), trifft Fin das erste Mal auf der Landstraße zusammen, als sie ihn in ihrer Tollpatschigkeit beinahe überfährt (und das gleich zweimal). Olivia bleibt bis zum Schluss des Films in gewisser Weise ein Rätsel, aber das ist auch gut so, dadurch, ebenso wie durch die elliptische Erzählweise, bekommt der Film Ecken und Kanten, auch jenseits seines Protagonisten.

Fin-Darsteller Peter Dinklage hatte einen eindrucksvollen Auftritt in Tom DiCillos Living in Oblivion und war zuletzt in der Weihnachtskomödie Elf zu sehen. The Station Agent ist seine erste Hauptrolle. Kleinwüchsige Darsteller waren bisher vorwiegend im Genre des fantastischen Films zu sehen und/ oder als Sidekicks des Helden. Dass The Station Agent weder in die eine noch in die andere Kategorie fällt, macht eine weitere seiner Qualitäten aus.

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