Kritik zu Foxcatcher

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In seinem dritten Spielfilm nach »Capote« und »Moneyball« rekonstruiert Bennett Miller die Geschichte der Ringerbrüder Mark und Dave Schultz und des exzentrischen Multimillionärs John du Pont als Psychodrama von kühler, düsterer Eleganz

Bewertung: 3
Leserbewertung
3
3 (Stimmen: 3)

Egal, ob man die realen Hintergründe kennt: Dass diese Geschichte nicht gut ausgehen wird, macht der Film von Anfang an unmissverständlich klar. In den gedeckten Farben, seiner brütenden, wortkargen Getragenheit und der sparsam mit Klavier und Streichern besetzten Musik deutet sich stets schon die Tragödie an, in der sie enden wird. Vor allem aber ist es ein choralartiges Bläserthema von Mychael Danna, dem Komponisten Atom Egoyans, welches so eindringlich von Unheil kündet, dass es die Atmosphäre des gesamten Films prägt. Die fatalistische Eleganz von »Foxcatcher« scheint all die uramerikanischen Hymnen auf das Glück des Tüchtigen negieren zu wollen, die andere Sportlerdramen anstimmen.

Nur Trophäen und Fotos zeugen vom verblassten Ruhm des Ringers Mark Schultz, der Mitte der 80er Jahre in einem schäbigen Apartment haust. Der gemeinsame Olympiasieg mit seinem älteren Bruder Dave liegt nur wenige Jahre zurück und wirkt doch nur noch wie Traum aus einem anderen Leben. Dave, nach der frühen Trennung der Eltern zu einer Art Ersatzvater für Mark geworden, trainiert ihn zwar noch, doch hat er längst einen neuen Lebensmittelpunkt bei Frau und Kindern gefunden, während Mark außer ­Dave und dem Ringen nichts und niemanden hat. Da ruft eines Tages ein Fremder an, ein Multimillionär, der sich in den Kopf gesetzt hat, ihn aufzubauen für die nächsten Olympischen Spiele, Seoul 1988. Mark folgt dem Ruf und zieht auf das Anwesen von John du Pont, Erbe einer der reichsten alten Familien der USA. Die weitläufige Foxcatcher-Farm ist eine Welt für sich, eine isolierte Luxusoase mit perfekten Trainingsmöglichkeiten. John du Pont hat für alles gesorgt, sammelt ein Team tüchtiger Mitstreiter um Mark, den zunächst nur schmerzt, dass Dave sich nicht mit ihm auf die Reise zu neuen Triumphen begibt. Von diesem Ersatzvater wendet er sich nun seinem neuen, rätselhaften Mentor zu. Der ist neben seinem Engagement für den Ringersport auch Ornithologe, Phi­latelist, Patriot und selbst ernannter Philan­throp, nennt sich »Golden Eagle of America« und pflegt ein, sagen wir, unverkrampftes Verhältnis zu Waffen.

Steve Carell als John du Pont liefert eine wahrhaft furchteinflößende Show. Sein Komikerimage trägt sogar dazu bei, diese Gestalt noch irritierender und bedrohlicher wirken zu lassen. Auch das aufwendige Maskenbild samt falscher Adlernase, welches Carell seinem realen Vorbild anverwandelt, scheint sein Spiel eher zu unterstützen als zu behindern, denn das Maskenhafte passt zu dem Exzentriker, der stets ein lauerndes Misstrauen ausstrahlt. Wie ein Vampirfürst thront er in seinem Schloss, erstarrt wie die Ahnen, die von Gemälden auf ihn hinabschauen. Er zieht die Fäden, manipuliert Menschen und Öffentlichkeit, ist aber zugleich ein armes Würstchen mit Mutterkomplex – Vanessa Redgrave gibt seine alte Dame mit eisiger Grandezza. Zwischen Neurosen und Größenwahn driftet du Pont mehr und mehr ins Bizarre, was den von Channing Tatum fast ebenso eindrucksvoll gespielten Mark Schultz in seiner etwas tumben Gutmütigkeit zunächst nicht weiter beunruhigt. Getrieben von der Sehnsucht nach Anerkennung, geschmeichelt vom Luxus, fügt sich Mark dem Willen seines Mentors.

Viel Aufwand legten die Macher des Films in die möglichst authentische Darstellung der Figuren. John du Pont, Mark Schultz und auch Dave Schultz – ebenfalls großartig: Mark Ruffalo – sollten den realen Charakteren so nah wie möglich kommen. Was die zeitliche Abfolge der Ereignisse angeht, nimmt sich das Werk ungleich größere Freiheiten. So führt es mit stellenweise etwas grober Geste Entwicklungen parallel, die in langem Abstand und unabhängig voneinander stattfanden. Die Tragödie nimmt ihren Lauf, als das Verhältnis zwischen Mark und John sich verschlechtert und du Pont schließlich doch Dave überzeugt, das Team zu trainieren, was den immer noch tief gekränkten Mark zum Rückzug in Alkohol- und Kokainexzesse veranlasst. Ein Wechselspiel von Enttäuschungen, lange schwelenden Aggressionen und Eifersucht treibt die Brüder weiter auseinander, während John du Ponts Verhalten immer bedrohlicher wird. Sportliche Misserfolge führen in die finale Katastrophe.

In mehr als zwei Stunden Filmlänge tut sich eine eigenartige Diskrepanz auf zwischen der fast journalistischen Genauigkeit in den Details und der letztlich doch eher eindimensionalen Erzählhaltung. Die gravitätische Atmosphäre scheint da den Mangel an einer eigenständigen künstlerischen Vision der Ereignisse zu kaschieren. Zugespitzt gesagt: Das Schicksal muss erfüllt werden, und der wahnsinnige John du Pont ist sein Vollstrecker.

Bestechend an »Foxcatcher« ist neben den schauspielerischen Leistungen und der stilistischen Finesse aber die Pointiertheit, mit der er anhand seiner Dreieckskonstellation von kaputten Selbstbildern, von Klassenunterschieden und der Macht des Geldes erzählt. In dieser Welt ist alles Inszenierung, vieles bloß Fake: du Ponts eigene Auftritte als Ringer, bei denen prall gefüllte Umschläge den Besitzer wechseln und seinen Sieg garantieren, sein Gehabe als Trainer-Mastermind im repräsentativen Outfit des »Foxcatcher-Teams«, glorifiziert in von ihm bestellten »Dokumentarfilmen«, die steifen Freundschaftsposen, die seine Unfähigkeit zur Empathie und seine Manipulationen kaschieren. Beklemmend und komisch sind Szenen wie die, in der ein Sieg des Teams gefeiert werden soll: »Heute betrinken wir uns alle mal richtig!«, verkündet du Pont, und unterwürfig folgen die Ringer seiner Anweisung. Ein rauschendes Fest sieht anders aus.

Meisterhaft und beunruhigend sind zahlreiche solcher Miniaturen gelungen. Miller verzichtet in weiten Passagen ganz auf Dialog und lässt die Bilder und die Körper seiner Protagonisten erzählen, besonders in den hervorragend inszenierten Ringkampf-Szenen. Für das ganz große Meisterwerk, das »Foxcatcher« eindeutig sein will, scheint ihm aber die letzte gedankliche Schärfe, die zündende Idee zu fehlen. So verharrt er in einer stilsicheren, wunderbar gespielten, letztlich aber wenig inspirierten Nacherzählung einer tragischen Begebenheit.

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