Kritik zu Die Gewählten

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Die Münchner Dokumentarfilmstudentin Nancy Brandt beobachtet fünf junge Nachwuchs­politiker und Nachwuchs-politikerinnen in ihrer ersten Legislaturperiode im Bundestag

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Besonders bei Jugendlichen haben Politiker derzeit nicht den besten Ruf. Das machte die Münchner Dokumentarfilmstudentin Nancy Brandt neugierig auf Menschen, die sich mit ihrem Lebensentwurf konkret gegen diesen Mainstream stellen. Und so stellte sie fünf junge Leute ins Zentrum ihres Abschlussfilms an der Hochschule für Film und Fernsehen, die die Politik zumindest vorübergehend zu ihrem Hauptberuf gemacht haben: Sie sind Abgeordnete des Deutschen Bundestages, die für die Legislaturperiode von 2009 bis 2013 erstmals ins Parlament gekommen sind.

Die Parteizugehörigkeiten und Charaktere sind breit gestreut. Während die jungen Herren aus FDP und Junger Union strategisch vor allem ihre Karriere anpeilen, sieht sich der Linke Niema Movassat während seiner Zeit im Bundestag vor allem als Vertreter der außerparlamentarischen Aktivisten. Und auch die beiden jungen Frauen von SPD und Grünen sehen ihre institutionelle Tätigkeit eher im Dienst der sozialen Sache, gestehen aber auch recht offen eine gewisse politische Unbedarftheit.

Wohl zu Recht: Denn während die beiden jungen Strategen gemeinsam für die »Auto-Bild« posieren, gerät die bayrische Grüne Agnes Krumwiede unfreiwillig in eine sexistische Medienkampagne, als diverse Presseorgane sie mit falschen Zitaten und Zurschaustellung ihrer weiblichen Reize zur »Miss Bundestag« hochpushen. Dabei sieht sich die Ingolstädter Pianistin selbst als kämpferisches Sprachrohr von Kultur und Kulturschaffenden, für deren Rechte sie sich nicht ganz erfolglos einsetzt. Auch die Leipziger Physikerin und SPD-Junggenossin Daniela Kolbe muss einstecken, als ihre ambitionierte Agenda schon bald unter Betreuung älterer Parteifreunde im Klein-Klein von Ausschusssitzungen eingedampft wird. So ändert sich in den vier Jahren Drehzeit nicht nur die Haarlänge, sondern auch die Taktik: Während sie anfangs noch ganz offen von ihren Idealen und Vorhaben plaudert, ist sie nach einem Jahr so vorsichtig (oder professionell) geworden, dass sie neue Projekte auch gegenüber dem Filmteam lieber verschweigt.

Auch sonst bringt der Film Erkenntnisse über den Berliner Politikbetrieb eher über den Umweg der längeren Beobachtung. Ein solches Projekt gerät schnell in die Gefahr, die Eigenheiten seiner Akteure des dramaturgischen (oder komödiantischen) Effekts halber allzu dick aufzutragen. Doch Brandt gelingt die Gratwanderung zur markanten Zeichnung ihrer Charaktere glänzend, auch wenn diese dabei keineswegs gleich gut wegkommen. Doch das ist wohl mehr der Sache selbst als der filmischen Perspektive geschuldet, wenn etwa der FDPler Sebastian Körber bei seinem Marathoneinsatz für einen barrierefreien Kleinstadtbahnhof fast als Karikatur eines smarten Selbstdarstellers daherkommt. Und auch CDU-Mann Steffen Bilger sieht vor allem deshalb peinlich aus, weil es ihm nicht gelingt, in seinem Auftreten zwischen Dokumentarfilm- und Werbemodus umzuschalten. Das gehört wohl weniger zu den Mängeln als zum Aufklärungspotenzial des altmodisch zurückhaltend und klug erzählten Films.

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