03/2022

In diesem Heft

Tipp

München, 25.–27.3. – Bereits seit längerem plant das Filmfest München, auch außerhalb des eigentlichen Festivals Präsenz zu zeigen. Ende März wird nun mit einer Tagung gestartet, bei der unter dem Motto »Sehen und gesehen werden. Teilhabe im Film« über Diversität und Repräsentation im Film diskutiert wird.
Köln, 29.3.–3.4. – Das IFFF, entstanden aus der Fusion zweier Festivals, findet dieses Jahr in Köln statt. Als wichtigstes Frauenfilmfestival in Deutschland zeigt es aktuelle wie historische Werke von Frauen und trägt so dazu bei, dass die Arbeit von Frauen im Film mehr gesehen und gewürdigt wird. Acht Filme konkurrieren um den Internationalen Debütspielfilmwettbewerb, darunter viele Arbeiten von Schauspielerinnen, die auch inszenieren, wie »Mi iubita, mon amour« der Französin Noémie Merlant und Freda der haitischen Nachwuchsschauspielerin Gessica Généus.
Regensburg, 18.–27.3. – In verschiedenen Sektionen feiert Regensburg den Kurzfilm in seinen unterschiedlichsten Formen. Dabei gibt es sowohl einen internationalen als auch einen deutschen Wettbewerb sowie ein spezielles Bayern- und Lokalfenster. Aber auch Kurzfilme außerhalb des Kinos wie Videokunst und Musikfilme finden Beachtung.
Nürnberg, 11.–20.3. – Das Kino als Rahmen für interkulturelle Zusammenkunft. Das hat sich das Filmfestival Türkei Deutschland auf die Fahnen geschrieben und gibt Einblicke in die Filmwelt beider Länder. Im Mittelpunkt stehen neben dem umfangreichen Wettbewerbsprogramm vor allem die Filmgespräche, die sowohl den Austausch zwischen Filmschaffenden als auch mit dem Publikum fördern und so für alle Beteiligten neue Anregungen geben sollen.
Tampere, 9.–13.3. – Das Kurzfilmfestival in der finnischen Stadt Tampere gehört zu den drei bedeutendsten Festivals seiner Art in Europa und zeigt Kurzfilme aus aller Welt. Ein internationaler sowie ein nationaler Wettbewerb sind fester Bestandteil, ebenso ein umfangreiches Rahmenprogramm mit Seminaren und Podiumsdiskussionen. Erst zum zweiten Mal wird ein spezieller Genrefilm-Wettbewerb in Kategorien wie Thriller oder Horror ausgeschrieben, dessen Gewinner Teil eines kommenden Kurzfilmkanals wird.
Das Autorenteam der belgischen Produktion »Unseen« kombiniert das Märchenhafte des fantastischen Genres mit zeitkritischen Reflexionen.
In »His House«, dem Debütfilm des britischen Regisseurs Remi Weekes, haben es zwei Menschen aus dem Südsudan nach London geschafft – werden dann aber in dem ihnen zugewiesenen Haus von der Vergangenheit eingeholt.
In der finalen vierten Staffel von »Ozark« nimmt das Gewaltniveau noch einmal zu. Marty Byrde (Jason Bateman) und seine Familie können immer noch alles verlieren, was sie sich aufgebaut haben.
Endlich Balance zwischen Work und Life: Die Apple-Produktion »Severance« zeigt den diskreten Horror der kapitalistischen Arbeitswelt.
Aus der Geschichte eines Radioreporters, der mit seinem neunjährigen Neffen durch die USA reist und dabei eine väterliche Beziehung entwickelt, macht Mike Mills eine sensible Reflexion über Elternschaft und die sich ergänzenden Perspektiven von Kindern und Erwachsenen – sinnlich und nachdenklich, intellektuell und mit leisem Humor.
Vermeintlich verdächtig: Das Remake der israelischen Miniserie »False Flag« setzt den Umweltkampf ins Zentrum.
Die belgisch-niederländische Serie mit dem mehrdeutig gemeinten Titel »Red Light« spielt in Antwerpen und Amsterdam, basiert auf Ideen der Hauptdarstellerinnen Carice van Houten und Halina Reijn und wurde von ihnen produziert.
Hell steht in der Comedy »Oh Hell« für Helene, eine der liebenswertesten schrägen Figuren der deutschen TV-Historie.
Steinchen für Steinchen fügt die Sky-Serie »Funeral for a Dog« die Geschichten einer kleine Gruppe Mittdreißiger zusammen und geht dabei den großen Schicksalsfragen nach – verwirrend, unbehaglich und grandios.
Sean Bean spielt in der BBC-Produktion »Time« einen Verurteilten, der seine Frist mit Sühnebereitschaft absitzen möchte, aber dann auf gefährliche Mitinsassen stößt.
In »Archive 81« sieht sich ein Filmrestaurator in das Mysterium einer alten Videodokumentation über ein Mietshaus und eine okkulte Verschwörung hineingezogen.
Seit dem Erscheinen der dritten Staffel von »The Marvelous Mrs. Maisel« im Dezember 2019 ist viel passiert. Obwohl sie zeitlich an die Handlung von damals unmittelbar anschließt, wird nun auch in der neuen Staffel alles anders.
In der düsteren dänisch-deutschen Thrillerserie »Blinded – Schatten der Vergangenheit« paaren sich Klischees mit unfreiwilliger Komik.
Ein Wiedersehen wert: David Lynchs »Dune – Der Wüstenplanet« in opulenter Edition.
Von »Perry Rhodan« bis zum Blade Runner: Sascha Mamzcaks kompakte Darstellung der Science-Fiction in Literatur und Film.
Verzweiflung und Trauer: Die dänisch-französische Serie »Kidnapping«.
Wiederentdeckung: Alain Delon in »Tony Arzenta« (Tödlicher Hass).
Regisseur Benjamin Martins spricht am 6.3. im Kino des Deutschen Filmmuseums mit epd-Film-Redakteur Rudolf Worschech über seinen Film »Schattenstunde«.
Selbstironisch: Zwei Filme von Nanni Moretti als Blu-ray-Premieren: »Aprile« (1998) und »La Stanza del figlio« (2001).
Jelinek ist ein Fan: Ein Fotoband über die Schauspielerin Erni Mangold von Doris Priesching.
Neu ediert: »Ekstase« (1933) von Gustav Machatý.
Reise mit Umwegen: Hans Weingartners »303 – Die Serie« auf DVD.

Thema

Männer zeugen und gehen. . . Aber die Frauen kommen auch ohne sie klar in den Filmen von Pedro Almodóvar. Jetzt startet sein Melodram »Parallele Mütter«, mit der oscarnominierten Penélope Cruz und Milena Smit in einer komplexen Beziehung.
Der Engländer Cary Elwes war Teil von zwei Kultphänomenen: als junger Swashbuckler im ironischen Filmmärchen »Die Brautprinzessin« und als »der Typ, der sich den Fuß abschneidet« in »Saw«. Den ganz großen Erfolg hat er nie erlebt. Aber jetzt sieht man ihn wieder öfter, auch dank Streaming.
Are you talking to me? Als Regisseur und Drehbuchautor hat Paul Schrader die 80er Jahre geprägt. Mit über 70 und seinem neuen Film »The Card Counter« ist er wieder gut im Geschäft.
epd-Film-Leser haben gewählt. Bester deutscher Film 2021 ist Dominik Grafs »Fabian oder Der Gang vor die Hunde«. Die Adaption des Erich-Kästner-Romans führt ins Berlin der Weimarer Republik – und Grafs Inszenierung beweist, dass die Geschichte noch immer von hoher Dringlichkeit ist.

Meldung

Der Wettbewerb des 43. Filmfestivals Max Ophüls Preis in Saarbrücken, das hybrid und dezentral organisiert war, schwächelte etwas. Für Ausgleich sorgten die erfindungsreichen Dokumentarfilme.
Von der Pandemie schwer gebeutelt, aber mit sehr klarem künstlerischem Konzept: das 51. Filmfestival Rotterdam.
Philip Scheffner, 55, Künstler und Filmemacher, ist bekannt für Dokumentarfilme wie Revision und vor allem den radikalen »Havarie« über die Begegnung eines Kreuzfahrtschiffs mit einem Flüchtlingsboot. Jetzt kommt sein erster Spielfilm ins Kino: »Europe«.
Panorama: Wie immer öffnete die populärste Sektion der Berlinale den Blick auf die Vielfalt des Kinos, in diesem Jahr war es vor allem ein weiblicher Blick.
Die Sektion Encounters sucht als zweiter Wettbewerb immer noch ihr wahres Profil – jenseits davon, ein Überlaufbecken zu sein für die Filme, die im ersten nicht mehr unterkamen, oder lediglich dem besonders sperrigen Arthouse-Kino ein Schaufenster zu bieten.
Kplus in der Sektion Generation: Die Verhältnisse in der Welt halten keine Happy Ends mehr nach traumatischen Erlebnissen bereit.
Eindrücke aus dem Internationalen Forum des Jungen Films belegen: Erinnern kann nachhaltiger sein als Dokumentieren.
Es war ein Ausnahmejahr. Aber der Wettbewerb der 72. Berliner Filmfestspiele hat sich künstlerisch wacker geschlagen. Mit »Alcarràs« gewann ein spanischer Film über eine Familie in Bedrängnis.

Filmkritik

Als essayistisches Selbstporträt dokumentiert Michael Kranz seine Suche nach einer jungen Sexarbeiterin in Bangladesch – mit hehrem Anspruch, aber ohne gesellschaftliche noch filmische Impulse.
Im Affekt bringt ein junger Soldat den Kommandanten um, weil der ihm den Urlaub für den Besuch der schwesterlichen Hochzeit verwehrt. In seinem Debüt verwebt Pouya Eshtehardis Vergangenheit, Gegenwart und Traum zu einer bildgewaltigen Coming-of-Age-Geschichte um Geschwisterliebe und Schuld.
Überraschende Dokumentation über zwei Musiker, die enger verbunden sind als man meinte. Eugen und Roger Cicero, Vater und Sohn, waren bei allen Differenzen tiefe Seelenverwandte. Im Rückblick zeigen Kai Wessel und Tina Freitag, was beide verband und welche hohen Standards sie erfüllten und werden dabei sehr emotional.
Paul Schraders ist eine Reflexion über Schuld, Trauma und Hoffnung, und zugleich ein zorniges Plädoyer gegen Unrecht und ungesühnte Kriegsverbrechen. Hervorragend besetzt, nur manchmal zu kühl und zu betont undramatisch.
Wer bei diesem Titel an eine Nachkriegsromanze denkt, der sei zu enttäuschen. »Trümmermädchen« nimmt seinen Titel ernst; alle Mädchen liegen in diesem Film buchstäblich in Trümmern. Ebenso eklektisch und wild ist Oliver Krachts Vision, die sich einfach nicht zu einem Ganzen fügen will.
Aus der Geschichte eines Radioreporters, der mit seinem neunjährigen Neffen durch die USA reist und dabei eine väterliche Beziehung entwickelt, macht Mike Mills eine sensible Reflexion über Elternschaft und die sich ergänzenden Perspektiven von Kindern und Erwachsenen – sinnlich und nachdenklich, intellektuell und mit leisem Humor.
Ein essayistisch angelegter Rückblick in eine Kindheit und Jugend in den 60er und 70er Jahren, als nur die Autos bunt waren, die Wohnungen aber grau und eng. Petra Seegers Film ist autobiografisch inspiriert, mit Fotos und Filmen ihres Vaters, aber allgemeingültig: eine Alltagsgeschichte der BRD.
Ein Regisseur stellt seinen Film in einem Wüstenkaff in der Arava vor und soll ein Dokument unterschreiben, das die erlaubten Gesprächsthemen definiert. Nadav Lapid treibt ein wildes, wütendes Spiel mit der Autofiktion, er reflektiert das Medium Film und macht es zum kämpferischen Vehikel für die Freiheit der Kunst.
Narrativ etwas vager, visuell beeindruckender Dokumentarfilm über Wrestlerinnen, die sich in der gefährlichsten Stadt der Welt behaupten und eine empowernde Gegenerzählung zu Machismos und Femiziden schaffen, ohne diese zu verharmlosen.
Drei Frauen und ein Mann, die mit Hilfe der Kindertransporte 1939 Zuflucht vor den Nazis in Schweden fanden, berichten über die Trennung von ihren Eltern und den Erfahrungen in der neuen Heimat. Ein eindringlicher Dokumentarfilm, konzentriert erzählt, der an ein verdrängtes Kapitel der Zeitgeschichte erinnert.
Pedro Almodóvar verbindet die Geschichte zweier ungleicher Mütter (gespielt von der oscarnominierten Penélope Cruz und Neuentdeckung Milena Smit) mit dem kollektiven Bürgerkriegstrauma Spaniens zu einem berührend-ernsthaften Familiendrama über unbewältigte Wahrheiten.
Eindrücklich-verstörend rekonstruiert die junge Regisseurin Alison Kuhn auf einer leeren Theaterbühne mit fünf Protagonistinnen den systematischen sexuellen Missbrauch während eines Castings. Dramaturgisch und ästhetisch überzeugend.
Zusammen geben Regisseur Joe Wright, die Drehbuchautorin Erica Schmidt und der Schauspieler Peter Dinklage der Geschichte von Cyrano eine neue Tiefe und Universalität, die Eleganz der Musical-Choreographie und den Rausch der Farben und Formen.
Das Leben dreier Familien gerät aus den Angeln, als sich vor ihrem Wohnhaus ein Verkehrsunfall ereignet. Ein Nanni-Moretti-Film, der ohne Ironie auskommt: Thematisch und stilistisch knüpft er an »Das Zimmer des Sohnes« an, verhandelt mit nüchterner Konzentration die Motive Einsamkeit, Verlust und Verantwortung. Das Kaleidoskop der existenziellen Krisen ringt um Versöhnung und wird dabei von einem sensiblen Darstellerensemble getragen.
Weil seine Adoptiveltern seinerzeit keinen Einbürgerungsantrag für ihn gestellt haben, soll der koreanisch-stämmige Antonio, mittlerweile Familienvater, abgeschoben werden in ein Land, das er nicht kennt. Eine Stellvertretergeschichte, die mit dickem Farbauftrag und groben Pinselstrichen einen realen Missstand im US-amerikanischen Adoptionsrecht anklagt. Da bleibt kein Auge trocken.
Die Suche von Wildlife-Fotograf Vincent Munier und Reiseschriftsteller Sylvain Tesson nach einer seltenen Großkatze im Himalaya wird in diesem visuell beeindruckenden Dokumentarfilm zum poetisch-philosophischen Geduldsspiel.
Die Entdeckung einer großen Darstellerin und Persönlichkeit in einem Film, der als Film zum Teil über sein eigenes ambitioniertes Konzept stolpert.
In Soderberghs filmhistorischer Aktualisierung von Hitchcocks »Das Fenster zum Hof« meint eine agoraphobische Frau, die den Quellcode eines digitalen Sprachassistenten optimiert, ein Gewaltverbrechen zu hören. Ein genrefilmisch zugespitzter, ästhetisch starker Big-Data-Thriller mit dünnem Plot.
Eine charmante Besetzung – Jennifer Lopez und Owen Wilson – und eine schamlos-romantische Prämisse reichen nicht ganz, um das totgesagte Genre RomCom noch einmal erfolgreich wiederzubeleben. Was schade ist, denn die Voraussetzungen sind eigentlich da, aber ein Mangel an Witz in den Dialogen und zu wenig Mut zur Zuspitzung lässt die guten Intentionen leider in gepflegter Langeweile enden.
Der »Master of Disaster« hat wieder zugeschlagen und lässt es krachen. Im neuen Film von Roland Emmerich rast ein aus der Bahn geratener Mond auf die Erde zu – und die Rettungsmission wird zu einer immer absurderen Abfolge aus Unwahrscheinlichkeiten, die sich in Esoterik bis in den Wahnwitz steigert.
In seiner zweiten Agatha Christie-Hercule-Poirot-Verfilmung zelebriert Kenneth Branagh als Darsteller die Manierismen des berühmten Meisterdetektivs und als Regisseur die Verbindung des großen Hollywood-Glamours mit moderner Dynamik.

Film

Rot