Kritik zu James Bond 007 – Skyfall

© Sony Pictures

007 als Schattenmann auf der Suche nach Erlösung. Der neue Bond überrascht, weil er weniger eine Actiongala ist, sondern vielmehr ein intimer, düsterer Psychothriller über Alter, Tradition, Schuld und Sühne

Bewertung: 4
Leserbewertung
4.5
4.5 (Stimmen: 2)

Das erste Bild des 23. James-Bond-Films zeigt Unschärfe und Zwielicht. Aus dieser Schattenwelt tritt er dann heraus, er materialisiert sich gewissermaßen: Daniel Craig als James Bond. Für die Pre-Title-Sequenz, die viel klassische Action präsentiert mit Motorradstunts im vollen Basar von Istanbul und einer Verfolgungsjagd über das Dach eines fahrenden Zuges, wirkt Bond physisch sehr gegenwärtig. Wäre da nicht dieser Knopf im Ohr, der ihn in Kontakt hält mit seiner Chefin M. Der Knopf im Ohr macht aus 007 in gewisser Hinsicht eine Marionette. Am Ende der Pre- Title-Sequenz wird die Bond-Marionette dann von seiner Vorgesetzten fallen gelassen, direkt und im übertragenen Sinne. Bond stürzt vom Dach des Zuges. Er stürzt und stürzt, ins Bodenlose und schließlich in eine wunderschöne Titelsequenz hinein, in der in einer psychedelischen Grafik, die an Hitchcock, Orson Welles und den Rorschachtest erinnert, alle Themenkreise des Films angedeutet werden: Taumel, Todesnähe, Spiegelung, Identitätsprobleme, der Verlust jeglicher Sicherheit, die leise Hoffnung auf Erlösung und Neugeburt.

Es ist das Verdienst von Regisseur Sam Mendes, dass er den Jubiläums-Bond, der zum 50. Geburtstag der Serie erscheint, nicht als große Show inszeniert hat, sondern als ernsthaften Film, als sensible Einkehr und Selbstreflexion. Zudem betont Mendes trotz spektakulärer Schauplätze von Schottland bis Shanghai gerade das Familiäre der Bond-Serie. Geheimdienstchefin M, Waffenmeister Q, Agent 007 und ihre Gegenspieler bilden eine bunt zusammengewürfelte Familie zwischen Pop und Shakespeare, nicht durch Blut verbunden, sondern durch die Gesetze der Spionage.

In »Skyfall« geht es im Grunde um die Geheimdienstübermutter M (Judy Dench) und alle ihre verlorenen Söhne. Der erste Verlorene ist natürlich Bond selbst. Nach den Vorkommnissen des Vorspanns wirkt er wie ein Todgeweihter. Noch nie war ein Bond so fahl im Gesicht wie Daniel Craig in »Skyfall«. Seine ganze Persönlichkeit ist außer Balance. Den Alten kann er nicht mehr vertrauen, und die Jungen machen ihn beinahe obsolet. Q etwa, mit Freude und Ironie gespielt von Ben Whishaw, ein Waffenmeister als Computerfreak und Technonerd, der Bond in jeder Beziehung alt aussehen lässt.

Bond also ist in» Skyfall« ein Mann am Abgrund, der noch dazu einen Fall zu lösen hat, der das Innerste des Secret Intelligence Service betrifft. Von einer Terrororganisation wird nicht nur das Hauptgebäude des MI6 attackiert, im Netz werden auch die Identitäten aller westlichen Geheimagenten preisgegeben. Transparenz ist eine gemeine Waffe in» Skyfall«. Den zweifelnden Bond verschlägt es nach China, wo er auf den allmächtigen Bösewicht Silva trifft, den Javier Bardem als melancholischen Komödianten der Gemeinheit spielt. Der blondierte Silva, eine Mischung aus Julian Assange und Hardcore-Hamlet, könnte ein weiterer Verlorener sein, Bonds grotesk verzerrtes Ebenbild, eine Marionette, die losgelöst dem Irrsinn verfallen ist. In einer Sequenz gibt es ein bizarres Gewalt- und Liebesspiel zwischen Bond, seiner Nemesis Silva und einer schönen Eurasierin namens Sévérine. Ein danse macabre der Agenten des Unterbewusstseins, der den Showdown vorwegnimmt.

Über weite Strecken des Films benutzt Mendes das Wesen der Spionage als Metapher der menschlichen Existenz. Das Blockdenken des Kalten Kriegs vor 50 Jahren scheint gesprengt zu sein. Die unzähligen Bruchstücke, verändert und virulent, dringen aber bis heute in unsere persönlichsten Geheimräume.

Der Showdown führt dann nicht in das utopische Heim des Bösewichts wie sonst in den Bond-Filmen, sondern in eine ganz andere Heimstätte, die man niemals in einem Bond erwartet hätte. Ein alter Mann ist dort einsamer Statthalter, von der Zeit vergessen. Gespielt wird er von Albert Finney, der vor 50 Jahren, als Bond die Leinwände betrat, ein junger, sonniger, leichtsinniger Mann war. Jetzt, so hat es den Anschein, ist er ein Fels in der Brandung, die reine Tradition. Das Spiel der Zeiten und der Lebensalter treibt Mendes in schwindelerregende Höhen. Die Wiederbelebung des Filmzombies Bond, der im digitalen Kino um seine Körperlichkeit ringt, ist dabei verstörend, schmerzlich, aber auch voller beeindruckender, komischer Vitalität.

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