Kritik zu Greenberg

© Tobis

Manche Filme vermitteln die schöne Illusion, einfach nur dem Leben dabei zuzuschauen, wie es sich entfaltet, während sie zugleich der banalen Wirklichkeit einen feinen Schimmer verleihen

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Man spürt, dass der New Yorker Independent-Regisseur Noah Baumbach in seinen Filmen mit Fundstücken jongliert, die er vom Wegesrand des eigenen Lebens aufgelesen hat, Dialoge, Momente und Szenen, die seinen fiktiven Geschichten die Erdung in der Wirklichkeit geben, zusammen mit dem seismographisch aufgenommenen Lebensgefühl der jeweiligen Schauplätze und einem Soundtrack, der die Gefühle unterschwellig zum Tanzen bringt. Unter seiner Regie finden auch die Schauspieler zu sich selbst; statt sich ins Korsett einer festgeschriebenen Rolle zu zwängen, geben sie roh und offen ihr Inneres preis. Da ist auch Ben Stiller plötzlich kein hyperaktiv überdrehter Kindskopf mehr, sondern ein in seinen Bewegungen angenehm gedämpfter Mann in den Vierzigern, der an einer veritablen Lebenskrise laboriert. Nach einem Zusammenbruch gerade aus der Therapie entlassen, kommt dieser Greenberg von New York nach Los Angeles, um hier mangels eines eigenen Lebensentwurfs für eine Weile in den seines Bruders zu schlüpfen, der mit seiner Familie für einige Wochen verreist ist.

Greenberg sucht dabei zugleich Anschluss an seine Jugend, an abgebrochene Liebesgeschichten (mit Jennifer Jason Leigh, die im echten Leben Baumbachs Ehefrau und Co-Autorin der Geschichte ist) und Freundschaftsbeziehungen (mit Rhys Ifans). Mit dem erklärten Ziel, gar nichts zu tun, gibt er einen subversiven Kinohelden ab, der spürbar inspiriert ist von Woody Allens jüdischen Stadtneurotikern, aber auch von den Männern, die im Universum von Eric Rohmer ihre Unsicherheit und Untätigkeit mit einem endlosen Redefluss kaschieren. Statt sein eigenes Leben anzupacken, nörgelt er in zahllosen, akribisch formulierten Beschwerdebriefen an der Welt herum, und obwohl der pedantische und misanthropische Greenberg reichlich unmöglich ist, gelingt es seinem Regisseur auf subversive Weise, eine ganze Menge zärtlicher Gefühle für ihn zu mobilisieren.

So entwickelt sich aus der Art, wie er sich im fremden Leben einrichtet, oder besser, sich ständig selbst im Weg steht, die hinterlistig komische Geschichte einer Midlife-Crisis, mit all den alltäglichen Verwirrungen des Familien- und Liebeslebens. Fremd und unbehaust wirkt Greenberg in seinem Leben, was noch dadurch verstärkt wird, dass er ohne Führerschein in Los Angeles wie ein Fisch auf dem Trockenen zappelt, und bei allen Besorgungen auf andere angewiesen ist, was ihm zugleich allerdings auch ein paar Kontaktmöglichkeiten eröffnet, vor allem mit Florence (Greta Gerwig), die als Mädchen für alles bei der Familie seines Bruders angestellt ist und ähnlich ziellos wie er durchs Leben driftet. Greta Gerwig, die die große Entdeckung dieses Films ist, versetzt dieses erfrischend sperrige Mädchen zwischen fragiler Verletzlichkeit und traumwandlerischem Zauber in Schwingung. Zwischen den beiden entspinnt sich eine flüchtig unentschlossene Liebesgeschichte, bei der die Magie auf angenehm leisen Sohlen daherkommt.

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