Kritik zu Fack ju Göhte

© Constantin

Die Pennälerkomödie ist eine deutsche Spezialität. Aber das hier ist nicht Die Feuerzangenbowle. In Bora Dagtekins Film holt ein Kleingangster die Schüler da ab, wo sie heute stehen, und zeigt ihnen das Leben. Da ist eine Lektion für alle drin

Bewertung: 3
Leserbewertung
4
4 (Stimmen: 3)
So kann’s gehen. Da schleppt man sich mit schlimmen Vorahnungen in einen Film, dessen Titel Humor der schwerverdaulichsten Sorte verheißt. Und lacht mehr, als man es sich in seinen kühnsten Träumen über das deutsche Komödienwesen je erhofft hatte. Bora Dagtekin richtet nach Türkisch für Anfänger nun eine Schulkomödie an, die zwar bewährten Mustern folgt, im Detail aber oft herrlich komisch ist. Es geht um Zeki Müller, der nach seiner Gefängnisentlassung erfährt, dass seine auf einem Schulgelände vergrabene Beute mit einer Turnhalle überbaut wurde. Komödientechnisch kann die Lösung nur lauten, sich als Hausmeister einzuschleichen und einen Tunnel zu der Penunze zu bohren. Weil aber die Kunstlehrerin – Uschi Glas als theatralische Burn-out-Kandidatin – gerade aus dem Fenster gesprungen ist, wird der Exknacki als Aushilfslehrer angeheuert. 
 
Als "Gretchen", das den Ganoven zum wertvollen Mitglied der Gesellschaft heranzieht, fungiert Referendarin Lisi, deren ordnungsliebendes Über-Ich sie eigentlich zu gut für diese Brennpunktschulwelt macht. Und schon optisch gibt die blasszarte Gutmenschin Lisi – Karoline Herfurth – den passenden Kontrast zum gut aussehenden Dunkelmann Elyas M’Barek: ein Duo wie Engelchen und Teufelchen. Erzieherisch auf den bösen Buben wirkt aber vor allem die Horrorklasse 10b, deren schlechte Manieren von dem falschen Pauker noch getoppt werden. Anders gesagt: Alphatier Müller holt die Schüler dort ab, wo sie sind und zeigt ihnen, wo der Hammer hängt. Denn so fies wie Chantal, Kevin & Co. ist er schon lange. Hier wird nicht nur mit Kreide geworfen. Und, klar, durch das allmähliche Vertrauen der Gören wird auch der raubauzige Müller zu einem besseren Menschen erzogen.
 
Man sollte diesen Klamauk nicht als Schulsatire mit sozialkritischem Anspruch missverstehen. Die Qualität der Witze reicht von tief unter der Gürtellinie bis zu geradezu erleuchteten Späßen. Die Tonart ist derb und von der mittlerweile üblichen "Blowjob"-Rhetorik durchzogen. Dagtekin präsentiert ein geradezu gruseliges Frauenbild, das sich zwischen den Polen "Gehemmte Gouvernante" und "Nutte mit Herz" bewegt, und wärmt gerne alberne Pennälerstreiche à la Hurra, Hurra, die Schule brennt auf. Meistens aber funktioniert der Humor als Schocktherapie, in der auf Political Correctness gepfiffen wird und wüste Klischees karikiert werden. So macht Milieukenner Müller mit der lernresistenten Zehnten zur Abschreckung Klassenfahrten ins asoziale Leben von heute: zu einem Hartz-4-Empfänger, der in einer verqualmten Bude am Fernseher abhängt, oder zu einem seinen Rausch ausschlafenden Neonazi. Dann wieder dreht der Lehrer eine renitente Loserin um, indem er ihr weismacht, dass sie hochbegabt sei und sich mit den Nerds von "Jugend forscht" treffen solle: für solche scharfsinnigen Pointen muss man diesen Film einfach mögen. Und auch wegen Katja Riemann, die als bissige Direktorin allen die Schau stiehlt. Zusammengehalten wird alles durch Dagtekins flottes Timing, das dieser humoristischen Achterbahnfahrt eine mitreißend ausgelassene Stimmung verleiht. Eine Komödie mit Prädikat: unbekümmert.

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