Kritik zu Die Bücherdiebin

© 20th Century Fox

Ein junges Mädchen erlebt die Schrecken der Naziherrschaft und bringt durch Mut und Vitalität Licht in diese dunkle Zeit. Regisseur Brian Percival hat den Bestseller von Markus Zusak als Märchen verfilmt, in dem sich Tod und Kindheit die Erzählung teilen

Bewertung: 3
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3 (Stimmen: 2)

Es gibt großartige Kranfahrten in diesem Film, perfekt gestaltet von Florian Ballhaus und seiner Kamera-Crew. Es gibt eine bombas­tische Musik, einen Klangteppich der Emotionen, komponiert von keinem Geringeren als John Williams, dem Hauskomponisten von Steven Spielberg. Und es gibt ein aufwendiges Produktionsdesign von Simon Elliott, das vor allem in Babelsberg gekonnt realisiert wurde. Und doch wirkt dieses internationale Kinohandwerk, das auf starke Gefühle abzielen will, auf einmal kraftlos und vergeblich und sogar falsch: als hätte sich ein filmischer Zuckerguss über die Erinnerung an die NS-Zeit und den Holocaust gelegt. Natürlich kann man diese düstere Zeit auch als postmodernes Märchen erzählen, wie es Regisseur Brian Percival (»Downton Abbey«) und Drehbuchautor Michael Petroni nach dem versponnenen Bestseller von Markus Zusak hier versuchen. Aber man darf in Anbetracht des Sujets nicht den Mittelweg einer routinierten, auf alle Altersschichten abzielenden Produktion gehen.

Ein junges Mädchen steht im Mittelpunkt der Geschichte: die kleine Liesel, deren Mutter als Kommunistin vor den Nazis geflohen ist. Liesel kommt vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs zu Pflegeeltern in eine süddeutsche Kleinstadt. Ihr neues Heim befindet sich bezeichnenderweise in der Himmelstraße, einem letzten Fetzen Paradies in einem dunklen Deutschland. Denn die Pflegeeltern namens Hubermann, allzu solide gespielt von Geoffrey Rush und Emily Watson, entpuppen sich als herzensgute Menschen. Auch die meis­ten Nachbarn sind gewöhnliche, anständige Deutsche. Nur Streber und dumme Jungs scheinen für die Nazis empfänglich zu sein.

Die junge Kanadierin Sophie Nélisse als Liesel hat in ihren besten Momenten etwas von der melodramatischen Vitalität eines Stummfilmstars, etwa von Lillian Gish oder Mary Pickford. Zu einer Art verdrehter AnneFrank-Version wird der Film, als die Hubermanns einen kranken jüdischen jungen Mann in ihrem Keller verstecken. Liesel hält ihn am Leben, indem sie ihm aus gestohlenen Büchern vorliest. Bald beginnt die junge Heldin auch selbst zu schreiben, ein Tagebuch auf den übertünchten Seiten von Hitlers »Mein Kampf«.

Es ist eine schöne Idee des Romans und des Films, die Sprache des Naziterrors mit einer gewissen Poesie zu bekämpfen. Es klingt aber recht befremdlich, wenn sich auch die Guten immer wieder mit »Saukerl« und »Saumensch« ansprechen und diese Schimpfwörter auf ironische Weise positiv besetzt werden.

Ein verwunschenes Haus in dieser bizarren Märchenwelt stellt die Villa des Nazibürgermeisters dar, aus der Liesel oft Bücher stiehlt. Barbara Auer als melancholische Ehefrau des Bürgermeisters deutet in ihrem zurückhaltenden Spiel ein echtes Wissen über Schuld und Tod an.

Der Tod höchstpersönlich hat auch einen gewichtigen Auftritt. Er ist der Erzähler des Films, in der Originalfassung wird er von Roger Allam gesprochen, in der deutschen Version von Ben Becker: jedes Mal als rauchender Schulmeister, sentimental und ein wenig ironisch, im Grunde ein netter Bursche, so harmlos wie dieser allzu leichte Film über eine schwere Zeit.

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