Kritik zu Eine Nacht in Helsinki
Aus was soll Mika Kaurismäkis »Corona-Film« sonst bestehen, wenn nicht aus einfach drei Männern, einer Kneipe und einigen Gläsern Wein. Und dann wird am Ende irgendwie doch wieder mehr draus
Mika Kaurismäkis »Lockdown-Film« »Eine Nacht in Helsinki« feierte im November 2020 beim Tallinn Black Nights Film Festival Weltpremiere, mitten in der zweiten Welle. Und eine Zeit lang sah es so aus, als käme er erst in die deutschen Kinos, wenn vielleicht nicht die Pandemie, aber wenigstens die Einschränkungen und Ängste ausgestanden sind.
Inzwischen ist klar, dass der Film noch längst nicht veraltet wirkt. Tatsächlich ist er selbst ein Ergebnis der Pandemie: Ursprünglich sah die Story ein Zufallstreffen dreier Männer in einer Bar in Dubai vor – mit denselben Schauspielern wie in Kaurismäkis thematisch nahezu identischem »Three Wise Men« von 2008. Doch dann machte Corona dem Team einen Strich durch die Reisepläne. Also verlegte Kaurismäki die Geschichte kurzerhand nach Helsinki, wo er mit seinem Bruder Aki seit vielen Jahren eine populäre Bar betreibt. Der Name des Etablissements lautet, kein Scherz!, »Corona«.
Im Film selbst bleibt die Bar namenlos; der Grund für den allgemeinen Lockdown muss ohnehin nicht erwähnt werden. Und doch führt er drei sehr unterschiedliche Männer zusammen: Ein Sozialarbeiter, ein Krankenhausarzt und ein Kneipier treffen sich in einer Bar – was wie der Beginn eines blöden Witzes klingt, wird bei Kaurismäki zum unaufdringlichen Symbol für den klassenübergreifenden Gemeinschaftssinn, den eine gesellschaftliche Ausnahmesituation im besten Fall hervorbringen kann.
Eigentlich ist Heikkis Lokal wegen des Lockdowns geschlossen, er ist (scheinbar) nur zum Aufräumen dort. Doch als der Stammgast Risto nach einer langen, niederschmetternden Krankenhausschicht um einen Drink bittet und wenig später noch der geheimnisvoll wirkende Juhani auftaucht, weist der bärig-gutmütige Barmann die beiden nicht ab.
Aus dem kurzen Zusammentreffen wird eine lange Nacht voller Bekenntnisse, Geständnisse und Reflexionen über die Dinge des Lebens – die Zungen gelockert von einigen Gläsern guten Weins (Kaurismäki betonte, dass nur die besten Flaschen seiner Bar geöffnet wurden). Die drei Männer stehen vor höchst unterschiedlichen Problemen, doch die äußeren Umstände geben ihnen einen gemeinsamen Nenner. Sie wollen etwas trinken und reden, Dinge vergessen oder loswerden.
Mehr Einzelheiten zu verraten, würde den bemerkenswert unspektakulären Gesprächen die, nun ja, Dramatik nehmen. Womöglich liegt es am improvisierten Charakter des Projekts – es gab kein offizielles Drehbuch –, dass die Geschichten so alltäglich sind. Gerade das macht sie auf unerwartete Weise berührend. Und auch hier gelingt Kaurismäki und seinen Schauspielern ein feiner Bezug zur Realität, denn wie so viele Menschen werden Heikki, Risto und Juhani durch die Stille des Lockdowns zu einer Introspektion gebracht, zu einem Nachdenken über die kleinen und ganz persönlichen Dinge. Passend dazu ist »Eine Nacht in Helsinki« vielleicht kein »großer« Kaurismäki, aber immer noch ein Film zur Zeit, der beruhigend zeitlos wirkt.
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