Interview mit Ethan Hawke über »Born to be Blue«

»Das Selbstzerstörerische ist mir fremd«
Ethan Hawke in »Born to be Blue« (2015). © Alamode

Ethan Hawke in »Born to be Blue« (2015). © Alamode

Ethan Hawke: Seinen ersten Leinwandauftritt hatte Hawke, der eigentlich Schriftsteller werden wollte, in Joe Dantes »Explorers – Ein phantastisches Abenteuer« (1985), übrigens an der Seite von River Phoenix. Sein Auftritt in »Der Club der toten Dichter« (1989) war dann der Durchbruch für den damals 19-Jährigen. Als Autor und mit eigenen Regiearbeiten auch auf der Bühne hat Hawke sich eine große Vielseitigkeit bewahrt und ist dabei dem Independent-Film stets treu gebleiben.

Was hat Sie daran interessiert, Chet Baker zu spielen?

Mich haben immer schon Menschen angezogen, die gleichzeitig so talentiert und so voller Schmerz sind. Das erscheint auf den ersten Blick so unvereinbar. Warum ist jemand, der so viel Aufmerksamkeit bekommt, so einsam? Diese Einsamkeit hörte man Chets Musik immer an. Wann immer ich sie gehört habe, habe ich über ihn und sein Leben nachgedacht. Und von Bruce Webers Dokumentation Let’s Get Lost war ich geradezu hypnotisiert.

Schon vor etlichen Jahren war mal im Gespräch, dass Sie ihn spielen sollen . . .

Ich war ungefähr 25, als zum ersten Mal ein Produzent sein Leben verfilmen und mich als Chet Baker haben wollte. Richard Linklater und ich entwickelten damals ein Drehbuch, doch letztlich wurde nichts draus. Jetzt zu »Born to be Blue« war das Timing deutlich besser. Ich habe 20 Jahre mehr Zeit gehabt, in Chets Musik einzutauchen.

Eines der Stilmittel, mit denen sich »Born to be Blue« der Biografie von Chet Baker nähert, ist der Film im Film. Fanden Sie diese Herangehensweise nie verwirrend?

Im Gegenteil, sie war mit dafür verantwortlich, dass ich die Rolle überhaupt angenommen habe. Denn eigentlich finde ich nichts langweiliger als Biopics. Für Schauspieler bieten sie zwar tolle Möglichkeiten, aber als Filme sind sie meist ziemlich öde. Deswegen war ich so begeistert, dass hier das übliche Schema aufgebrochen wird. Ich spiele Chet Baker, der sich in einem Film-im-Film selbst spielt. Ist doch großartig!

Stimmt. Aber ist eben auch erfunden . . .

Damit habe ich kein Problem. Wir können eben nicht den echten Chet Baker zeigen, sondern nur seine Legende. Die reine Wahrheit lässt sich sowieso nicht einfangen.

Keine Bedenken, sich so viele Freiheiten herauszunehmen, was Bakers Biografie angeht?

Kein bisschen. Wer echte biografische Details erfahren will, der kann die überall nachlesen. Dafür braucht es keinen Spielfilm. Was wir gemacht haben, ist Fiktion, ein Kunstwerk. Da geht es doch viel eher darum, sich Gedanken zu machen über die Person und die menschliche Natur allgemein. Wir wollten etwas erzählen über Chets Musik und natürlich darüber, was seine Kunst mit seiner Heroinsucht zu tun hat.

Stichwort Heroin: Ist es Ihnen erklärlich, dass jemand künstlerisch so viel erreichen kann, obwohl er derart den Drogen verfallen ist?

Na ja, wenn uns die Geschichte eines gelehrt hat, dann doch, dass man auch als Drogensüchtiger so ziemlich alles erreichen kann. Früher oder später geht die Sache natürlich schief. Aber bis es so weit ist, ist man zu den unglaublichsten Dingen fähig. Ich habe gleich zwei meiner Helden und Kollegen ans Heroin verloren. Erst River Phoenix, mit dem ich meinen ersten Kinofilm »Explorers« gedreht habe. Er war ohne Frage der aufregendste Schauspieler meiner Generation. Später war dann Philip Seymour Hoffman die wichtigste Inspiration in meinem Leben, nicht nur als wir zusammen »Tödliche Entscheidung« drehten.

Können Sie nachvollziehen, wie es mit Ihren Freunden so weit kommen konnte?

Puh . . . Ich bin mir sehr bewusst darüber, dass wir alle im Leben damit ringen, Ängste und Selbstzweifel in den Griff zu bekommen. Besonders in Momenten, in denen wir von uns selbst enttäuscht sind. Für manche Menschen ist das überwältigend, denen machen die Drogen das erträglicher. Aber wirklich nachvollziehen kann ich es nicht. Dieses Selbstzerstörerische ist mir fremd.

Noch einmal kurz zurück zur Musik. Welche Rolle spielt Musik hören in Ihrem Leben?

Eine riesige. Ich höre immer und überall Musik. Wenn ich früher zu Dreharbeiten fuhr, hatte ich manchmal 500 CDs dabei. Heute habe ich die größte Jukebox der Welt einfach immer in meiner Hosentasche. Das ist fantastisch.

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