Endlich Saarbrücken

Das Filmfestival Max Ophüls Preis ist eine wichtige Plattform für den deutschen Nachwuchsfilm
"Männer zeigen Filme & Frauen ihre Brüste" (2013)

Nix mit kuschelig. Das Filmfestival Max Ophüls Preis ist eine wichtige  Plattform für den deutschen Nachwuchsfilm. Der gab sich in diesem Jahr fantasievoll, komisch – und gesellschaftlich bewusst

Für mich war es das erste Mal. Nach all den Jahren, in denen ich die Preisträger be­obachtete, manchmal mühsam versuchte, die Filme nachzuarbeiten, und die Karrieren der Regisseure verfolgte, habe ich es geschafft, endlich einmal selbst nach Saarbrücken zu fahren. Mit der Vorstellung, ein kleines, eher intimes, ein Wohlfühlfestival zu besuchen. Tatsächlich aber ist das Festival nicht klein. Oder im 35. Jahr nicht mehr.  Es war ein quirliges Festival, voller interessanter Menschen – und mit einem kleinen Eklat zu Beginn.

Denn vor der Premiere des Eröffnungsfilms Zweisitzrakete von dem österreichischen Filmemacher Hans Hofer protestierten Mitglieder von Behindertenverbänden für ein barrierefreies Festival: In den elf Sälen des Multiplexkinos, das das Zentrum des Fes­tivals bildet, gäbe es nur wenige Plätze für Menschen mit Rollstuhl, Audiokommentare für Blinde fehlten völlig; ebenso durchgehende Untertitel für die Gehörlosen. Wenn man sich auf einen privaten Kinobetreiber verlässt, hat man als öffentliche Institution wenig Möglichkeiten, für ein behindertengerechtes Festival zu sorgen. Und das all den steuerfinanzierten Fördergeldern zum Trotz.

Innerhalb der Filme allerdings, die den deutschsprachigen Nachwuchs sehr gut aussehen lassen, war die Suche nach integrativen Positionen, nach sozialer Relevanz deutlich zu spüren. Und das zieht sich durch alle Genres. Sogar in der selbstbewusst albernen Beziehungskomödie Zweisitzrakete ging es um mehr als nur um zweckfreien Humor. Ein paar kesse Worte reichen nicht, um die begehrte Frau zu überzeugen. Es braucht vielleicht eine echte Rakete. Vor allem aber zeigte dieser Film eins: Die Fantasie droht verloren zu gehen.

Auch der neue Horrorfilm Blutgletscher von Marvin Kren (Rammbock), der mutierte Tiere in der kalten Bergwelt vorführt, gibt sich neben dem Grusel politisch. Er erklärt die Mutationen mit einer drastischen globalen Erwärmung, dem Abschmelzen der Gletscher und der Freisetzung von jahrtausendealtem Genmaterial. Der mit dem Preis für den gesellschaftlich relevanten Film ausgezeichnete Männer zeigen Filme & Frauen ihre Brüste von Isabell Šuba thematisiert den unterschwelligen Sexismus im Filmbusiness in Form eines Experiments. Šuba, die einen Kurzfilm in Cannes präsentieren durfte, gab ihre Rolle ab, besetzte sich selbst mit einer Schauspielerin und begleitete das Ganze als angebliche Filmstudentin mit der Kamera. Weil es keinen einzigen Film einer Frau in den Wettbewerb geschafft hatte, suchte sie nach der Rolle der Frau in Cannes. Ein schräger Film, der das Genre Dokumentation noch über Michael Moore hinaustreibt.

Hochverdient ist der Preis für die beste Nachwuchsdarstellerin Liv Lisa Fries in dem Film Und morgen mittag bin ich tot von Frederik Steiner. Sie spielt eine mukoviszidosekranke Endezwanzigerin, die sich entschließt, mit Hilfe einer Organisation in der Schweiz aus dem Leben zu scheiden. Jugend und Tod, in dieser Verbindung liegt eine unvermeidbare Dramatik. Der Film trägt der Tragik seines Themas Rechnung, ist aber weder larmoyant noch betulich, sondern frech, witzig und wortgewandt. Selten ist das Thema so tabulos angegangen worden.

Der Film Familienfieber von Nico Sommer, der mit dem Preis der Saarländischen Ministerpräsidentin ausgezeichnet wurde und zwei Paare in einer merkwürdigen Situation zeigt, wirkt erst mal nur anders als gewohnt, ohne dass man genau sagen könnte, warum. Arglos laden die Eltern eines 19-Jährigen die noch unbekannten Eltern seiner Freundin zu einem Dinner auf dem Land ein. Vor der Tür erkennt der Vater, dass die Mutter der Freundin des Sohnes seine eigene Geliebte ist. Das Karussell nimmt Fahrt auf. Am Ende sind alle Beziehungen zumindest infrage gestellt. Der Film wirkt ungeheuer dicht, die Figuren beziehen sich stark aufeinander, die Dialoge erscheinen echt, fast improvisiert. Und das sind sie auch. Ohne Proben hat Sommer seinen Film in nur sieben Tagen gedreht und viel Charme aus dem Augenblick bezogen. Weil das so viel Spaß gemacht hat, plant er bereits eine Fortsetzung.

Der deutsche Film Love Steaks von Jakob Lass um ein Liebespaar hinter den Kulissen eines Luxushotels ist der Gewinner des 35. Max-Ophüls-Festivals. Der Film strotze »vor Kraft, Spielfreude, Farben und Liebe« und zeige, wozu Kino in der Lage ist, schrieb die Jury. 

Love Steaks startet am 27. März
 

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