Kritik zu Hotel Auschwitz

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Eine Theatergruppe reist zu Recherche­zwecken zur KZ-Gedenkstätte nach Auschwitz, wo jede Menge persönliche Konflikte aufbrechen: Vergangenheitsbewältigung als schwarze Komödie

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»Ich kann nach Auschwitz jetzt kein Würstchen essen«, sagt die Schauspielerin Sabine (Franziska Petri) und wendet sich vom Grill ab, um im nahegelegenen Fluss zu schwimmen. Was eine Reinigung mit einer Art Taufe verbindet, wird zu einem der vielen symbolischen Momente in diesem Film, der doch einen ganz direkten, dokumentarischen Ton anschlägt. In seinem Kinodebüt erzählt Cornelius Schwalm von einer Theatergruppe, die »Die Ermittlung« von Peter Weiss aufführen will. In diesem eminent politischen Stück von 1965 versuchte Peter Weiss den ersten Frankfurter Auschwitz-Prozess auf die Theaterbühne zu bringen. Er hielt an der dokumentarischen Idee fest, verwendete aber eine kunstvolle, poetische Sprache und unterteilte das Stück in elf Gesänge, in denen er die Opfer von der Rampe bis zum Feuerofen begleitete.

In Cornelius Schwalms »Hotel Auschwitz« bildet das Stück aber nur den Ausgangsimpuls. Der Film entwickelt seine Handlung bei der Recherchereise, die eine kleine Gruppe der Theaterleute zur Gedenkstätte in Auschwitz unternimmt. Hier werden die Gräuel der Vergangenheit wieder gegenwärtig. Sabine kann zwar kein Würstchen essen, doch ein Kind kann sie zeugen, am Ort der Vernichtung. Und das mit zwei Männern nacheinander. Der Konflikt entzündet sich nicht an dem historischen Verbrechen, obwohl einer der Reisenden versucht nachzurechnen, ob überhaupt eine so umfassende Vernichtung an diesem Ort in nur 18 Monaten möglich gewesen sei. Der Konflikt entsteht aus der Unfassbarkeit und lagert sich an den individuellen Problemen an. In nur wenigen Tagen ist jeder mit jedem verfeindet.

Es ist eine große Aufgabe, eine Komödie zu drehen, die mit der unbeugsamen Ernsthaftigkeit von Peter Weiss beginnt und in Auschwitz endet. Der Witz bekommt dadurch eine eigene Bösartigkeit. Es gelingt Cornelius Schwalm jedoch, weder an Niveau noch an Komik zu verlieren; in der Dynamik seiner improvisierten Szenen hält er eine erstaunliche Balance. Was ihm dabei aus dem Blick gerät, ist seine Geschichte. So zerfällt der Film immer mehr in einzelne Szenen, die einander weder bedingen noch motivieren. Es fehlt eine echte Entwicklung, ein sich zuspitzender Konflikt, der die zwischenmenschliche Explosion innerhalb der Gruppe am Schluss besser erklären würde.

Schwalm versteht es mit seinem Film, die Verkrampfung angesichts der Vergangenheit zu lösen und dabei die verschiedenen, mehr oder minder absurden Strategien der Vergangenheitsbewältigung bloßzustellen. Aber leider stolpert sein Plot. Statt lebendiger Figuren agiert hier eine Versuchsanordnung. Die eingangs beschriebene Wurst-Szene hat Schwalm übrigens aus Chris Kraus' thematisch sehr verwandtem »Die Blumen von gestern« geklaut, in dem er selbst mitspielte. Dort fegt Lars Eidinger einen Esstisch in den Müll mit den Worten: »Ich kann das jetzt hier nicht essen, während du vor einem Foto von Auschwitz sitzt und über den Auschwitzkongress redest.« Leider weckt Schwalm damit die Erinnerung an einen insgesamt doch schärferen und überzeugenderen Film.

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