Kritik zu Hannas schlafende Hunde

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Drei Frauen, drei Generationen im österreichischen Wels der 60er Jahre: Andreas Gruber (»Welcome Home«) hat Elisabeth Eschers autobiografischen Roman verfilmt

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Hanna versteht die Welt nicht mehr. Klassenkameraden taxieren die Neunjährige mit feindseligen Blicken. »Meine Mutter hat schon recht: Besser, man hat mit euch nichts zu tun!«, keift einer der Jungs hasserfüllt. Zur Bekräftigung schießt er das schmächtige Mädchen mit dem Fußball ab. Hanna ist Jüdin, weiß aber nicht so genau, was das bedeutet. Niemand hat es ihr erklärt. Sie lebt im oberösterreichischen Provinzstädtchen Wels der späten 60er Jahre. Entnazifizierung? Hat auch hier nicht wirklich stattgefunden. Das macht Andreas Gruber in »Hannas schlafende Hunde« gleich zu Anfang klar. Unter den wachen Blicken des Mädchens fährt der Hausmeister, ein ehemaliger Blockwart, mit dem knatternden Moped vor und leitet die Auspuffgase in den Maulwurfshügel. Seine eigenwillige Schädlingsbekämpfung zeigt, wie präsent die Gaskammern noch sind.

Diese Symbiose aus Pogromstimmung und Alltag leuchtet Gruber in seiner Adaption des gleichnamigen Romans von Elisabeth Escher minutiös aus. Hannas beharrliche Erkundung ihrer Identität gibt dabei den dramaturgischen Bogen vor. Von ihrer verschlossenen jüdischen Mutter ist nichts zu erfahren. Die hat einiges durchgemacht, lebt aber nach der Devise »Nur nicht auffallen«. An der Seite ihres katholischen Mannes tarnt sie sich als brave Gottesdienstgängerin. Also fasst Hanna sich ein Herz und fragt den Pfarrer nach ihrer jüdischen Identität. Als der ihr mitleidig erklärt, ihr Volk sei schuld am Tod Jesu, scheint das Mädchen endgültig in einem schwarzen Loch zu versinken.

Diese Mischung aus katholischer Bigotterie und tief empfundenem Antisemitismus ist kaum auszuhalten. Franziska Weisz und Rainer Egger überzeugen als verhuschtes Elternpaar, das sich der Vergangenheit nicht stellt. Und Nike Seitz agiert als aufgeweckte Neunjährige nie wie eine altkluge Kinderdarstellerin. Auch die detailgenaue Ausstattung, stimmig vom Kassengestell bis hin zum »8x4«-Deospray, drängt sich nicht in den Vordergrund. In den stärksten Momenten vermittelt sich die Stimmung eines animierten Otto-Dix-Gemäldes.

Leider gerät die furios beginnende Milieu­studie irgendwann aus der Spur. Das liegt an der Konzentration auf die Schlüsselfigur von Hannas resoluter Oma Ruth (Hannelore Elsner), der einzigen, die mal mit der Faust auf den Tisch haut. Ihr Augenlicht verlor die blinde Seherin durch den Blitz einer Granate, weil der fiese Hausmeister ihr seinerzeit den Zutritt zum Luftschutzkeller verweigerte. Mit diesem versoffenen Kinderschänder, der Hanna im Kohlenkeller an die Wäsche geht, lebt Ruth 25 Jahre später noch immer unter einem Dach. Das ist schon etwas dick aufgetragen, doch das Hauptproblem ist die Fehlbesetzung der Großmutter. Wenn Hannelore Elsner als Ruth der selbstgerechten Religionslehrerin die Meinung geigt, dann ist keine Wut zu spüren. Die Elsner schwebt über dem Boden, ihr manierierter Duktus hört sich an, als käme sie gerade von einem esoterischen Seminar. Mit diesem nicht ganz stimmigen Casting verschenkt der Film viel von seinem Potenzial.

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