Kritik zu Die Florence Foster Jenkins Story

© Salzgeber

2016
Original-Titel: 
Die Florence Foster Jenkins Story
Filmstart in Deutschland: 
10.11.2016
FSK: 
Ohne Angabe

Noch vor dem Spielfilm mit Meryl Streep in der Rolle der »schlechtesten Sängerin aller Zeiten« startet Ralf Plegers dokumentarische Annäherung an die Exzentrikerin

Bewertung: 4
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Was war das für eine Frau, die weder Töne noch Takt traf und sich dennoch als große Operndiva inszenierte, zahlreiche Platten aufnahm und sogar in der ausverkauften Carnegie Hall auftrat? Die Antworten auf die Frage nach der Persönlichkeit hinter dem irrlichternden Gesang fallen in Ralf Plegers höchst unterhaltsamer Mischung aus Experten-Interviews, Archivrecherche und Spielszenen unterschiedlich aus. Salondiva, reiche Verrückte, erfolgreicher Musikclown, frühe Feministin oder doch nur ein »Monster der Eitelkeit«? Pleger beleuchtet all diese Facetten, ohne sein Porträt auf ein eindeutiges Fazit zuzuspitzen. In der Rahmenhandlung lässt er einen (fiktiven) Interviewer die sehr von sich überzeugte Dame befragen, immer wieder streut er Nachinszenierungen, teilweise auch stilisierte Neuerfindungen von Jenkins' tableaux vivants ein. In schwülstigen Dekors, pompösen Kostümen und mit Statisterie setzte sich die Sängerin in Szene – und feierte Erfolge, die sie selbst ihrer stimmlichen Meisterschaft zuschrieb, während das Publikum sich am skurrilen Dilettantismus berauschte.

Es ist ein schöner Kniff, Jenkins von der berühmten Mezzosopranistin Joyce DiDonato verkörpern zu lassen. In filmischen Kippfiguren wechseln Aufnahmen, in denen DiDonatos meisterlicher Gesang Jenkins' Selbstwahrnehmung spiegelt, und solche, in denen sie den »besoffenen Kuckuck« imitiert, den die Zuhörer wahrnahmen – wobei es der großen Sängerin nicht immer gelingt, so schlecht wie Jenkins zu singen. Archivfunde lassen Spekulationen über die Ursache von Jenkins' Selbstüberschätzung zu. Doch glücklicherweise geht es Pleger nicht nur um die Psychopathologie der Exzentrikerin. Er spürt auch der Faszination nach, die sie bis heute ausübt, vergleichbar etwa dem »schlechtesten Filmregisseur aller Zeiten« Ed Wood. Ist Jenkins' Kunst »High Camp« im Sinne Susan Sontags, wurde sie zur großen Humoristin der Musik, gerade weil sie mit heiligem Ernst und immun gegen die Realität an ihrem Traum festhielt? Ralf Plegers Film würdigt sie verschmitzt, doch stets respektvoll als eine in jedem Falle außergewöhnliche Entertainerin.

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