Kritik zu Ai Weiwei: Never Sorry

© DCM

2012
Original-Titel: 
Ai Weiwei: Never Sorry
Filmstart in Deutschland: 
14.06.2012
L: 
91 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Der Rausch des Dabeiseins ist eine Falle, in die viele Dokumentarfilmer tappen. Alison Klaymans Porträt des chinesischen Künstlers demonstriert, dass Anwesenheit und Zeugenschaft zwei unterschiedliche Dinge sind

Bewertung: 2
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Der chinesische Kunstmarkt boomt nicht nur, er explodiert momentan geradezu. Das Regime in Peking hat unlängst angekündigt, bis 2015 über 1 000 neue Museen bauen zu wollen. Werke von Gegenwartskünstlern wie Qi Baishi erzielen derzeit bei Auktionen Rekordpreise in zweistelliger Millionenhöhe. Sein berühmtester Kollege Ai Weiwei hingegen wird im Westen vornehmlich als Aktivist und Blogger wahrgenommen: eine Sichtverengung, an der auch Alison Klayman in ihrer Dokumentation festhält.

Einerseits liegt sie mit dieser Erzählstrategie nicht ganz falsch. Ai Weiwei will sein Leben und Wirken als Gesamtkunstwerk verstanden wissen, hat seine Biografie und Kunst unauflöslich miteinander verklammert. Temperamentvoll spielt er auf den Klaviaturen medienwirksamer Provokation. Mit seinenAktionen und in seinem Blog wirft er Schlaglichter auf Missstände in seiner Heimat. Furchtlos entlarvt er die Verlogenheit eines Regimes, das durch die wirtschaftliche Öffnung zum Westen die Empörung über Menschenrechtsverletzungen zum Verstummen bringen will. Listig untergräbt er die Macht der Zensur, führt seine Verfolger mit nobler Verschlagenheit vor. Seine Erregbarkeit scheint unermüdlich; sie lässt sich durch keine Repressalie entmutigen.

Diese wuchtige Selbstinszenierung hat Klayman über einige Jahre als dankbare Komplizin begleitet. Man kann es ihr nicht verdenken. Welcher Dokumentarist würde sich nicht von ihm ins Schlepptau nehmen lassen? Ai Weiwei besitzt ein einnehmendes Wesen: Er wirkt wie ein umsichtiger Draufgänger, der einen grimmigen Schalk im Nacken hat. Sein Privatleben ist pittoresk, seine 40 Hauskatzen sind unwiderstehlich. Einer wie er ist nicht im Zaum zu halten, weder von Zensoren, Polizisten noch von einer Filmkamera.

Klayman hat es erst gar nicht versucht. Ihr Blick ist fahrig, die Kaskade der talking heads kurzatmig. Keine Einstellung darf länger als vier Sekunden dauern, kein Statement länger als zwei Sätze. Um dieses törichte Tempo zu halten, unterläuft der Regisseurin schon einmal der Fauxpas, die Frage eines Interviewers zu zeigen, dann aber Ai Weiweis Antwort wegzuschneiden. Klaymans ästhetisches Konzept erschöpft sich in einer naiven, holprigen Bebilderungsmanie. Mithin tritt nur gelegentlich Bezeichnendes zutage: Während frühere Generationen für Freiheit kämpften, meint Ai Weiweis erster US-Galerist, streite er vor allem für größere Transparenz. Biografische Spuren – sein Vater, der Dichter und Maler Ai Qing,war ebenfalls ein wehrhafter Dissident – werden eher pflichtschuldig ausgelegt. Eine achtsame Auseinandersetzung mit Ai Weiweis Werken mag die Regisseurin ihren Zuschauern nicht zumuten. Sie würde ein Innehalten verlangen, die störende Muße der Konzentration. Den Raum, eine eigenständige Aura zu entfalten, gewährt der Film seinen Installationen, Skulpturen und Fotografien nicht. Sie sind nur ein flüchtiges Alibi. Ai Weiweis vielschichtige Reflexion chinesischer Traditionen blitzt im Film nur als bilderstürmerischer Elan auf. Es wäre keinem Zuschauer ernsthaft übelzunehmen, wenn er diesen Künstler nach Ansicht des Films nur für einen vergnügten Scharlatan hielte.

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