Retrospektive: »Der Kampf ums Matterhorn« (1928)

»Der Kampf ums Matterhorn« (1928). Quelle: Deutsches Filminstitut, Frankfurt am Main

Der Bergfilm: Ein urdeutsches Genre. Und wahrscheinlich tatsächlich bezeichnend für die Zeit der Weimarer Republik. Weil nun schon mal technisch möglich war, im Freien, im Fels zu filmen. Und weil mit Arnold Fanck und Luis Trenker – und dann ihrer Adeptin Leni Riefenstahl – Filmemacher heranwuchsen, die das Genre quasi in einem Zug erfanden, definierten und vollendeten. Der Bergfilm: Das ist Abenteuer pur in den steinernen Steilwänden, gemischt mit einem Stück Melodram. Und tatsächlich ein körperliches Genre: Weil es bei den Darstellern vor allem um die Sportlichkeit beim Klettern geht, weniger um die subtile Schauspielkunst. Und weil es den Körper des Zuschauers zum Reagieren bringt: Schwindelgefühl beim Blick ins tiefe Tal, Schrecken, wenn einer abrutscht. Und »Die weiße Hölle vom Piz Palü« hat mich zum Schwitzen gebracht.

Soweit kommt es beim »Kampf ums Matterhorn« nicht. Eröffnungsfilm der diesjährigen Retro, nach schwieriger Restaurierung, weil eine Menge ursprünglichen Filmmaterials fehlte, teils heftig verschrammt, unsachgemäß beklebt, mit Wasserschäden... Schön, dass der Film nun wieder »richtig« vorliegt, bis auf eine letzte Einstellung, die vermutlich das Matterhorn zeigt.

Das Matterhorn: Ein doller Fetisch von Luis Trenker. Der spielt hier die Hauptrolle, war auch Herstellungsleiter und – zusammen mit Kameramann Sepp Allgeier – verantwortlich für die Außenaufnahmen im Fels. Mit und von Trenker hab ich mal einen Film aus den 50ern gesehen, an den Titel kann ich mich nicht erinnern, da war, ungelogen, in ungefähr jeder zweiten Kameraeinstellung das Matterhorn zu sehen. Im »Kampf ums Matterhorn« von 1928 ist das nicht so exzessiv der Fall – aber es bestimmt den Film und das Leben der Trenker-Figur Anton Carrel. Der will den Berg bezwingen, der so phallisch aufragt über seinem Dorf. Bekommt dabei unvermutet einen Rivalen an die Seite, den Engländer Edward Whymper. Und merkt dabei nicht, dass sein Stiefbruder sich an seine Frau ranmacht... Drei Versuche, den Berg zu besteigen. Immerhin bekommt damit der Stiefbruder zwei Versuche, die Frau zu vergewaltigen. Clifford McLaglen, der diesen fiesen Giacomo spielt, muss dabei nicht mehr tun als heimtückisch zu gucken und böse zu lachen. Trenker guckt heroisch und brütet dann vor Eifersucht, die ihm sein Bruder eingeredet hat: Neid auf Whymper, um Anton in den Berg und in den Tod zu treiben. Böse Sache, das.

Hat natürlich rein gar nichts mit der tatsächlichen Matterhorn-Erstbesteigung von 1865 zu tun. Erzählt sich aber gut: Arnold Fanck hat das Drehbuch geschrieben, er weiß, wie man das Beste rausholt aus einer Geschichte. Freundschaft und Rivalität sind ungefähr das Gleiche, wenn man gemeinsam im Berg hängt. Und wahrscheinlich noch nie wurde dieses männliche Genre so sehr als männliches Genre gezeigt: Anton muss verhindern, dass ein anderer »seinen« Berg erobert, während ein weiterer Rivale seine Frau erobert. Es geht in jedem Fall ums Besitzen. Um die Ehre. Um den Kampf und das Nehmen mit Gewalt.

Freilich hätten die Bergszenen spannender gestaltet werden können. Plötzlich ist irgendwer auf einem sicheren Felsabsatz, man hätte da eigentlich ein paar Spannungsmomente mehr erwarten können. Gegen Ende ist das Matterhorn plötzlich besiegt, und als eine Art Nachklapp steht ein böser Verdacht des Mordes im Raum – aber zack, hat der Herr Trenker das Beweisstück, ein zerriebenes Kletterseil nämlich, in der Hand, und Ende. Ja, »Piz Palü« war besser. Bin gespannt auf Leni Riefenstahls Regiedebüt »Das blaue Licht«. Den hab ich vor ewigen Zeiten schonmal gesehen – meiner Erinnerung nach ist der eher mystisch als phallokratisch...

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt