Berlinale Vorbericht: Endlich ist mal was los

"Buzz" ist das angesagte englische Wort für Gerüchte, Klatsch, Aufregung. Und Berlinale-Chef Dieter Kosslick, 66, der kürzlich seinen Vertrag bis 2019 verlängert hat,  versteht es immer ganz gut, in den Tagen vor dem Festival dieses gewisse erwartungsvolle Summen und Brummen zu erzeugen. Was der Berlinale in den letzten Jahren tatsächlich Aufmerksamkeitswert und erheblichen Publikumszuspruch verschafft hat: Sie ist ein Event geworden, verkauft mehr als 300.000 Tickets und steigert sogar, wie der "Tagesspiegel" kürzlich vermeldet hat, das Bruttosozialprodukt.

Rund um das aktuelle Programm von 441 Filmen wurden die thematischen Reizwörter "Frauen in Extremsituationen" – darum geht es etwa im Eröffnungsfilm Nobody Wants the Night von Isabel Coixet  – Religionswahn, Homophobie und Kindesmissbrauch ausgegeben. Und sowieso hat die "politische Berlinale" längst begonnen: mit Diskussionen um die US-Satire The Interview, die für einen Preis der Filmgala "Cinema for Peace" nominiert ist, und den dissidenten iranischen Regisseur Jafar Panahi, der trotz Arbeitsverbots in seiner Heimat wieder einen Film in den Wettbewerb schickt. Panahi hat eine "stehende Einladung" der Berlinale, wie Kosslick sagt, wird aber wohl wieder persönlich nicht kommen können. 

»Noboby wants the Night« (2015), © Leandro Betancor

Weitere hochprominente Regisseure im Wettbewerb sind der Brite Peter Greenaway, der in den letzten Jahren ins Multimedia-Dickicht abgetaucht war und nun den semi-experimentellen Spielfilm Eisenstein in Guanajuato vorstellt, sowie der Amerikaner Terrence Malick mit dem philosophischen Knight of Cups. Der Chilene Pablo Larraín (El Club), die Polin Malgorzata Szumowska (Body), der Franzose Benoit Jacquot (Journal d‘ une femme de chambre) und der Russe Alexey German Jr. (Under Electric Clouds) vertreten unter anderen das Arthousekino – ein Segment, das früher vor allem in der Sektion Forum beheimatet war, inzwischen aber auch den internationalen Wettbewerb prägt. 

Der deutsche Film ist im Wettbewerb, wie schon im letzten Jahr, wieder besonders stark repräsentiert. Andreas Dresen, einer der verlässlichsten deutschen Regisseure jüngeren Jahrgangs, mit Wolke 9 und Halt auf freier Strecke zuletzt in Cannes zu Gast, hat einen Roman des Star-Autors Clemens Meyer adaptiert: Als wir träumten erzählt, wie eine Gruppe von Jugendlichen in Leipzig die Jahre der Wende erlebt – und passt mit diesem Thema tatsächlich viel besser nach Berlin als an die Croisette. Auch Sebastian Schipper (Absolute Giganten) bewirbt sich um einen Bären - mit dem Thriller Victoria.

James Franco, Wim Wenders am Set von »Every Thing will be fine« (2015), © Warner Bros.

Außer Konkurrenz laufen die neuen Produktionen von Wim Wenders und Oliver Hirschbiegel. Wenders, zuletzt mit dem 3-D-Dokumentarfilm Pina auf der Berlinale, hat mit Every Thing Will Be Fine wieder einmal einen Spielfilm gedreht – ebenfalls in 3-D und international besetzt mit James Franco und Charlotte Gainsbourg. Dem Regisseur, der in diesem Jahr 70 wird, ist auch die Hommage gewidmet, und er wird mit dem Goldenen Ehrenbären ausgezeichnet. Sein jüngerer Kollege Oliver Hirschbiegel, der mit dem erfolgreichen Historienstück Der Untergang der Nazi-Führungsriege vielleicht etwas zu nahe gekommen war, geht die Geschichte des Faschismus jetzt mal anders an und thematisiert in Elser das gescheiterte Bombenattentat auf Hitler im Münchner Bürgerbräukeller 1939. Ein weiterer großer deutscher Regisseur, Werner Herzog, startet für die USA in die Konkurrenz; in Queen of the Desert spielt Nicole Kidman die wie Lawrence von Arabien im Nahen Osten engagierte britische Forschungsreisende Gertrude Bell.

In der Sparte Star-Buzz sieht die Berlinale ebenfalls nicht schlecht aus. Neben den Hochkarätern in der Jury unter dem Vorsitz des Regisseurs Darren Aronofsky (Black Swan) haben sich Cate Blanchett, Natalie Portman, Robert Pattinson, Ben Kingsley, Ian McKellen und Helen Mirren angekündigt.

»Better Call Saul«, © Ursula Coyote/AMC

Mit dem neuen Schwerpunkt Fernsehserien – ja, auch das ist ein Buzz-Wort - knüpft das Festival an einen schon länger andauernden Trend im Unterhaltungsgeschäft an. Einen ersten Blick kann man hier etwa auf Better Call Saul, den mit Spannung erwarteten Ableger der hochgelobten Drama-Show Breaking Bad, werfen. Die Serie startet am 9. Februar in den USA. Hierzulande müssen Goodman-Fans übrigens nicht viel länger warten: Der Streaming-Dienst Netflix nimmt Better Call Saul bereits ab dem 11. Februar in sein Portfolio auf.

Mega-Buzz schließlich gibt es schon lange um die Verfilmung des Erotik-Bestsellers "Fifty Shades of Grey", den die Berlinale in der "Special"-Reihe zeigt. Da die Geschichte um eine Studentin, die mit  einem attraktiven Geschäftsmann eine sadomasochistische Beziehung eingeht, aber schon am nächsten Tag – Valentinstag! – im Kino startet, könnte das Festivalgeräusch um diesen Film schneller abklingen als die Wirkung eines Quickies auf dem Schreibtisch.

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