Interview mit Anthony Russo zu »The First Avenger: Civil War«

Anthony Russo am Set von »The First Avenger: Civil War« (2016)

Anthony Russo am Set von »The First Avenger: Civil War« (2016)

Das Regisseur-Duo Joe und Anthony Russo belebt mit dem dritten »Captain-America«-Film das Marvel-Universum neu

Mister Russo, dies ist bereits der zweite Marvel-Superhelden-Film, den Sie und ihr Bruder Joe inszeniert haben. Wie sieht der Produktionsprozess bei Marvel generell aus? Gibt es bestimmte Parameter, die von Kevin Feige, dem bei Marvel für die Filme Verantwortlichen, zu Beginn festgelegt werden und innerhalb deren Regisseure und Drehbuchautoren operieren müssen? Oder fängt man jedes Mal beim Nullpunkt an und überlegt gemeinsam, wo man in dem neuen Film Akzente setzen könnte?

Das ist Teil des Vergnügens am Marvel-Universum, dass die Filme alle miteinander verzahnt sind, es also in gewisser Weise ein serielles Erzählen gibt. Andererseits gibt Marvel auch jedem Film seinen eigenen Raum. Bei dem vorangegangenen »Captain America«-Film war es für Kevin Feige nur wichtig, dass am Ende sein Schild zerstört wird – wie wir dahin gelangten, war einzig und allein unsere Sache. Bei diesem Film gab es gar keine Vorgaben. Mein Bruder Joe, ich und die Autoren saßen mehrere Monate lang zusammen und sprachen über Möglichkeiten für eine Geschichte, dann trugen wir Kevin Feige unsere Ideen vor. Das ist ein sehr organischer Prozess. Natürlich schaut man sich die vorangegangenen Filme noch einmal an, denn man baut darauf auf – aber Marvel möchte auch, dass man sie überrascht, darin besteht schließlich die Vitalität des Ganzen.

Zu den Superhelden aus früheren Marvel-Filmen stellen Sie in diesem Film die dritte Reinkarnation von Spider-Man vor…

Spider-Man war immer ein großer Favorit für mich und meinen Bruder, als wir aufwuchsen. Ein besonders Vergnügen bei den Marvel-Filmen ist ja gerade, dass unterschiedliche Regisseure unterschiedliche Charaktereigenschaften der Figuren erforschen können. Man kennt deren Vorgeschichte, kann aber auch etwas Neues mit ihnen anstellen.

Spider-Man wird später wieder seinen eigenen Film bei Sony bekommen, die die Rechte an dieser Figur erworben haben. Wie sehr erforderte das Absprachen im Vorfeld?

Als wir begannen, gab es noch kein Treatment für den nächsten eigenständigen »Spider-Man«-Film, so waren wir ganz frei. Wir zeigen einen ganz jungen Spider-Man, denn wir haben den Eindruck, dass seine Jugend ihm eine gewisse Einzigartigkeit im Marvel-Universum verleiht. Entsprechend wollten wir ihn mit einem ganz jungen Darsteller besetzen. Zudem wollten wir ihn in die Welt von heute einführen, was wir schon mit Captain America in seinem zweiten Film gemacht hatten. Den wollten wir in eine realistischere Umgebung versetzen, denn er kann nicht fliegen wie Iron Man und verwandelt sich auch nicht in ein grünes Monster wie der Hulk, er kommt auch nicht aus einer anderen Welt wie Thor – er ist eigentlich nur ein Mensch, wenn auch ein bisschen mehr. Das galt hier auch für Spider-Man: wir wollten ihn nicht in einem nostalgischen New York der fünfziger Jahre zeigen, sondern als Jungen im Queens von heute, mit einer modernen Beziehung zu seiner Tante. Das war der Kontext, in dem wir diese Figur besetzt haben. Den Schauspieler durften wir selber aussuchen. Das war ein ziemlich aufwändiger Besetzungsprozess, wir machten Probeaufnahmen mit verschiedenen Kandidaten, die wir dafür nach Atlanta kommen ließen, wo wir den Großteil des Films drehten. Es gab Probeaufnehmen sowohl zusammen mit Robert Downey, Jr als auch mit Chris Evans. Es bestand eine Vereinbarung zwischen Marvel und Sony, dass beide die Figur benutzen könnten, aber dabei gab es doch viele Feinheiten zu beachten, so wollte Sony nicht, dass vorab etwas über diese Figur in unserem Film bekannt wird.

Die Szenen mit ihm waren immer als komische Entspannungsmomente geplant?

Ja, wir fanden, der Film brauchte das, weil sein zentraler Konflikt mit so viel Anspannung verbunden war.

Waren Sie eigentlich überrascht, als Sie das Angebot bekamen, Ihren ersten Marvel-Film zu inszenieren, denn der war so viel aufwändiger als die Filme, die Sie zuvor gedreht hatten?

Wir waren sehr überrascht, als wir damals den Anruf unseres Agenten bekamen, der sagte, Marvel hätte eine Liste von zehn Regisseuren, mit denen sie über den nächsten »Captain America«-Film sprechen wollen – und wir seien auf der Liste. Denn wir hatten uns nie darum beworben. Marvel erstellt diese interne Liste von Regisseuren, deren kreatives Potenzial sie schätzen. Wir hatten dann schließlich vier Treffen innerhalb von zwei Monaten, wo mein Bruder und ich uns sehr in dieses Projekt verliebten und großes Interesse hatten, es zu machen. Wir arbeiteten dann einen sehr komplexen Pitch aus, der ihnen gefiel. Das stellte sich als das richtige Zusammentreffen zur richtigen Zeit heraus, denn mein Bruder und ich hatten eine lebenslange Vorliebe für Comicverfilmungen.

Sind Sie vielleicht auf dieser Liste gelandet, weil Sie in »Safecrackers oder Diebe haben‘s schwer« ein Gespür dafür gezeigt hatten, einen Ensemblefilm zu machen?

Das könnte sein; sie sagten, dass sie Fans dieses Films waren, aber auch von der Komik, wie sie unsere Fernsehserie »Community« auszeichnete. In der gab es auch einige Parodien von Action-Filmen, die unsere Sensibilität in Bezug auf Action deutlich machte. Hätte man uns vor langer Zeit gesagt, dass wir uns einen Namen machen würden als Komödienregisseure, hätten wir das nicht geglaubt, denn wir lieben Action genauso.

Mit dem zweiteiligen »Captain America: Infinity Wars« bleiben Sie dem Marvel-Universum treu…

Ja, bis 2019, das sind dann sieben Marvel-Jahre. Diese beiden Filme sollen die Kulmination all dessen sein, was bisher im Marvel-Universum passiert ist. Es wird aber noch einer Reihe anderer Marvel-Filme zuvor geben, was wir dabei berücksichtigen müssen, So können wir auch noch nicht definitiv sagen, wer alles mitwirken wird – es wird aber eine große Geschichte mit sehr vielen Figuren. Es sind übrigens zwei sehr unterschiedliche Filme, aber wir werden sie back-to-back drehen, weil die Besetzung so groß ist und wir den Drehplan um die Verfügbarkeit der Schauspieler herum organisieren müssen.

... zur Kritik von »The First Avenger: Civil War«

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