Kritik zu The Jungle Book

© Walt Disney

Balu, Baghira, Shir Khan und King Louie sind wieder da, diesmal als täuschend lebensechte Computeranimationen. Die Neuverfilmung des Disney-Klassikers weicht in Stil und Ton genug vom Original ab, um erfrischend anders zu erscheinen, und spielt so raffiniert mit dem Vertrauten, dass er erkennbar bleibt

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Die Story ist bekannt: Das Findelkind Mogli wird im indischen Dschungel von einem Wolfsrudel aufgezogen und lebt zehn Jahre lang zufrieden im Einklang mit der Tierwelt. Doch der von Brandwunden gezeichnete Tiger Shir Khan will das »Menschenjunge« töten, weiß er doch aus schmerzlicher Erfahrung, dass der Mensch die »Red Flower« (das Feuer) beherrscht und nur Unglück ins Tierreich bringen wird. Doch bevor der fürsorgliche Panther Baghira den unwilligen Mogli in die sichere Menschensiedlung bringen kann verschwindet der im Dschungel. Mogli freundet sich mit dem sorglosen Bären Balu an, wird von der Riesenpython Kaa hypnotisiert und von dem Affenkönig Louie entführt, der hinter das Geheimnis der »Red Flower« kommen will.

Das Zeichentrickmusical »Das Dschungelbuch« aus dem Jahr 1967 (inspiriert von Rudyard Kiplings Fabelsammlung »The Jungle Book« von 1894) ist einer der großen Schätze aus dem Fundus der Walt Disney Studios. Durch die regelmäßigen Wiederaufführungen im Kino (allein in Deutschland haben über 27 Millionen Zuschauer den Film im Kino gesehen) und die späteren Auswertungen auf sämtlichen Heimkinoformaten sind mehrere Generationen mit dem Film groß geworden. Eine Revitalisierung der beliebten Trickfiguren mit dem ursprünglich nur als Direct-to-video-Fortsetzung geplanten »Dschungelbuch 2« im Jahr 2003 fiel allerdings äußerst lieblos aus. Doch nun ist die Tricktechnik ausgereift genug, um die alten und neuen Publikumsgenerationen mit einem Realfilm-Remake in 3D abermals in die Kinos zu locken.

Das Abarbeiten der allseits bekannten Handlung wird dabei erstaunlicher Weise nicht zur ermüdenden Pflichterfüllung. Denn es ist durchaus reizvoll zu sehen, wie die Zeichentrickbilder des Originals in einer realen Welt zum Leben erweckt werden. Natürlich ist »The Jungle Book« auch ein Animationsfilm, wenn auch einer, der uns vorgaukelt ein Realfilm zu sein. Denn der zwölfjährige Junge Neel Sethi als Menschenkind Mogli ist der einzige reale Schauspieler in diesem Film. Die anderen wohlbekannten tierischen Protagonisten sind Computeranimationen, die diesmal täuschend lebensecht aussehen. Und darin liegt der Reiz dieser Neuverfilmung. Die digitalen Tiere in »Life of Pi – Schiffbruch mit Tiger« (2013) und »Planet der Affen – Revolution« (2014) haben eindrücklich bewiesen, dass biologische Körperformen und Tierfell inzwischen geradezu erschreckend realitätsnah dargestellt werden können. So glaubt man fast, dass es tatsächlich die Tiere sind, die hier schauspielern, wenn sie auch mit den Stimmen bekannter Hollywoodgrößen sprechen (im Original wird Balu von Bill Murray und Baghira von Ben Kingsley gesprochen). Es ist ein formal schmaler Grad, auf dem Regisseur Jon Favreau (»Iron Man« 1 + 2) hier wandelt. Denn das muntere Gesinge der Tiere im Original von 1967 war zwar durch die Charaktere motiviert, ging aber auf Kosten des Realismus. Doch kann man sich Disneys »Dschungelbuch« ohne Balus Song »The Bare Necessities« (in der unschlagbaren deutschen Fassung: »Probier's mal mit Gemütlichkeit«) vorstellen? Komponist John Debney tut deshalb gut daran, in der Neufassung die bekannten Melodien des Originals wenigstens zu zitieren und die beliebtesten Gesangsnummern zu übernehmen. So haucht Scarlett Johansson als Schlange Kaa ihr »Trust in Me« ganz wunderbar lasziv hypnotisierend in Moglis Ohren.

Der optische Realitätsanspruch in »The Jungle Book« bedeutet aber auch, dass die oft grausam erscheinenden Regeln der Tierwelt Einzug in das sonst so behütete Disneyuniversum halten. Mogli blutet schon mal, wenn er sich bei einem Sturz in die Tiefe das Knie aufschlägt oder wenn der furchteinflößende Tiger Shir Kahn ihm mit seiner Pranke die Brust einritzt. Die Neuverfilmung richtet sich bewusst auch an die ersten Generationen der »Dschungelbuch«-Fans, an heute Erwachsene, die goutieren werden, dass der Auftritt des Orang-Utans King Louie im Dunkel des verfallenen Tempels tatsächlich eine abgründige Reminiszenz an Marlon Brandos Auftritt als wahnsinnig gewordener Sektenführer Colonel Kurtz in »Apokalypse Now« ist.

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