Kritik zu Harms

© Kinostar

Ein deutscher Gangsterfilm mit Atmosphäre, ohne Fördergelder von Regisseur Nikolai Müllerschön und Hauptdarsteller Heiner Lauterbach selber gestemmt

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Ein Mann kommt nach 16 Jahren aus dem Knast. Dreizehn davon hat er gesessen, weil er sein Wort gegeben und geschwiegen hat. Ist es eine glückliche Fügung, dass ihm kurz darauf der große Coup angeboten wird? Ist es wirklich der Sechser im Lotto, wie er selber sagt, den man nur einmal bekommt und bei dem man zugreifen muss?

Heiner Lauterbach verkörpert die Titelfigur mit kahl rasiertem Schädel, Koteletten, verwegenem Bart und einer unter dem rechten Auge tätowierten Träne als klassische Kinofigur des wortkargen Einzelgängers und Profigangsters. Er hat nur noch wenige alte Freunde, verliebt sich aber sofort in eine junge Prostituierte, die ihm ebenso unvermittelt wie direkt ihre Dienste anbietet. Zu schön, um wahr zu sein? Offensichtlich, denn, wie der Zuschauer später erfährt, war Jasmin auf ihn angesetzt, von dem ehemaligen Banker Knauer (Friedrich von Thun), dem Drahtzieher des Coups. Der besitzt auch einen Vertrauten innerhalb der Bank, Wettke (André Hennicke), der ihnen im entscheidenden Augenblick die Einfahrt öffnen wird und über seine Kollegen, die anderen Wachmänner, Bescheid weiß.

Ein Team wird versammelt, das nicht unbedingt einen professionellen Eindruck macht: der Familienvater Menges (Axel Prahl) und der Kneipenbesitzer Timm kommen dazu. Letzterer wird von Martin Brambach verkörpert, dessen Spezialität Figuren sind, die sich selbst überschätzen, so kann der Zuschauer sich hier auf das Schlimmste gefasst machen. Und in der Tat, Timms Versuch Waffen zu besorgen, endet in einer bleihaltigen Auseinandersetzung. Danach möchte Harms die Sache abblasen. Doch just in diesem Moment hat der junge Computerfreak Luik (Benedikt Blaskovic) den Code für die Daten der Bank gehackt – damit sind auch die Geldscheine, die gestohlen werden sollen, nicht mehr länger markiert und können somit ausgegeben werden. Alles scheint bei dem Coup glattzugehen, bis Knauer auftaucht.

Deutsches Genrekino jenseits der Absicherung durch Fernsehanstalten und Fördergremien: dafür haben sich hier Nikolai Müllerschön (Buch und Regie) und Heiner Lauterbach (Hauptdarsteller) zusammengetan, die beide auch als Produzenten verantwortlich zeichnen. Ein deutscher Gangsterfilm ist dabei herausgekommen, ohne die Stilisierungen eines Melville (den Müllerschön und Lauterbach neben Scorsese im Presseheft als eines ihrer Vorbilder nennen), dafür eher mit der Betonung der Schäbigkeit des Milieus zwischen Imbissstand, Kleingas­tronomie und anonymen Großstadtstraßen. Lauterbach zeigt Präsenz und liefert eine solide Darstellung, die anderen Schauspieler variieren mehr oder weniger Charaktere, die sie schon oft gespielt haben. In Erinnerung bleibt dafür umso mehr die Figur des namenlosen Türken (Blerim Destani), der seine Rolle als »Freund« beschreibt und so etwas wie ein Schutzengel wird.

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