Kritik zu Ein Becken voller Männer

© Studiocanal

Nach Schweden und England bereitet nun Frankreich die Geschichte der Männer auf, die mit Wasserballett ihre diversen Krisen bewältigen – allerdings mit überraschend viel Witz und herrlich angemessener Häme

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Wenn es so weitergeht, dann wird daraus noch ein eigenes »cinematic universe«: das »Männer im Wasser«-Universum, das mit einer schwedischen Ausgabe 2008 begann, als »Swimming with Men« 2018 seine britische Fortsetzung fand und mit »Ein Becken voller Männer« letztes Jahr in Frankreich einen Höhepunkt erlebte, wie sich an 4,3 Millionen Zuschauern und neun César-Nominierungen ablesen lässt. In jedem Film findet eine Gruppe von krisengeschüttelten Männern mit eigentlich nicht mehr für die Badehose geeigneten Körpern durch Synchronschwimmen zu neuem Selbstbewusstsein. »Komplettisten« unter den Zuschauern im Männer-Becken-Universum sind aber eher im Nachteil: Wer alle drei Filme sieht, könnte ihrer gefälligen Ähnlichkeiten überdrüssig werden, bevor er die interessanten Unterschiede entdeckt. Oder womöglich beklagen, dass sich das Franchise, das 2008 noch als »inspiriert von einer wahren Geschichte« begann, seither von seinen Ursprüngen entfernt habe. Dabei ist »Ein Becken voller Männer« der beste Beleg dafür, dass sich abseits von den wahren Geschichten oft die ursprünglicheren Kinovergnügen entdecken lassen. Mit anderen Worten: »Ein Becken voller Männer« ist nicht nur der bislang beste Beitrag zum Thema, er funktioniert als wunderbar übellaunige Komödie, voller mittelmäßiger und schlechter Witze, mit wenig intelligenten Dialogen, aber dafür umso mehr grantig-wahrem Bauchgefühl.

Der bereits etablierten Plotformel wird denkbar schlampig Genüge getan: Es beginnt mit dem depressiven Bertrand (Mathieu Amalric), der darunter leidet, dass er als arbeitsloser Familienvater den Respekt von Frau und Kindern zu verlieren droht. Durch Zufall stößt er zur Synchronschwimmergruppe hinzu, deren Attraktion natürlich darin liegt, dass sie aus lauter Trauersäcken wie ihm selbst besteht. Laurent (Guillaume Canet) hat ein unangenehm aufbrausendes Temperament, was seinen Scheidungskampf nur verschlimmert; Simon (Jean-Hugues Anglade) lebt in einem Wohnwagen und hält aus unerfindlichen Gründen am Traum fest, doch noch ein Rockstar werden zu wollen; Thierry (Philippe Katerine) ist eines jener schrägen männlichen Wesen, die sowieso nur als Randfigur existieren; Marcus (Benoît Poelvoorde) fährt gerade sein Swimmingpoolbusiness gegen die Wand, aber so richtig. Trainiert werden sie von der exzentrischen Delphine (Virginie Efira), die statt mit sportmedizinischen Weisheiten mit Poesie ankommt und zwischendurch auch noch ihrem alten Laster, dem Alkohol, verfällt. Zum Glück hat sie in der im Rollstuhl sitzenden Amanda (Leila Bekhti) einen würdigen Ersatz bestimmt. Amanda jagt dann als eine Art weibliche Variante des Drill Sergeants Hartman aus »Full Metal Jacket« die Männer durchs Wasser, dass es nur so spritzt.

Das Schöne an »Ein Becken voller Männer« ist dabei, dass Regisseur Gilles Lellouche den vorgeschriebenen »Erlösungspfad«, auf dem die einzelnen Männer ihr Leben durch Synchronschwimmen bessern lernen, eher links liegen lässt. Stattdessen hebt er fast hämisch die Absurdität seiner Prämisse heraus und zeigt die unfitten Körper der Hauptdarsteller genauso wie ihre wenig für »Erlösung« empfänglichen, von Kleinmut und Verunsicherung geschüttelten Persönlichkeiten. Derart ungeschönt wird daraus eine Parabel voll unterschwelligen Witzes und wahrer Erkenntnisse. Dass diese Losertypen bei einer Europameisterschaft im Synchronschwimmen etwas ausrichten könnten, mag reine Kinofantasie sein, dass keines ihrer Probleme sich dadurch lösen wird, ist wieder purer Realismus. Aber dann gibt es da diese herrlichen Momente, etwa wenn sie auf der Reise zum Wettkampf wie kleine Kinder zusammengepfercht Schlafsack an Schlafsack schlafen müssen und kleinliches Gestreite sich mit einem Sonnenaufgang von erhabener Poesie paart. Vielleicht bringt Synchronschwimmen ja doch was.

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