Kritik zu Dieses Sommergefühl

© Rendezvous Filmverleih

2016
Original-Titel: 
Dieses Sommergefühl
Filmstart in Deutschland: 
03.11.2016
L: 
106 Min
FSK: 
keine Beschränkung

Der Titel klingt nach heiterem Treiben, dabei erzählt der französische Regisseur Mikhaël Hers eine Geschichte von Trauer und Verlust

Bewertung: 4
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Verwehendes Laub, Regen, Nebel, tief hängende graue, schwere Himmel – mit Tod und Trauer werden gemeinhin schlechtes Wetter und kühle Jahreszeiten assoziiert. Doch es ist ein strahlend schöner Frühsommertag, an dem die junge Künstlerin Sasha auf dem Nachhauseweg vom Atelier zusammensackt. Einfach so. Und wenige Tage später ist sie tot. Aus – im Wortsinne – heiterem Himmel bricht das Unglück herein. Der Himmel ist blau, die Sonne lacht, kein Wölkchen stört, als im Leben von Sashas FreundInnen und Angehörigen ein Abgrund aufreißt und jener Leere Raum gibt, die der Verlust verursacht. Ein Verlust, der verarbeitet werden wird, Leere, die wieder gefüllt werden wird – im Lauf der Zeit, allmählich. Unmerklich?

»Dieses Sommergefühl« heißt Mikhaël Hers' Film ebenso zutreffend wie irreführend. Zutreffend, weil er das Ungreifbare, Diffuse eines Gefühls gestaltet, irreführend, weil es sich dabei eben nicht um unbeschwerte Sommerfröhlichkeit handelt, sondern um das Aufflammen und Vergehen von Schmerz und die Bewältigung von Trauer. In zwei Zeitsprüngen von jeweils einem Jahr und an vier verschiedenen Orten erzählt Hers seine im Grunde ganz einfache Geschichte. Die es, wie alle im Grunde ganz einfachen Geschichten, so richtig in sich hat.

Es beginnt in Berlin, wo die Französin Sasha mit ihrem aus New York stammenden Freund Lawrence lebte. Um die Formalitäten abzuwickeln, reist Sashas Familie an – Schwester Zoé aus Paris, die Eltern aus Annecy –, während Lawrence bei einer Freundin und Landsfrau Zuspruch findet, die zufällig in der Stadt zu Besuch ist. Wenn dann alle wieder weg sind und der Sommer vorbei ist, wird die Stadt Berlin ihre besondere Art von Heimat- und Trostlosigkeit für Lawrence bereithalten. Heulendes Elend und Zähneklappern allerdings werden von der Narration weitestgehend ausgespart, Hers nimmt den Faden erst im Sommer darauf wieder auf, als Lawrence Zoé in Paris besucht. Und wieder ein Jahr später wird Zoé Lawrence in New York besuchen, wohin der inzwischen zurück gekehrt ist.

Berlin, Paris, New York – noch so eine Begriffsreihung, die man, wie zuvor schon die Bezeichnung »Sommer«, nicht mit verquollenen Augen und hängenden Schultern in Verbindung bringt. Sondern mit hippen Metropolen-Hoppern. Mit jungen Kosmopoliten, denen die Welt offen steht. Was aber eben nicht bedeutet, dass diese von den wesentlichen Dingen des Lebens verschont blieben; man kann auch mit Mitte dreißig schon sterben.

Es ist erstaunlich, mit welcher Unbekümmertheit »Dieses Sommergefühl« Gegensätzliches nebeneinander stehen lässt. Und umso erstaunlicher, als Hers und Kodrehbuchautorin Mariette Désert darauf verzichten, ihre Figuren tiefergehend zu charakterisieren. Als Zuschauer blickt man von außen auf einen Alltag, der zunächst aus der Façon gerät, aber schließlich wieder zurückfindet in seine Bahn. Man malt sich melodramatische Möglichkeiten einer narrativen Auflösung aus, der Hers und Désert sich klugerweise entschlagen. Weil das alles am Ende eben doch ziemlich normal und ziemlich realistisch und also auch ziemlich unspektakulär ist.

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