Kritik zu Dene wos guet geit

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2017
Original-Titel: 
Dene wos guet geit
Filmstart in Deutschland: 
18.07.2019
L: 
71 Min
FSK: 
Ohne Angabe

Der Schweizer Regisseur Cyril Schäublin präsentiert in seinem Langfilmdebüt eine satirisch-allegorische Auseinandersetzung mit einer auf allen Ebenen von gestörter Kommunikation dominierten Welt

Bewertung: 4
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Vom sogenannten Enkeltrick haben die meisten sicherlich schon oft gehört. Für eine Übersetzerin am Züricher Gericht aber war die Betrugsmasche eine neue und bemerkenswerte Geschichte. Einer der beiden Männer, denen sie vor dem Ufer eines Flusses in arabischer Sprache davon erzählt, meint, ganz Ähnliches schon in einem Film gesehen zu haben, nur an den Titel könne er sich nicht mehr erinnern. 

Es könnte – augenzwinkernd – dieser Film selbst sein, der mit der oben erwähnten Unterhaltung und einer Zusammenfassung des Enkeltricks als Vorspann beginnt. Dann erzählt er in mehreren lose parallel geführten Strängen genau eine solche Geschichte vom Betrug an zwei alten Damen und endet mit der Festnahme der Täterin auf einer aus der Drohnenschau gefilmten Verkehrsinsel. 

Vom Fernsehkrimi ist die Arbeit nicht nur durch seine formale Konsequenz aber Welten entfernt. Denn der in Peking und Berlin studierte Züricher Filmemacher Cyril Schäublin nutzt für sein Langfilmdebüt den kriminalistischen Plot nur als Hohlform, um den betrügerischen Eigentumstransfer (und die familiäre Beziehungslosigkeit der alten Frau, deren echte Enkelin ihr fast ebenso fremd wie die falsche ist) satirisch mit der Gesamtansicht der durchdigitalisierten Gesellschaft zu konfrontieren.

Konkrete Schauplätze sind ein Callcenter, in dem junge Frauen und Männer versuchen, »günstige« Krankenversicherungen und Mobilverträge für Firmen namens Dezentra und Everywhere Schweiz unter die Leute zu bringen. Eine Bank, wo diverse Kunden hoch dotierte Anlageverträge abschließen. Und schwer bewaffnete Personenkontrollen an einem (nie zu sehenden) gesperrten Bahnhof, wo sich die Polizisten wieder fast ausschließlich über Versicherungen und Mobilfunkverträge unterhalten. 

Dezentral auch die in den Bildern von Kameramann Silvan Hillmann unter riesigen Wandflächen an den Rand platzierten Menschen. Dabei ist der Spielort Zürich in den abstrahierten Stadtansichten nur indirekt zu erkennen. Und die häufigen Totalen auf städtische Parklandschaften wirken flach wie Fototapeten, genau wie die Gespräche der Menschen, die immer wieder in der Nennung von Zahlenreihen münden. Ergänzender humoristischer Running Gag ist das Nicht-mehr-Erinnern-Können der Titel gesehener Filme und gehörter Songs, die den Verlust des kulturellen Gedächtnisses signalisieren.

Auch der Titel des Films zitiert einen Liedtitel des in der Schweiz legendären, 1972 früh verstorbenen Liedermachers Mani Matter. Der ist nicht das einzige Element, das den mit wunderbar stoisch agierenden Darstellern semi-dokumentarisch inszenierten Film in einen spezifisch schweizerischen Kontext stellt, an anderer Stelle gibt es einen Monteur, der in der Bank eine Schweizer Fahne anbringen will. Höchst erfolgreich war Schäublins überzeugende Bestandsaufnahme gesellschaftlicher Rat- und Beziehungslosigkeit aber auch auf internationaler Ebene. Als global gültiges Motto dürfte dabei der Satz eines der den Betrugsfall bearbeitenden Polizisten gelten: »Ich sehe zwar, wo wir sind, aber irgendwie kann ich die Route nicht eingeben«.

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