Kritik zu 3 Herzen

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Der französische Regisseur und Drehbuchautor Benoît Jacquot erzählt in seinem neuen Film eine melancholische Dreiecksgeschichte, die seinen von Charlotte Gainsbourg, Chiara Mastroianni und Benoît Poelvoorde gespielten Hauptfiguren viel Platz zur Entfaltung ihrer Kunst lässt

Bewertung: 4
Leserbewertung
3.5
3.5 (Stimmen: 2)

Alles beginnt so, wie man es aus großen Liebesmelodramen wie Begegnung von David Lean, Die grosse Liebe meines Lebens von Leo McCarey oder Before Sunrise von Richard Linklater kennt: Zwei Fremde begegnen sich und verbringen ein paar Stunden miteinander, die ihr bisheriges Leben ins Wanken bringen. Statt Namen, Nummern oder Adressen zu tauschen, verabreden sie sich Tage oder Monate später an einem markanten öffentlichen Ort, doch natürlich kommt etwas dazwischen. Schon wenn Marc (ein liebenswert zerknitterter Benoît Poelvoorde), kurz bevor sich die Türen des Zuges schließen, der ihn aus der Provinz nach Paris zurückbringen wird, noch hastig sagt: »Sollen wir nicht besser Nummern austauschen?«, hängt eine ungute Vorahnung schwer über den Bildern. »Ich werde da sein«, sagt Sylvie (eine enigmatisch herbe Charlotte Gainsbourg), nur leider kann eben auch bei den allerbesten Vorsätzen etwas dazwischenkommen.

Als Sylvie am kommenden Freitag auf einem Stuhl im Pariser Park wartet, ist Marc aus schwerwiegenden Gründen verhindert, und die vielversprechende Liebe beendet, bevor sie begonnen hat. Sylvie bleibt bei ihrem Mann und zieht mit ihm nach Amerika, und Marc kehrt von Hoffnung und Sehnsucht getrieben in das Provinzstädtchen zurück, wo er Monate später eine andere zauberhafte Frau kennenlernt, die Sylvie in eine entfernte Ecke seines Herzens verdrängt. Was er nicht ahnt und erst langsam zu fürchten beginnt, ist, dass Sophie (eine sehr handfest irdische Chiara Mastroianni) die Schwester von Sylvie ist.

Mit im Grunde reinem Herzen ist Marc zum Verräter geworden, womit ein leiser Psychokrimi beginnt, ein romantischer Thriller, in dem eine Begegnung zwischen den »drei Herzen« sehr lange hinausgezögert wird. Erst vier Jahre später kommt es anlässlich der runden Geburtstage von Sylvie und ihrer Mutter (Catherine Deneuve, die auch im echten Leben die Mutter von Chiara Mastroianni ist) zu einer Familienzusammenführung, in der alte Gefühle wieder hervorbrechen, obwohl Marc und Sylvie versuchen, sie zu unterdrücken.

Schon der Titel verrät, dass es um eine besondere Ménage-à-trois geht, in der dem Liebesverrat nichts Böswilliges anhaftet. Meist basieren melodramatische Konstruktionen darauf, dass alles viel einfacher wäre, wenn die Helden nur offen und ehrlich zueinander wären. Doch hier hat das Schicksal einen so üblen Scherz mit den Helden gespielt, dass Offenheit keine Lösung ist, denn wie sollte er Sylvie erklären, dass er ausgerechnet ihre Schwester geheiratet hat, und Sophie, dass ausgerechnet ihre geliebte Schwester die große Liebe seines Lebens ist. Plötzlich wird jeder Gang durchs weitläufige Landhaus der Schwiegerfamilie zum Spießrutenlauf, bei dem hinter jeder Ecke Lügen und Heimlichkeiten lauern, all die verschämten Gesten am Esstisch, die begehrlichen Blicke aus dem Fenster, das beklemmende Gefühl, ertappt zu sein. Ein unheilschwanger dissonanter Ton, der sich immer wieder wie eine böse Wolke über die Bilder legt und sie vor sich hertreibt, scheint direkt aus Marcs Seelentiefe zu kommen.

3 Herzen (2014)

Nachdem Benoît Jacquot zuletzt in Leb, wohl, meine Königin! die erotisch aufgeladenen Verstrickungen seiner Helden auf historischem Terrain auslotete, kehrt er mit 3 Herzen wieder in die Gegenwart zurück. Erneut schürt er eine Sinnlichkeit des Verbotenen, die von genüsslich zelebrierten Mahlzeiten auf heimliche Blicke und Berührungen überspringt und selbst Handys und Computer sinnlich auflädt, mit all den verstohlenen Versuchen der Kontaktaufnahme. Etwa wenn Marc nachts ruhelos durch die Wohnung streift, Sophies Laptop öffnet und über ihren Skype-Account Sylvie anwählt: Während Sylvie immer näher an den Bildschirm rückt, um ihr geheimnisvolles Gegenüber zu erkennen, weicht er immer weiter zurück ins Dunkel, um nicht erkannt zu werden. Oder wenn zwei Frauenstimmen Marcs Namen rufen: die eine aus dem Nachbarzimmer, die andere aus dem Telefonhörer, dazwischen ein zartfühlender Mann, der schuldlos zwischen zwei Frauen aufgerieben wird

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