Mediathek: »Dead Pixels«

»Dead Pixels« (Staffel 1-2, 2019-2020). © ZDF / Mr Whisper

»Dead Pixels« (Staffel 1-2, 2019-2020). © ZDF / Mr Whisper

Auf mehreren Ebenen

Natürlich die Südkoreaner. Sitzen am anderen Ende der Welt und durchkreuzen Megs (Alexa Davies) raffiniert eingeleiteten Plan, ein Schnittchen namens Dale in die Kiste zu kriegen. Sie hat sich gar zu etwas hinreißen lassen, was ihrem Wohngenossen Nicky (Will Merrick) die Haare zu Berge treibt: Sie trifft Dale beim Badminton. Nicky: »Dem Hallensport Badminton?«

Aus dem Tête-à-Tête wird nichts, denn: »Die Festung steht in Flammen.« Die strategisch wichtige Schwarzfingerfestung. In deren Schatten findet ein blutiges Gemetzel statt. Meg wird dringend als Verstärkung an der Spielkonsole gebraucht. Sie widersteht kurz, aber letztlich siegt der Spiel- über den Geschlechtstrieb. Sie eilt den bedrängten Gefährten zu Hilfe. Nicht ohne Bedauern: »Meine Vagina ist wie 'ne Blaue Mauritius – sie wird nie geleckt werden.«

Da hilft kein Drumherumreden: Die Protagonisten der britischen Serie »Dead Pixels« pflegen eine unverblümte Sprache. Auch in der deutschen Übersetzung wird nichts beschönigt. Kein verschämtes »verflixt!« anstelle des derberen »fuck!«. Vielleicht nicht das, was Feingeister beim Nachmittagstee konsumieren. Aber witzig, vor allem die einfallsreichen Umschreibungen für Geschlechtsorgane und Nahverkehr. Der Blick auf einen neuen Kollegen weckt bei Meg eindeutige Regungen: »Er soll meine Trockengebiete fluten, er soll meine Innenstadt gentrifizieren.« Emanzipatorisch nebenbei, wie in dieser Serie Frauen unbekümmert ihre Bedürfnisse äußern.

Megs sexueller Notstand verdankt sich ihrer Passion für das Online-Computerspiel »Kingdom Scrolls«. Seit stolzen zwei Jahren versucht sie im Verein mit Nicky und Usman (Sargon Yelda), die Zitadelle der Schwarmmutter zu erobern. Die drei spielen am Arbeitsplatz, in der Freizeit, ganze Nächte hindurch und gehen völlig auf im wüsten Treiben ihrer Avatare. Mit Alison (Charlotte Ritchie) haben Meg und Nicky eine dritte Mitbewohnerin. Sie führt ein nach üblichen Maßstäben normales Leben, für Meg oft eine Provokation. Sofakissen und Wandbilder im gemeinsamen Wohnzimmer? Pervers. Alisons funktionierendes Sexualleben empfindet Meg als »passiv-aggressives Verhalten«.

Meg, Nicky, Usman und die anderen gleichen entfernt den Sonderlingen aus der US-Sitcom »The Big Bang Theory«. Doch anders als sein Kollege Chuck Lorre muss sich der britische Serienschöpfer Jon Brown nicht selbst zensieren. Die Sprache ist deftiger, der Humor tiefschwarz. Der ehemalige Fachjournalist Brown kennt die Zockerkultur. Er überzeichnet wohl, diffamiert aber nicht, lässt Raum für tragikomische Szenen und sorgfältig angelegte Momente zwischen Ernst und Heiterkeit wie Nickys Begegnungen mit seinem Vater, der ihn für einen notorischen Versager hält.

Aus der realen Lebenswelt blenden Brown und Regisseur Al Campbell, ebenfalls ein passionierter Gamer, immer wieder hinüber auf die Handlungsebene des Spiels. »Kingdom Scrolls« ist eher schlicht animiert, aber es besteht ja auch schon seit einigen Jahren.

»Dead Pixels« ging aus der Webserie »Avatards« hervor. Für Jon Brown bereits der zweite Ausflug in die Gamer-Kultur. 2017 adaptierte er unter dem Titel »Loaded« die israelische Serie »Mesudarim«: Vier Freunde entwickeln ein albernes Computerspiel und veräußern es für einen Millionenbetrag an einen Großkonzern. Übermütig kaufen sie einen Hubschrauber, ein Kanalboot, eine mit Jungsspielzeug vollgestopfte Luxusvilla, denn sie wollen weiterhin als WG zusammenleben. Der Spaß geht zur Neige, als US-Managerin Casey einfliegt und streng auf die Kindsköpfe einwirkt. Denn die haben in ihrer Euphorie übersehen, dass sie zu einem 13-prozentigen Unternehmenswachstum verpflichtet sind – ab sofort wird wieder gearbeitet. Auch diese Serie lebt von Wort- und Aberwitz sowie eingebettetem Ernst. »GG«, wie es in der Spielerszene heißt. »Good Game.«

OV-Trailer: »Dead Pixels«

OV-Trailer: »Loaded«

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