Kritik zu Republic of Silence

© Salzgeber

Die exilierte syrische Filmemacherin Diana El Jeiroudi erzählt in ihrem Essayfilm auf sehr persönliche Weise von deutschen Befindlichkeiten, den Anstrengungen von Flucht und Exil und von der jüngsten syrischen Geschichte

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Am 17. Juli 2000 schwört der neu eingesetzte syrische Staatspräsident Baschar al-Assad vor dem Parlament seines Landes, die »demokratische Volksrepublik zu schützen«, »die Verfassung zu respektieren« und »die Interessen der Menschen zu schützen«. Elf Jahre später lässt er Menschen, die gewaltfrei mehr demokratische Rechte einfordern, ins Gefängnis werfen, foltern oder ermorden und treibt das Land vom Arabischen Aufbruch in einen Bürgerkrieg. Viele fliehen, 2012 auch die Filmemacherin Diana El Jeiroudi, die mit ihrem beruflichen und privaten Partner Orwa Nyrabia 2018 in Damaskus noch das erfolgreiche DOX BOX Festival für arabische Dokumentarfilme gegründet hatte. Heute kämpfen beide aus Berlin für syrische Filmemacher im Exil und in Syrien und für internationale Ächtung des dortigen Krieges. 

Die feierliche Vereidigung Assads steht kunstvoll einmontiert als Filmzitat am Anfang von El Jeiroudis dreistündigem Film­essay, der auf subtile und eindringliche Weise das Weltgeschehen mit dem Privatesten verknüpft und in vier Kapiteln, einem Dutzend tagebuchartiger Texttafeln und Hunderten filmischer Mosaikstückchen von einem Berliner Wohnungsfenster aus nach Syrien, Rom, den USA, Amsterdam, Sachsen und zurück in die letzten Jahrzehnte reist. Dabei stehen zu einer vielschichtigen Toncollage Archivdokumente neben familiären Erinnerungsbildern, Landschaftsansichten aus dem Bahnfenster neben Nahaufnahmen des häuslichen Alltags. 

Inhaltlich geht es außer um syrische Politik um die Nöte und Anstrengungen des Exils, die private und politische Solidarität mit den Zurückgebliebenen, Schuldgefühle und die mühsame Suche nach Wohnraum in Berlin. Es geht um Erinnerungen an die Kindheit während des Golfkriegs, als die Mutter das aus dem Irak nach Syrien zurückgekehrte Kind wegen des dort angenommenen Dialekts zur Stille mahnt. Wir sehen die lebendige Gemeinschaft mit anderen Exilierten. Windräder. Einen Arzt, der Erbkrankheiten erforscht. Einen Auftritt Nyrabias beim Dokumentarfilmfestival ­IDFA (dessen Leiter er seit 2018 ist), wo er einen Brief syrischer Aktivisten vorliest. Wir sehen immer wieder hingetupfte häusliche Intimitäten. Und auch einen zärtlich mit »Habibi« angesprochenen wuschelig weißen Hund. Und wir hören, gegen Ende immer öfter, aus dem Off die hasserfüllten Parolen von Nationalisten wie Gauland oder Höcke.

Die große Kunst der Filmemacherin ist es, die diversen Elemente filmisch miteinander zu verschmelzen, ohne ihnen ihren Eigensinn zu nehmen, und das Ergebnis in viele Richtungen offenzulassen. »Von jeder Person, die ich filme, sickert etwas in mich ein« heißt es auf einer der schwarzen Schrifttafeln. Vermutlich macht genau dieses Poröse ihres Filmprozesses die besondere ­Qualität dieses persönlich-politischen Films aus. Gewidmet ist er neben Aktivistinnen wie der 2013 verschwundenen Razan Zaitouneh »allen Gefangenen der Stille« in Syrien. Für uns sollte er auch Anklage sein gegen die Stille, die den Krieg in Syrien immer stärker umgibt.

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