Kritik zu Nicht ganz koscher

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Ein orthodoxer Jude und ein arabischer Beduine auf einer Odyssee durch die Wüste Sinai: Was kann da schon schiefgehen? Ein deutsches Roadmovie lotet die Schönheit der Wüste und die Gemeinsamkeiten zwischen Menschen und Religionen aus

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Ben, ein ultraorthodoxer Jude aus Brooklyn, fliegt zu einem Familienbesuch nach Jerusalem. Kaum angekommen, eröffnet sich ihm unverhofft ein Schlupfloch aus seiner heimlichen Bedrängnis. Der 33-jährige Junggeselle weiß nämlich, dass er verkuppelt werden soll. Als er aber erfährt, dass sein Onkel dringend einen zehnten Mann für das kommende Pessachfest der jüdischen Gemeinde in Alexandria finden muss – denn sollte die vorgeschriebene Teilnehmerzahl nicht erreicht werden, würde das gesamte Eigentum der winzigen Gemeinde an den ägyptischen Staat fallen – bietet Ben sich als Retter an. Den Flug nach Ägypten verpasst er jedoch. Bei dem Versuch, fahrend sein Ziel zu erreichen, strandet er in der Wüste Sinai. Der Beduine Adel liest ihn auf und lässt sich darauf ein, Ben mit seinem Pick-up weiterzutransportieren.

Dass diese Odyssee der Beginn einer wunderbaren Freundschaft ist, heißt nicht, zu viel zu verraten – und auch nicht, dass in zwei Filmstunden nahöstliche Komplexitäten gestreift werden müssen. Wo der palästinensisch-israelische Konflikt zwar pflichtschuldige Erwähnung findet, konzentriert sich die Handlung in einer graziösen Ausweichbewegung jedoch auf andere Motive. Der strenggläubige Jude geht mit seinen Waschungen und Essensvorschriften dem Beduinen, der, dem Gesetz der Gastfreundschaft gehorchend, widerwillig zu Bens Schutzengel wird, gehörig auf die Nerven. Ben dagegen verzweifelt an den Umwegen, die Adel bei der Suche nach seinem entlaufenen Dromedar unternimmt.

In ihren tiefsten Sehnsüchten aber erkennen die beiden Getriebenen ihre Gemeinsamkeit: Ben verzehrt sich nach einer »nicht ganz koscheren« Jüdin, und Adel trauert der traditionellen nomadischen Lebensweise hinterher. Ben – Luzer Twersky, selbst aus dem ultraorthodoxen New Yorker Judentum stammend – bedient mit seiner Weltabgewandtheit und stillen Sturheit die durch die Serie »Shtisel« ausgelöste Faszination für das orthodoxe Judentum. Und mit Adel (Haitham Omari) rückt ein neues Thema in den Fokus: der Untergang der Beduinenkultur.

In den Überlebenslektionen der Wüste, Quelle dreier Weltreligionen, werden Lebenspraxis und biblische Weisheit synchronisiert und unprätentiös fundamentale Gemeinsamkeiten veranschaulicht. Und auf Wunder darf man immer hoffen. Wie in seinen Vorgängerfilmen unterlegt Regisseur Sarazin dieses innere Verstehen mit erhaben-schönen Bildern einer Landschaft – gedreht u. a. in der jordanischen Wüste Wadi Rum und im Kloster Saint Gerassimos am Toten Meer –, die nur auf den ersten Blick öde erscheint.

Reale Todesgefahren – so wird Ben etwa vom arabischen Busfahrer in der Wüste ausgesetzt – werden mit fein abgestimmter Drolligkeit gemildert. Auch die märchenhaft-metaphorische Inszenierung nimmt für sich ein. »Feelgood«-Stimmung kommt in der allgegenwärtigen Bedrohung allerdings nicht auf. Umso bedauerlicher deshalb, dass dem unkonventionellen Roadmovie ein Happy End angepappt wird, wie es abgeschmackter nicht sein könnte.

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