Streaming-Tipp: »The Plot Against America«

»The Plot Against America« (Miniserie, 2020). © HBO

»The Plot Against America« (Miniserie, 2020). © HBO

Erfundene Geschichte

Als Philip Roth 2004 seinen Alternativ-Geschichtsroman »Verschwörung gegen Amerika« herausbrachte, hatte er laut eigener Aussage keine politische Parabel im Sinn. Sich einen populistischen Präsidenten vorzustellen, der fremde Diktatoren lobt, unverhohlen rassistische Äußerungen tätigt und eine isolationistische »America first«-Politik vertritt – das war in den Bush-junior-Jahren noch nicht einmal verkappt ein aktuelles Thema. Roth lässt in seinem Buch den Nazisympathisanten Charles Lindbergh bei der Präsidentschaftswahl 1940 antreten. Der junge Mann, seinerzeit als »Fliegerheld« ein nationales Idol, setzt sich gegen Roosevelt vor allem wegen des Versprechens, die USA nicht in den »europäischen Krieg« zu verwickeln, durch.

Roth schildert das aus den Augen seines eigenen kindlichen Alter Egos: Der kleine Philip wächst in New Jersey auf, zunächst noch wohlbehütet inmitten einer jüdisch geprägten Nachbarschaft, die sich ihres Inseldaseins in einem Meer von antisemitischen Stimmungen aber ziemlich bewusst ist. Wie mit dem Wahlsieg von Lindbergh dann alltägliche Beleidigungen und misstrauische Blicke zunehmen, während Zug um Zug die Opposition ihre Stimmen verliert, entwickelt Roth als düstere, aber auch sehr schlüssige Parallelhistorie. Dass sie letztlich gut ausgeht, mag 2004 noch eine Verneigung vor den historischen Realitäten gewesen sein, wirkt in Zeiten der Trump-Präsidentschaft dagegen fast blauäugig.

Für eine Adaption im Miniserien-Format sind das die besten Voraussetzungen: ein Stoff, der zwar in der Vergangenheit spielt, aber in dem vieles, was heute so vor sich geht, mitschwingt. Ein Stoff also, der sich gegenwärtig noch einmal anders liest als zu seiner Entstehungszeit im mittlerweile sehr fernen Jahr 2004. Und wenn man dann noch hört, dass mit David Simon der Mann die Adaption besorgt, der mit »The Wire« das Serienformat auf Literaturniveau gehoben hat – sind die Erwartungen so groß, dass sie fast zwangsläufig enttäuscht werden.

Die sechsteilige Serie entpuppt sich nämlich für fünf lange Folgen als langweilig vorlagentreu. Da ist die sympathische Kleinfamilie der Levins; statt nur aus der Sicht des kleinen Philip zu erzählen, setzt die Serie mal Philips Bruder Sandy zentral, mal seine Tante Evelyn (Winona Ryder) und den »Mitläufer« Rabbi Bengelsdorf (John Turturro), mal den Draufgänger-Cousin Alvin (Anthony Boyle) und dann wieder Philips besorgte Eltern (Zoe Kazan und Morgan Spector). Der Plot ist auf den Punkt gebracht und bestens gespielt von einem bis in die Nebenrollen fein besetzten Ensemble. Überhaupt ist alles hinreichend faszinierend. Wer den Roman gelesen hat, wird wie üblich hin und wieder enttäuscht sein über das, was alles nicht vorkommt. Bis zur sechsten Folge, die ausschert aus der Romantreue und einiges anders macht. Und zwar so elektrisierend und noch einmal viel unmittelbarer an die Gegenwart anschließend, dass man sich augenblicklich eine zweite Staffel herbeiwünscht, die Roth' Roman fortspinnt.

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