Grzimek – Ein Sturkopf

grzimek_szenenbilder_04.jpg

Ulrich Tukur als Grizmek

Grzimek ist auch ein Stück Sittengeschichte der 60er und 70er Jahre

Der Frankfurter Zoodirektor Bernhard Grzimek war in den 60er und 70er Jahren eine der bekanntesten Fernsehfiguren in Deutschland. Seine 1956 gestartete Sendung »Ein Platz für Tiere«, die 24 Jahre lang in der ARD lief, wurde nicht zuletzt deshalb so populär, weil der Wissenschaftler fast jedes Mal ein Tier aus dem Frankfurter Zoo mit in die Sendung brachte. Der Film »Serengeti darf nicht sterben«, den Grzimek gemeinsam mit seinem Sohn Michael in Tanganjika (heute Tansania) gedreht hatte, war 1960 der erste deutsche Film nach dem Zweiten Weltkrieg, der einen Oscar erhielt.

Der Mann, der den Tierschutz in Deutschland populär machte, war eine Legende. Ganze Generationen sind mit ihm und seinen »possierlichen Tierchen« aufgewachsen. Wenn man sich jedoch die historischen Aufnahmen mit Grzimek anschaut, fällt auf, mit welchem Ernst der Wissenschaftler seine Filme und Sendungen und auch sich selbst präsentierte. Er war alles andere als ein Showman, sondern jemand, der von seiner Mission überzeugt war.

Vielleicht ist diese augenfällige Trockenheit ein Grund dafür, dass die ARD nicht schon früher einen Spielfilm über die 1987 verstorbene TV-Legende produziert hat. Natürlich gab es – zum Beispiel zum 100. Geburtstag Grzimeks – immer wieder TV-Dokumentationen, doch erst am 3. April zeigt das Erste ein 165 Minuten langes Biopic, das alle Zutaten eines großen Fernseh­events hat: fantastische Tier- und Landschaftsaufnahmen aus Afrika, der ein Leben lang dauernde Kampf Grzimeks um ein würdiges Leben für Tiere und nicht zuletzt Kabale und Liebe.

Denn der auf den TV-Aufnahmen stets etwas hölzern wirkende Wissenschaftler hatte nicht nur eine loyale Ehefrau, die ihn vor allem in den Nachkriegsjahren, in denen er den Frankfurter Zoo rettete und neu aufbaute, nach Kräften unterstützte, er hatte auch zahlreiche Affären. Sein Kampf für die Tiere forderte von ihm das »höchste Opfer«, wie es in dem Film heißt: Sein Sohn Michael verunglückte 1959 bei den Dreharbeiten zu »Serengeti darf nicht sterben« in Afrika.

Nachdem er sich 1973 von seiner ersten Frau scheiden ließ, heiratete er fünf Jahre später seine Schwiegertochter Erika, mit der er schon seit Jahren in einer Beziehung lebte. Und so sehr sich Grzimek für die Tiere einsetzte, die Menschen scheinen ihm eher egal gewesen zu sein. Dieses Bild zeichnet zumindest der Film, in dem Ulrich Tukur Bernhard Grzimek verkörpert. 

Tukur nimmt sich in der Rolle des Grzimek zurück, aber seine Aura ist nicht zu vergleichen mit der natürlichen, trockenen Präsenz des echten Grzimek, die sich aus seinen wissenschaftlichen Kenntnissen und aus der Überzeugung speiste, für die richtige Sache zu kämpfen. Vermutlich ist auch das ein Grund dafür, warum der Film völlig auf TV-Aufnahmen des echten Grzimek verzichtet und nur am Ende ein Bild von ihm mit seinem Sohn Michael in Afrika zeigt. Der echte Grzimek hatte zwar durchaus einen trockenen Humor, aber das Schalkhafte, das bei Tukur doch immer wieder hervorblitzt, ging ihm zumindest als öffentliche Person völlig ab.

Barbara Auer verkörpert glaubwürdig die tragische Figur der Ehefrau, die sich durch die jahrelangen Eskapaden ihres Mannes verletzt fühlt, aber dennoch versucht, die Familie zusammenzuhalten. Und Katharina Schüttler spielt die Erika als geerdete sympathische Person, die sich lange bemüht, die Ehe zwischen Bernhard und Hildegard zu retten und Verständnis für beide Seiten aufbringt.

Zunächst kommt der Film etwas mühsam in die Gänge, im zweiten, dichteren Teil jedoch entfaltet Regisseur Roland Suso Richter ein Stück Sittengeschichte der 60er und 70er Jahre der Bundesrepublik. Der Film würdigt Grzimeks Lebensleistung, ohne Heldenverehrung zu betreiben. Man zweifelt jedoch, ob es das Wort »beratungsresistent« in den 50ern tatsächlich schon gab. Wahrscheinlich hat der echte Michael seinen Vater einfach einen »Sturkopf« genannt.

Meinung zum Thema

Ihre Meinung ist gefragt, Schreiben Sie uns

Mit dieser Frage versuchen wir sicherzustellen, dass kein Computer dieses Formular abschickt