Zuckerschock – Die Trapp Familie

»Meine Lieder – Meine Träume« (1964)

»Meine Lieder – Meine Träume« (1964)

Den meisten Mitwirkenden war die Sache peinlich. Aber die Geschichte der Maria von Trapp, die mit ihrer Familie in den Dreißigern aus Österreich emigrierte, um in den USA eine Chorkarriere zu starten, rührte auf der ganzen Welt die Herzen: als Spielfilm oder Musical. Jetzt startet eine neue Version

Nun werden die Berge wieder belebt vom Klang der Musik; wenn auch nicht vom sound of music. Eine neue Zuschauergeneration soll in die alpine Trachtenwelt der singenden Trapp-Familie entführt werden. Werden deren volkstümliche Lieder wieder die Herzen erwecken, werden die unschuldigen Stimmen der Kinder noch einmal das »Beste von Österreich« verkörpern, wie es in den früheren Versionen dieser Geschichte hieß?

Auch wenn die Neuverfilmung der Saga auf Anhieb den Eindruck erweckt, als stamme sie aus dem Kostümverleih einer früheren Epoche, stehen die Chancen dafür im Prinzip nicht schlecht. Wann immer bisher die Geschichte der Familie erzählt wurde, verwandelte sie sich in Kassengold. Diese transatlantische Erfolgsstory nahm ihren Anfang mit den Lebenserinnerungen der Baronin Maria von Trapp, die vom Zusammenhalt ihrer Familie in historisch bewegten Zeiten – dem Anschluss Österreichs an Nazideutschland – und dem anfangs schwierigen Exil in den USA handeln. Heute allerdings wird die Geschichte nicht aus der Perspektive des patenten Kindermädchens Maria erzählt, das aus dem Kloster abkommandiert wird, um die Herzen der Familie des verwitweten Marineoffiziers Georg von Trapp zu erobern. Nun wird die »wahre Geschichte« aus dem Blickwinkel der ältesten Tochter geschildert, die ihrer künftigen Schwiegermutter anfangs mit Eifersucht begegnet. Einer dringenden Neuinterpretation bedarf es vielleicht nicht, aber jeder mediale Dauerbrenner weckt die Lust auf das Vertraute.

»Die Trapp-Familie in Amerika« (1958)

Die »Trapp-Familie« und ihre Fortsetzung »Die Trapp-Familie in Amerika« zählen zu den größten Erfolgen des bundesdeutschen Nachkriegskinos. Angeblich wurden sie bei ihrer Erstauswertung in den 50er Jahren weltweit von 27 Millionen Kinogängern gesehen. Zwei Jahrzehnte später, als sich der chinesische Markt für Importe öffnete, brach der erste Teil dort Rekorde; er soll einer der Lieblingsfilme Mao Tse-tungs gewesen sein. Das auf dem Drehbuch basierende Musical »The Sound of Music« mit den sublim schmalzigen Songs von Richard Rodgers und Oscar Hammerstein II brachte es am Broadway auf 1443 Aufführungen und gehört seither zum Repertoire angloamerikanischer Bühnen; gerade macht es in Tourneetheatern in den USA wieder Furore. »Meine Lieder, meine Träume«, ­Robert Wises Verfilmung mit Julie Andrews, galt bis zum Start von »Der Pate« als erfolgreichster Film aller Zeiten und gewann fünf Oscars. Nur in zwei Ländern war die Produktion ein kapitaler Misserfolg: in Deutschland und in Österreich. Mithin ist es einer der wenigen Fälle, in denen ein Original das Hollywood-Remake aus der Wahrnehmung des einheimischen Publikums verdrängt. Wises Film genießt Kultstatus. Jahrelang traten in TV-Shows Zuschauer auf, die ihn hundertmal und öfter gesehen hatten. Um die Jahrtausendwende wurde er in England und den USA zu einem Karaoke-Ereignis.

Er hat seine Spuren in so unterschiedlichen Filmen wie »The Sixth Sense«, »The Postman«, »Dancer in the Dark« und Woody Allens »Everyone Says I Love You« hinterlassen. Ein TV-Remake brachte dem Sender NBC bei der Ausstrahlung 2013 Traumquoten. Die Trapp-Familie ist ein Phänomen, das offenbar keine Mittellage zulässt zwischen hysterischer Begeisterung oder Abscheu.

»Meine Lieder, meine Träume« (1965)

Ruth Leuwerik nahm die Hauptrolle in Wolfgang Liebeneiners erster Verfilmung 1956 eher widerwillig an, da sich ihre Karriere gerade auf einem Tiefpunkt befand. Ihr ging der religiöse Eifer der Baronin gegen den Strich, und gegen gluckenhafte Mütter hatte sie ebenfalls eine Aversion. Ging die allergische Reaktion, die die Schauspielerin dann bei den Dreharbeiten erlitt, tatsächlich nur auf den Stoff zurück, aus dem ihre Ordenstracht geschneidert war? Bei der persönlichen Begegnung verstanden sich die echte Maria und ihre Darstellerin dem Vernehmen nach gut.

Leuwerik sollte nicht die Einzige sein, die mit der Trapp-Saga haderte. Theodore Bikel, der den Baron als Erster am Broadway verkörperte, fand den »Edelweiß«-Song unerträglich kitschig, den Rodgers & Hammerstein ausdrücklich für ihn geschrieben hatten. Auch in Hollywood war der Stoff ein anfangs ungeliebtes Glücksversprechen. Eigentlich glaubte nur der Drehbuchautor Ernest Lehman wirklich an ihn. Stärker noch als die Studioleitung von 20th Century Fox war er die unbeirrt treibende Kraft, musste sich aber von seinem Freund Burt Lancaster die böse Frage gefallen lassen: »Brauchst du wirklich so dringend Geld?«

»Meine Lieder, meine Träume« (1965)

William Wyler, der zeitweilig als Regisseur vorgesehen war, hasste das Broadwaystück. Gene Kelly wollte mit einem solchen Mist nichts zu tun haben. Auch Stanley Donen lehnte ab. Ein so nüchterner Regisseur wie Robert Wise war keine schlechte Wahl. Aber auch er erteilte der Fox zwei Mal eine Absage, bevor er sich von Lehman und seinem Koproduzenten Saul Chaplin überzeugen ließ. Julie Andrews wollte nach »Mary Poppins« eigentlich kein weiteres Musical drehen, sondern lieber eine dramatische Rolle spielen. Sie und Wise waren sich einig, dass sie dem Stück, so weit es ging, seine Zuckrigkeit austreiben wollten. Christopher Plummer wiederum gab jedem zu verstehen, wie tief unter seinem Niveau dieses Engagement sei, und erschien meist verkatert am Set.

Auch die Kritik ging wenig freundlich mit den Filmen um. Karena Niehoff entdeckte in ihrer hintergründig-spöttischen Rezension der »Trapp-Familie« im »Tagesspiegel« nur Rudimente »erlaubter Rührung«. Die Reaktionen in Großbritannien waren desaströs. »Es ist, als würde man zwangsweise mit etwas furchtbar Süßem gefüttert«, schrieb der Kritiker des »Evening Standard«. Auch die amerikanische Filmversion geriet unter Beschuss. Bosley Crowther beklagte in der »New York Times« den »fröhlichen Überschwang von Kinder-Küche-Kirche«.

Dem deutschen Verleihchef der Fox gefiel der Film immerhin zu zwei Dritteln prächtig. Er brachte ihn zunächst in einer Version heraus, in der nach der Hochzeit einfach abgeblendet wurde und Anschluss und Naziherrschaft unter den Teppich gekehrt wurden. Erst nach heftigen Protesten des Regisseurs lief wieder die vollständige Fassung; der Verleihchef mit dem markigen Namen Wolfgang Wolf wurde entlassen. In Wises Erzählungen schob sich übrigens beharrlich noch ein »von« vor seinen Nachnamen: Selbst die Rezeptionsgeschichte des Stoffes kann nicht auf Klischees verzichten.

»Die Trapp-Familie« (1956)

Liebeneiners Filme machten es dem bundesdeutschen Publikum leichter. In ihnen bleibt der zeitgeschichtliche Hintergrund eine blasse Folie. Auf den Nationalsozialismus spielt Hans Holt als Baron nachgerade süffisant an. Sein patriotisch grundierter Antifaschismus war dennoch ein sachter Störfaktor beim Marketing des Films. »Es wäre sicher alles gut geworden«, ist im Programmheft zu lesen, »wenn der Baron nicht so stur an seiner Vergangenheit geklebt hätte.« Es sind nicht zuletzt wirtschaftliche Gründe, die hier die Trapp-Familie aus Österreich vertreiben. Die Fortsetzung kann beinahe nahtlos an diese Fama anschließen. Der Kreuzweg, auf den sie die singende Familie in Amerika schickt, ist das anfänglich beharrliche Ausbleiben des Erfolgs. Die Spannung erwächst wesentlich aus der Suche nach dem richtigen Karrieremodell. Als dies gefunden ist – die Familie tritt ganz »authentisch« in Trachtenkleidung auf und bringt entsprechende Folklore zum Vortrag –, kann die Geschichte wieder zu einem Heimatfilm werden: Die Farm, die Maria am Ende erwirbt, liegt in einer Landschaft, die für sie genauso ausschaut wie das Salzburger Land.

»Die Trapp Familie – Ein Leben für die Musik« (2015)

Die Neuverfilmung wird auf andere Effekte der Wiedererkennung setzen. Ihre Besetzung vor und hinter der Kamera erweckt den Anschein, als solle die Saga nun auf Fernsehniveau heruntergebrochen werden. Der Geschichte wird dies nichts anhaben. Moralisch erhebend kann sie auch in diesem Erzählmodus bleiben. Das Hohelied von Optimismus und Zuversicht lässt sich auch darin anstimmen. Politisch unverfänglicher ist der Stoff mit den Jahren ohnehin geworden. Die Formel, mit der Robert Wise den unfasslichen Erfolg seines Films erklärte, gilt unvermittelt: Sie ist von so universeller Zugänglichkeit, weil sie von Liebe, Familie und Zusammengehörigkeit handelt. Und die Alpen sind noch genauso malerisch und erhaben wie zu den Zeiten, als Ruth Leuwerik und Julie Andrews sie in Besitz nahmen.

...unsere Kritik zu »Die Trapp Familie – Ein Leben für die Musik« (Start: 12. November)

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