White House Down – Politikerinnen im Film

Kristin Scott Thomas in »The Party« (2017). © Weltkino

Kristin Scott Thomas in »The Party« (2017). © Weltkino

Noch nie gab es so viele ­Filme und Serien über Politikerinnen – man könnte denken, die Welt wird von Frauen regiert. Wird sie davon besser? Anke Sterneborg hat das Kleingedruckte in den Verträgen angeschaut

Beginnen wir mit einer grandiosen Lektion in Sachen weiblicher Diplomatie, vorgeführt von Robin Wright als Claire Underwood: In der dritten Staffel der Serie »House of Cards« ist die First Lady des amtierenden amerikanischen Präsidenten zugleich amerikanische Botschafterin in den United Nations. Nachdem sie sich im Ringen um einen Nahost-Friedensvertrag insbesondere vom autokratischen russischen Präsidenten und dessen Botschafter immer wieder gezielte Respektlosigkeiten gefallen lassen musste, holt sie zum Gegenschlag aus. Unter dem Vorwand, das sei wirklich das einzige, klitzekleine Fenster in ihrem übervollen Terminplan, empfängt sie den konsternierten Botschafter in der Damentoilette, wo sie unnachgiebig harte politische Forderungen genüsslich mit koketten Exkursen würzt: »Und wie sehe ich aus?«, fragt sie mit lächelndem Augenaufschlag den Botschafter, während sie vor dem Spiegel mit ihren Schminkutensilien hantiert, es sei immer gut, das Urteil eines Mannes einzuholen. Dann läuft sie vom Spiegel in eine der Kabinen, um dem Mann mit runtergelassenem Slip ihre Strategien zu unterbreiten. Immer wenn sich der Botschafter diskret aus der unangenehmen Lage befreien will, weiß sie das mit fordernder Stimme zu unterbinden, nur um im nächsten Moment wieder verführerisch zu säuseln: Ob er ihr wohl mal ein Handtuch reichen könne? Was für ein Gentleman er doch sei. Es ist ein raffiniertes Spiel mit den Geschlechterverhältnissen, das sie hier treibt. Während sie den Russen als Mann würdigt, zerlegt sie ihn als Politiker in seine Bestandteile, süße Rache für zahllose Zumutungen, die Frauen sonst erleben. Den mit diesem Manöver erzielten Erfolg kann der Präsident nur noch anerkennend als Wunder bezeichnen.

»House of Cards« – Staffel 3 (2015). © Netflix

In der Politik waren Frauen lange Zeit eher Randfiguren und hübsches First-Lady-Beiwerk, erst in den letzten zehn Jahren konnten sie in Serien und Filmen häufiger bis ins Zentrum der Macht vordringen. Dabei ist das politische Engagement von Frauen immer auch ein Kampf gegen die Marginalisierung, gegen die Reduktion auf Gefühle und Attraktivität, die im Zweifelsfall als Beweis der Inkompetenz herhalten müssen. Das heißt, dass Frauen, die in Männerdomänen vordringen wollen, im Grunde männlicher sein müssen als die Männer, also ganz besonders entschlossen, ehrgeizig, gefühlskalt, manipulativ und machthungrig. Das gilt auf dem Terrain der Anwälte in den Serien »Suits« und »Damages« ebenso wie unter den Werbekreativen von »Mad Men«. Und erst recht gilt es im Bereich der Politik. Jede Frau, die es hier zu etwas bringt, bezahlt den Erfolg mit einem gewissen Verlust der Weiblichkeit, wie derzeit im aktuellen Kinoprogramm in mehreren Filmen zu beobachten ist: So spielt Jessica Chastain in »Die Erfindung der Wahrheit« die Lobbyistin Miss Sloane (so auch der Originaltitel) als eiskalte Strategin, die ihre Gefühle hinter maskenhaftem Gesichtsausdruck und Businesskostümpanzer unter Verschluss hält. In Sally Potters »The Party« ist Kristin Scott Thomas eine britische Oppositionspolitikerin, die die Ernennung zur Gesundheitsministerin im Schattenkabinett ihrer Partei durch harte Arbeit und Verzicht auf familiäre Bindungen erreicht hat, und am Ende einer Dinnerparty vor den Trümmern eines sinnlosen Lebens steht. Und in der Riege der Collegefreundinnen, die in »Rough Night« einen schrillen Junggesellinnenabschied feiern, geht das Engagement der von Scarlett Johansson gespielten Lokalpolitikerin eindeutig auf Kosten von Liebe und Lebensfreude.

Ob es sich um fiktive oder um reale Staatenlenkerinnen handelt, mehr als bei den männlichen Kollegen geht es hier um die menschlichen Opfer, die für berufliche Erfolge erbracht werden müssen. Entsprechend deutlich sympathisiert Phyllida Lloyd in »Die eiserne Lady«, ihrem Biopic über die britische Premierministerin Margaret Thatcher, mit den Nöten einer Frau, die sich in der Männerwelt der Politik keine Gefühle leisten darf und schrecklich einsam ist, zum Beispiel während des Falkland-Krieges, als sie sich gegen völlig unsachgemäße Kommentare ihrer männlichen Kollegen wehren muss: »Die ehrenwerte Lady kreischt zu viel«, heißt es da und: »Wenn sie will, dass wir sie ernst nehmen, muss sie lernen, sich zu beruhigen.« – »Schon viele Männer haben mich unterschätzt«, kontert sie, »aber glauben Sie mir, Sie werden den Tag noch verwünschen!« Dabei wird ihre distanzierte Unnahbarkeit als Politikerin durch ihre Britishness unterstrichen, was wiederum auch für die Queen gilt, die Helen Mirren im gleichnamigen Film von Stephen Frears aus dem Jahr 2006 verkörpert. Ganz offen bekennt sie sich dazu, vor allem ihre Pflichten zu erfüllen und ihre Gefühle lieber für sich zu behalten – damit beschreibt sie die Essenz des Auftretens professioneller Frauen.

»Die eiserne Lady« (2011). © Concorde

Während es Hillary Clinton nicht ins Oval Office geschafft hat, sind Kino und Fernsehen längst weiter. Die erste amerikanische Kino-Präsidentin gab es erstaunlicherweise schon im Jahr 1953 in »Project Moon Base«, wo sie allerdings nicht mit sonderlich weitreichenden Kompetenzen ausgestattet war. Erst am Ende des Films darf sie den Rückkehrern einer Mondmission die Hand schütteln, während die immerhin weibliche Führung der Weltraum-Crew beim Entfernen einer Spinne auf männliche Unterstützung angewiesen ist. Ein gutes Jahrzehnt später saß Donna Martell in »Kisses from My President« zwar auf dem Präsidentenstuhl, allerdings erzählte der Film vor allem vom Aufruhr, den diese Besetzung für Geschlechterstereotypen und das First-Lady-Protokoll verursacht. Am Ende des Films wird die patriarchalische Ordnung wiederhergestellt, die schwangere Präsidentin legt ihr Amt zugunsten eines geordneten Familienlebens nieder. In »Iron Sky« schließlich gehört die Tatsache, dass die USA von einer rechtskonservativen Präsidentin regiert werden, zum schrillen Set-up einer Science-Fiction-Politsatire, in der die Nazis 1945 auf die dunkle Seite des Mondes emigriert sind. Während sich die Kino- und Fernseh-Politikerinnen oft durch Besonnenheit und Integrität von ihren männlichen Kollegen absetzen, erklärt die hier von Stephanie Paul – mit Blick auf Sarah Palin – gespielte Präsidentin den Mondnazis den Krieg, weil sie darauf baut, dass alle Präsidenten, die einen Krieg begonnen haben, wiedergewählt wurden.

Erheblich seriöser darf Cherry Jones als Allison Taylor ans höchste Amt herangehen. Nachdem die Serie »24« bereits 2001 mit einem schwarzen Präsidenten Pionierarbeit geleistet hatte, legte sie 2007 mit einer Frau auf dem Präsidentenstuhl nach. Die Geschäfte nimmt sie vor der siebten Staffel im Filmspecial »Redemption« auf und hält das Amt über mehr Folgen als jeder ihrer Vorgänger. Im Gegensatz zu den meisten Kolleginnen erreicht sie das höchste Amt immerhin auf offiziellem Weg, durch einen Wahlkampf, in dessen Verlauf ihre Fähigkeiten von ihrem Vorgänger allerdings massiv angezweifelt werden. In der Regierungsarbeit ordnet sie private Entscheidungen konsequent den nationalen nach, ebenso das Machtstreben der inneren Integrität. Überhaupt ist auffällig, dass die Kino-Frauen in der Politik häufiger als die Männer ihrem moralischen Kompass folgen, so wie Claire Underwood, die die politischen Ziele des Landes für das Andenken eines russischen Dissidenten opfert, oder Allison Taylor, die sich den Forderungen afrikanischer Unrechtsstaaten so wenig beugt wie den Drohungen russischer Terroristen. Auch sie bezahlt den politischen Erfolg mit der Zerrüttung ihres Privatlebens. Am Ende ihrer Amtszeit hat sie zwar bewiesen, dass sie harte, sachliche Entscheidungen fällen und das Wohl des Landes über das ihrer Familie stellen kann, doch ihr Sohn ist ermordet, ihre Tochter angeklagt und ihr Mann geschieden.

Aus der Perspektive von Männern haben Frauen in der Politik eher nichts zu suchen, und das höchste Amt fällt ihnen in der Regel zu, nachdem die Männer durch Krankheit oder Tod, Skandale und Rücktritt ausgefallen sind. Als geschiedene Ex-First-Lady und Außenministerin hat die von Sigourney Weaver in der Serie »Political Animals« gespielte Außenministerin Elaine Barrish keine ernstzunehmende Chance auf das höchste Amt. Die Herablassung der Männer bekommt auch Geena Davis als Vizepräsidentin Mackenzie Allen in der Serie »Commander in Chief« zu spüren, ganz selbstverständlich wird von ihr erwartet, dass sie nach dem Tod des Präsidenten zurücktritt, um den Platz für einen Mann freizumachen. »We can save America«, poltert Donald Sutherland und meint: »Wir müssen Amerika vor dieser Frau retten.« Allerdings stacheln solche Bemerkungen den Ehrgeiz der Frauen erst recht an.

Die Marginalisierung von Frauen in der Politik schlachtet die Serie »Veep« subversiv komödiantisch aus. Nach ihrem vergeblichen Run aufs Oval Office wird auch die von Julia Louis-Dreyfus gespielte Selina Meyer zunächst mit dem Posten der Vizepräsidentin abgespeist. Nominell mag sie damit das zweithöchste Amt im Staate bekleiden, de facto könnte sie nicht unwichtiger sein. Kräftig unterstützt von einem Team aus liebenswert unfähigen Losern, tappt sie von einem Publicity-Desaster ins nächste und wird ansonsten von allen wichtigen Menschen aus Politik und Presse konsequent ignoriert. Während sie betont geschäftig tut, weist ihr Terminkalender nur wenige, trostlose Auftritte in Kindergärten, Gemeindezentren und bei Fundraising-Events auf, von wichtigen Sitzungen erfährt sie höchstens zufällig, und die in jeder Folge ein Mal gestellte Frage, ob der Präsident angerufen habe, ist rein rhetorisch. Dass sie nicht so fokussiert ist, wie sie sein sollte, lässt sich schon an ihren Kleidern ablesen, die immer einen Tick zu farbig sind und immer eine kleine Falten- oder Rüschendekoration zu viel haben, um seriöse Geschäftsmäßigkeit auszustrahlen. Spätestens wenn sie die hohen Pumps in die Hand nehmen muss, um barfuß zum Sitzungsraum zu eilen, will niemand mehr hören, was sie zu sagen hat. Um unter Männern ernstgenommen zu werden, gilt es, die weiblichen Attribute gezielt herunterzuspielen, denn sobald die Politikerinnen als Frauen wahrgenommen werden, rücken auch schon ihre Schwächen ins Zentrum. Die Folge ist ein betont sachlicher, schnörkelloser Dresscode, dem sogar die Simpsons-Tochter Lisa in hochgeschlossenem Rollkragenpullover und mit Perlenkette folgt, als Zukunftsvision einer Präsidentin im Jahr 2030, in der Folge »Bart to the Future«.

Im Vergleich mit den schillernden Intrigen amerikanischer Politserien und Thriller stellen europäische Serien wie »Les hommes de l’ombre«, »Borgen« oder »Die Stadt und die Macht« den Arbeitsalltag der Spitzenpolitiker sehr viel realistischer dar: »Wir müssen schon etwas erzählen, das wirklich etwas mit uns zu tun hat, mit unserer Realität«, sagt der Regisseur Friedemann Fromm: »So etwas wie »House of Cards«, das glaubt uns hier auch keiner.« So erzählte er in der sechsteiligen Miniserie »Die Stadt und die Macht« mit Augenmaß die Geschichte der leidenschaftlichen Rechtsanwältin Susanne Kröhmer (Anna Loos), die als Kandidatin der konservativen CDP gegen den populären Berliner Regierenden Bürgermeister Manfred Degenhardt (Burghart Klaußner) antritt. Auch Kröhmer muss auf ihrem Weg an die Macht harte persönliche Entscheidungen treffen: Wie lassen sich politische Karriere und Privatleben vereinbaren? Welche Kompromisse muss man eingehen, und wann muss man für die eigenen Werte Stellung beziehen, beispielsweise gegen den Spin Doctor, den strategischen Berater, oder gegen den eigenen Vater, der im Berliner Korruptionssumpf eine unrühmliche Rolle spielt? So wie für die dänische Ministerpräsidentin in »Borgen« ist der Kampf um die Gleichberechtigung auch für Susanne Kröhmer ein selbstverständlicher Bestandteil ihrer politischen Agenda.

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