Nichts ist so öde wie Fantasy

Unsere "steile These" des Monats Juli
Fantasyfilme. »Warcraft: The Beginning« (2016). © Universal Pictures

»Warcraft: The Beginning« (2016). © Universal Pictures

Einen Fantasyfilm zu schauen, das bedeutet vor allem eines: jede Überraschung konsequent zu vermeiden, den immer gleichen Figuren dabei zuzusehen, wie sie die immer gleichen Abenteuer bestreiten. Die Routine beginnt direkt mit der ersten Einstellung, denn ob eine Figur zum Helden oder Schurken geboren ist, hat wenig mit ihren Taten zu tun – es ist eine Frage der Zahnpflege. In »Die Nibelungen«, uraufgeführt im Jahre 1924, ersticht Hagen von Tronje den Drachenbezwinger Siegfried von Xanten. Niemand braucht auch nur eine Sekunde des Films zu sehen, um zu wissen, wer von den beiden zur dunklen Seite gehört, ein Standfoto würde genügen: Hagens Zottelhaar und sein Straßenkötergebiss entlarven ihn sofort. Wer sich hingegen mindestens zwölf Mal täglich die Zähne putzt, was Siegfried offensichtlich zu tun pflegt, kann kein Unhold sein!

2016, knapp hundert Jahre nach der Premiere der ­Nibelungen, hat sich die Welt, in der wir leben, grundlegend verändert. Menschen landeten auf dem Mond, der Videorekorder kam und ging, in den USA wurde ein Schwarzer zum Präsidenten gewählt. Nur im Fantasygenre, nun ja, da ist im Wesentlichen alles so geblieben, wie es war. In »World of Warcraft« kämpft mal wieder Gut gegen Böse (auch wenn viele Gamer sich gerne zur Horde schlagen), heißt: Langhaarige Modeltypen in Rüstungen prügeln auf Orcs ein, die zweierlei sind, ungepflegt und niederträchtig.

Kein anderes Genre ist so konservativ wie die Fantasy. Zwischen einem John-Wayne-Film, sagen wir »She Wore a Yellow Ribbon«, und einem Spaghettiwestern liegen Welten, zwischen der »Unendlichen Geschichte« und der »Hobbit«-Trilogie liegt eine höhere Bildauflösung. In beiden Filmen treten kurzgewachsene Durchschnittstypen eine Reise an, auf die sie eigentlich keinen Bock haben, treffen Wegbegleiter, die russisch klingende Namen tragen wie Dwalin und Atréju, und retten am Ende in einem letzten, alles entscheidenden Kampf die Welt. Nur dass ja von Anfang an klar war, wer diesen letzten, alles entscheidenden Kampf gewinnt. Nämlich derjenige, der sich öfter mal den Zahnstein entfernen lässt.

Meinung zum Thema

Kommentare

Gelten Superhelden-Filme auch als Fantasy? Ist doch das gleiche Elend; reichlich einfallslos, wie oft die X-Men, Spider-, Bat-, Iron-, Superman usw. schon die Welt gerettet haben. Gäb's doch wenigenstens mehr Superheldinnen, das wäre optisch wenigstens mal was anderes. Im TV gab's gab's immerhin schon Buffy und Xena...

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