Macht euch doch alle mal locker!

Im Kino können sich Christen, Muslime und Juden ungehemmt streiten
»Monsieur Claude und seine Töchter« (2014)

In der Kirche. Da gibt’s nichts zu lachen. Oder doch? Birgit Roschy über Komödien,in denen sich die Weltreligionen streiten – und zusammenraufen

»Ich habe sehr viel Wert darauf gelegt, den Film in keiner Weise beleidigend oder areligiös zu machen, so dass sie ihm nichts vorwerfen können«, sagte Ayub Khan-Din 1999, als er gefragt wurde, wie seine überregional erfolgreiche Komödie East is East wohl bei der asiatischen Gemeinde in Großbritannien ankommen würde. Und er fügte hinzu: »Es ist, als würde man auf Eierschalen laufen.« Die Aussage des britisch-pakistanischen Drehbuchautors und Komikers, der in der Familienkomödie East is East ein autobiografisches Porträt seiner Kindheit und seiner Eltern, einer Britin und eines Pakistaners, zeichnete, beschreibt schon das ganze Dilemma.

So sind multireligiöse Komödien, wie etwa in Frankreich zurzeit Monsieur Claude und seine Töchter, der mit über neun Millionen Zuschauern gerade Die fabelhafte Welt der Amélie getoppt hat, oft außergewöhnlich erfolgreich. Doch seit der Fatwa gegen den Schriftsteller Salman Rush die 1989 und erst recht seit dem Mordversuch an dem Karikaturisten Lars Hedegaard 2013 gelten Religionen humortechnisch nicht nur als rohe Eier, sondern als Minenfeld. Es bedarf einiger Kniffe, um straflos Witze über die religiöse Praxis – denn um die geht es in Komödien zumeist, die sich selten in die Theorie, ins Theologische vorwagen – reißen zu können.

Der göttliche Louis de Funès, der sich 1973 in Die Abenteuer des Rabbi Jacob als französischer Firmenchef auf der Flucht vor nahöstlichen Killern als vermeintlicher New Yorker Rabbi tarnt und in einer jüdischen Gemeinde in Paris Unfug anrichtet, machte vor, wie’s funktioniert. Bei ihm ist der Königsweg der Vergackeierung die indirekte Methode der Travestie. Und wenn Wutnickel Funès mit baumelnden Rabbilocken und rudimentärem Jiddisch unterwegs ist, bleibt kein Auge trocken.

Ähnlich Omid Djalili, der Star der britischen Komödie Alles koscher! von 2010, der sich sogar doppelt, nein dreifach, verstellen muss. Als Muslim Mahmoud zufällig entdeckt, dass er, geboren unter dem Namen Solly Shimshillewitz, ein Adop­tivkind jüdischer Abstammung ist, nähert er sich seinem Nachbarn, einem jüdischen Taxifahrer aus New York, an. Dieser bringt ihm »typisch« jüdische Gesten bei und nimmt ihn zu einer Bar-Mizwa-Feier mit. Zugleich will Mahmouds Sohn ein Mädchen heiraten, dessen Stiefvater ein Hassprediger und glühender Antisemit ist. Ingesamt eine mission impossible für Mahmoud, der bisher Allah einen guten Mann sein ließ und sich nun als strenggläubigen, judenhassenden Muslim ausgeben muss: Die Lösung liegt in einer dritten Maskerade – als eine vom Kopf über die Hände bis zu den Füßen schwarz verhüllte Strenggläubige, die ihrerseits den Imam als Betrüger entlarvt.

Angesichts dieser Herausforderungen wirkt das Gewitzel von Rabbi Jacob, eine Generation vor 9/11 gedreht, heutzutage hoffnungslos naiv. Und wenn Kad Merad sich in der französischen Produktion Fasten auf italienisch (2010) als Autoverkäufer in der Maskerade eines quirligen Italieners abstrampelt, um seine Herkunft als algerischstämmiger Muslim zu verbergen, hat der Witz einen erschreckenden Nachgeschmack. Nun geht es nicht mehr nur um äußerliche religiöse Unterscheidungsmerkmale, sondern vor allem um unsichtbare Zuschreibungen, um Kultur und Vorurteile, Integrationsprobleme, Nahostpolitik und die Angst vor Terrorismus: um das schlechte Image von Muslimen in Europa. Selbst eine so harmlose Komödie wie Sam Garbarskis Erfolgsfilm Der Tango der Rashevskis (2003) über die Identitätskonflikte innerhalb einer liberalen jüdischen Familie, deren Mitglieder mal mehr, mal weniger koscher agieren, kommt nicht ohne den obligatorischen Politbezug aus, wenn einer der Söhne sich in eine Muslimin verliebt.

Nur die Briten haben sich bisher ans Eingemachte gewagt und mit der Komödie Four Lions von 2010 eine frontale Slapstick­attacke gegen sogenannte homegrown-Terroristen geritten. In diesem Dschihad für Dummis planen junge Männer ein Bombenattentat bei einem Londoner Marathon. Nachdem sie probeweise ein Schaf zur Explosion gebracht haben, entleiben sich die selbst ernannten Märtyrer sukzessive selbst, jedoch stets zur Unzeit. Eingedenk des Anschlags auf den ­Boston-Marathon im April 2013 ist der Film heutzutage nicht mehr wirklich lustig. Doch schon damals wurden Bedenken laut, ob man islamistische Killer veräppeln darf, ohne den Spott mit einer pädagogischen Belehrung über die Unterschiede zwischen Islam und -ismus zu versehen, damit bloß keiner beleidigt ist. Obwohl Regisseur Christopher Morris das Drehbuch vorab von Imamen und angeblich sogar von einem Ex-Guantanamo-Häftling absegnen ließ, forderte ein hiesiger Abgeordneter prompt, das vermeintlich provokante Werk nicht zu zeigen. Und dann gibt es noch Vive la France – Gesprengt wird später (2013), eine französische Komödie über zwei Ziegenhirten, die sich aus dem fiktiven hinterasiatischen Taboulistan nach Frankreich durchschlagen, um mit einem Flugzeug in den Eiffelturm zu fliegen. Durch die paradiesischen Verhältnisse in la douce France werden die zwei Möchtegern­terroristen, deren Auftritte an Borat und Four Lions erinnern, zum Umdenken bewogen. Inspiriert wurde Regisseur Michaël Youn durch die wahre Geschichte zweier Al-Kaida-Attentäter, die statt am Anschlagsziel Mailand in Neapel strandeten und von der Camorra aufs Kreuz gelegt wurden – eine herrliche Pointe. Das I-Wort ­indes wird in dieser Farce lautstark vermieden; es geht vor allem darum zu zeigen, wie schön Frankreich sein könnte, wären da nicht diese streitsüchtigen Franzosen.

© Senator

Somit stehen Komödienschreiber heutzutage vor einem Paradox: Die komödiantischen Reibungsflächen haben sich durch die Einwanderung von Muslimen, für die Religion oft das entscheidende, mit westlich säkularisierten Gesellschaften schwer in Einklang zu bringende Identitätsfundament ist, stark vergrößert. Doch nur wenige trauen sich was. Stattdessen wird in Komödien meist viel Gewese um die handfesten Dinge, um Basics wie Ernährung, Sex und die Behandlung von Frauen gemacht. In Fasten auf Italienisch will der falsche Italiener Mourad seinem Vater zuliebe Ramadan begehen und löst mit seinen Vermeidungsstrategien gegenüber Tiramisu und seiner anschmieg­samen Freundin Lachstürme aus. Ein Dauerbrenner ist die Beschneidung, etwa in East is East oder Der Tango der Rashevskis, wo sich ein Nichtjude seiner jüdisch-orthodoxen Freundin zuliebe beschneiden lässt – total unnötig, wie sich, danach, herausstellt. In Monsieur Claude und seine Töchter, in dem ein stolzer Franzose an seinen vier Schwiegersöhnen verzweifelt, die jüdisch, muslimisch, schwarz (katholisch) und chinesisch (mutmaßlich konfuzianisch) sind, zerbricht sich nicht nur die Mutter den Kopf über den Braten beim Diner. Besonders die Sache mit der Vorhaut wird drastisch – Stichwort Wurstzipfel – auf die Spitze getrieben. Auch in East is East wird eine Beschneidung zum traumatischen Erlebnis. Und sobald Papa aus dem Haus ist, delektieren sich die zahlreichen Kinder eines britisch-pakistanischen Paares an Speck und Würstchen.

Jenseits dieser farcehaften Momente gewinnen multireligiöse Komödien ihre Intensität jedoch durch die mit Wucht gestellte Frage nach der väterlichen Identität – und letztlich auch nach der Identität des Staates, dessen Bürger die Väter sind. In East is East ist der Familienpatriarch, der trotz oder wegen seiner Heirat mit einer Britin unablässig auf seine Autorität und die Befolgung muslimischer Tradition (hier vor allem in Form von Zwangsheiraten) pocht und dadurch seine Familie zerreißt, eine tief tragische Figur – er fühlt sich in der britischen Gesellschaft nicht anerkannt und erheischt zugleich den Respekt anderer »Paki«-Familien. Ebenso ergeht es Monsieur Claude, der sehr wohl das Getuschel der provinziellen Gemeinde über seine Benetton-Familie hört. Als die Hochzeit der letzten Tochter mit einem Katholiken, der allerdings schwarz ist, ansteht, machen sich sogar die jüdischen, muslimischen und chinesischen Schwiegersöhne Claudes voll Mitleid dessen Ressentiments zu eigen und versuchen, die Hochzeit zu torpedieren. So dreht sich das Karussell der Vorurteile munter weiter. Wie in Alles koscher bringt die Identitätskrise des Vaters die ganze Familie in die Schieflage; sogar die duldsame Mutter rebelliert irgendwann.

Multireligiöse Komödien sind Väterdramen – das gilt selbst für eine weichgespülte Coming-of-Age-Komödie wie Monsieur Ibrahim und die Blumen des Koran, in der der vernachlässigte jüdische Junge Moses in einem Pariser Arbeiterviertel im »Araber« (der kein Araber ist), dem Inhaber eines Tante-Emma-Ladens, einen Vaterersatz findet. Ibrahim (Omar Sharif) ist ein Sufi-Anhänger aus Anatolien, dessen Religiosität sich in schlitzohrigen Kalendersprüchen erschöpft.

© Tobis

Und wo bleiben die Frauen, die in patriarchalischen Religionen ja oft Teil des Schlachtfeldes sind, auf dem sich die religiöse Rivalität austobt? Es gibt eine einzige multireligiöse Komödie, gedreht von der Libanesin Nadine Labaki, in der Frauen die Hauptrolle übernehmen – schon deshalb, weil in Wer weiß, wohin? (2011) viele Männer auf dem Friedhof eines libanesischen Dorfes liegen. Mit allen Tricks versuchen muslimische und christliche Frauen gemeinsam zu verhindern, dass die religiösen Unruhen in der Gegend erneut auf ihr Dorf übergreifen – was bedeutet, dass die Männer abgelenkt und irgendwie ruhiggestellt werden müssen. Nachdem Tricks wie Haschkekse, russische Bardamen und das heimliche Abschalten des Fernsehers nichts fruchten, gehen die Frauen am Ende so weit, dass sie die Religion wechseln. Die eine zieht das Kopftuch aus, die andere verhüllt sich: Auch für die Frauen ist Religion hier vor allem eine Maskerade, gerade sinnvoll genug, um das Schlachten der Männer zu verhindern. Ganz schön frech eigentlich.

Tatsache ist, dass der Erfolg einer doch ziemlich platten Komödie wie Monsieur Claude und seine Töchter zeigt, in welchem Maß die Nachfrage an Filmen, die tabuisierte Themen aufs Tapet bringen, und das Angebot auseinanderklaffen. Insofern könnte der hemdsärmelige Monsieur Claude eine Bresche in das angstbesetzte Terrain geschlagen haben. Denn hier darf wirklich jeder der beteiligten Herren seine Vorurteile rauf und runter buchstabieren, sei er muslimischer, jüdischer, schwarzer oder chinesischer Franzose. Dass das Ganze mit Religion im engeren Sinne nichts mehr zu tun hat, dass es um Anerkennung, Integration und Zusammenraufen geht und die Ressentiments sich zum harmonischen Ende gegenseitig neutralisieren, ist sowieso klar. Die gepfefferten Sprüche zeigen immerhin, dass Humor ohne Aggression nicht zu haben ist – und dass böse Witze ein wunderbares Ventil sind. Denn je mehr über Missstände geschwiegen wird, desto stärker wächst der Druck. Schließlich greift auch Monsieur Claude auf die probate Komödienformel des allgemeinen Lockermachens zurück, nämlich auf den Tanz – wie auch Der Tango der Rashevskis, Alles koscher und Monsieur Ibrahim, der sich mit Moses bei den kreiselnden Sufis von der irdischen Pein erholt. Doch – um auf Ayub Khan-Din zurückzukommen, der in East is East seine eigene Familiengeschichte verarbeitet hat – es könnte sein, dass der Eiertanz gerade erst begonnen hat.

Meinung zum Thema

Kommentare

Also,
1. "Die Abenteuer des Rabbi Jacob" sind alles andere als ein naiver Film.
2. "Four Lions" war vor 2013, in 2013, ist nach 2013 und wird auch in Zukunft ein grandioser Film sein, der den Extremismus nicht nur entlarvend darstellt sondern das tut, was richtig ist: ihn zum Gespött frei geben!
3. Das Problem von "Vive la France" ist weder Religion noch Humor, sondern dass es einfach ein miserabler Film ist.

Irgendwie habe ich den Eindruck, die Autorin ist genau dem aufgesessen, was sie eigentlich zu kritisieren vorgibt.

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