Letzte Gerüchte um Mittelerde

Zehn Dinge, die sie über die Tolkien-Verfilmungen vielleicht noch nicht wussten

Wussten Sie dass die Beatles mal in einem Herr Der Ringe-Film spielen sollten? Bevor wir uns von den Hobbits und Elben verabschieden: ein Rückblick auf ein wundersames Universum

Wer war der erste Regisseur, der Der Herr der Ringe verfilmen sollte?

John Boorman
Ob er der allererste war, ist nicht verbürgt, aber in jedem Fall beauftragten United Artists, kurz nachdem sie 1970 die Rechte erworben hatten, John Boorman mit dem Projekt. Boorman selbst erzählt in seiner Autobiografie, dass er die Artus-Sage habe verfilmen wollen, als man ihm »Der Herr der Ringe« anbot. Mit Drehbuchautor Rospo Pallenberg machte er sich ans Werk, die über 1000 Seiten der Vorlage in ein Skript zu übertragen. Das Ergebnis umfasste offenbar 176 Seiten, mit einer für »Langfilme« damals obligatorischen Pause, festgelegt auf Seite 81. Er soll sich Freiheiten mit dem Stoff genommen haben, die heute angesichts des Einflusses, den man den »Hardcore-Fans« auf den Kassenerfolg eines Blockbusters zugesteht, schier unmöglich scheinen. Die Fans mögen noch verkraftet haben, dass der Hexenkönig von Angmar, statt auf einem drachenartigen Untier zu fliegen, auf einem »Pferd ohne Haut« in die Schlacht bei Gondor reiten sollte, offenbar aus Budgetgründen. Aber wie wäre wohl angekommen, dass im Wald von Lothlórien Frodo und Galadriel miteinander »intim werden«? (Selige Zeiten, als »kinky sex« noch als innovativ galt.) Die Lieblingsfigur von Pallenberg war übrigens Gimli, dessen Part er dem Vernehmen nach erheblich ausweitete. Trotzdem taucht Boormans »Herr der Ringe« auf fast jeder »Best films never made«-Liste auf. Boorman selbst, seinerzeit ziemlich niedergeschlagen, als das Projekt als zu teuer abgelehnt wurde, sah seinen 1981 realisierten »Excalibur« als würdigen Ersatz an.

Und was ist das für eine Geschichte, in der John Lennon angeblich Gollum spielen wollte?

Zu jenen grauen Vorzeiten, als der Firmenname Apple noch nicht angebissen war, sondern die von den Beatles 1968 gegründete Multimediafirma bezeichnete, bemühte sich offenbar deren Sektion Apple Films darum, von Tolkien die Rechte zu kaufen. Treibende Kraft dahinter sei John Lennon selbst gewesen mit dem Ansinnen, sich in Gollum zu verwandeln. Ob er selbst das eher bösartige Gerücht verbreitete, Paul McCartney sei als Frodo ideal, lässt sich nicht nachprüfen. Genauso wenig wie die angebliche »Idealbesetzung« von Ringo Starr als Sam und George Harrison als Gandalf. Tolkien, bekennender Beatles-Feind, war »not amused«. In einer weiteren Version der Legende (McCartney soll 2002 Peter Jackson davon erzählt haben, der sie seitdem weitergibt) war Stanley Kubrick als Regisseur vorgesehen, der John Lennon aber mitteilte, dass er die Geschichte für unverfilmbar halte. Nicht unbedingt ein zwingender Kandidat für »Best film never made«, aber doch vielleicht für »Best soundtrack never composed«...

Wie kam der Roman dann endlich ins Kino?

Boromir sieht aus wie ein mopsiger Wikinger, die englischen Sprecher rollen die Rs, als würden sie allein dafür bezahlt – kein Wunder, dass das Kritikerurteil sich auf dem Level »Murkelig, aber inspiriert« einpendelte. Kommerziell war die animierte LOTR-Verfilmung von 1978, inszeniert von Ralph Bakshi (Fritz the Cat) und produziert von Saul Zaentz, durchaus erfolgreich, denn die Hippie- und Ökobewegungen hatten der Geschichte im voraufgegangenen Jahrzehnt einen neuen Resonanzboden verschafft – sie passte perfekt zu Jute und Aromatees. Den konventionellen Zeichentrick kombinierte Bakshi mit rotoskopierten Sequenzen, für die live action gefilmt und Bild für Bild übermalt wurde: ein dynamisierender, expressiver Effekt, der etwa die Schlacht um Helms Klamm noch immer eindrucksvoll wirken lässt. Leider bricht der Film nach diesem Höhepunkt des zweiten Bandes ab. Im Zuge der Tolkien-Hausse produzierte das Animationsstudio Rankin/Bass noch eine Fernsehversion des dritten Buchs, außerdem gab es eine Komplettadaption im BBC-Hörfunk.

Apropos Casting...

Stuart Townsend
Jeder LOTR-Fan kennt die traurige Saga von Stuart Townsend, der als Aragorn engagiert war, dann aber nach den ersten Drehtagen nach Hause geschickt und seither nie wieder gesehen ward... Weniger bekannt mag sein, dass Daniel Day-Lewis die Rolle ganze drei Mal ablehnte. Russell Crowe, Jacksons nächster Lieblingskandidat als »Strider«, hätte es gerne gemacht, war aber zu sehr in andere Projekte (Gladiator, Insider, Beautiful Mind) verstrickt. Sean Connery, wie auch Anthony Hopkins für Gandalf angefragt, wollte nicht anderthalb Jahre in Neuseeland festhängen und gab außerdem an, die Bücher nicht zu verstehen. Timothy Spall als Gimli, Jake Gyllenhall als Frodo, Uma Thurman oder Kate Winslet als Eowyn – alles Besetzungen, die einst auf dem Papier wohl Sinn machten, von heute aus gesehen aber wie geradezu abstruse Ideen wirken. Einzige Ausnahme: »Warrior Princess Xena« Lucy Lawless, die Galadriel spielen sollte, aber wegen Schwangerschaft absagte. Warrior Princess Galadriel, das hätte für Evangeline Lilly eine Inspiration sein können.

Und ein paar Zahlen...

Die Hobbit-Trilogie wurde bereits im Oktober, da war noch gar nicht alles Geld ausgegeben, zum teuersten Filmprojekt aller Zeiten erklärt. Über 560 Millionen Dollar soll das Budget betragen haben. Dagegen erscheint das Gesamtbudget der Herr der Ringe-Trilogie mit 281 Millionen Dollar im Rückblick geradezu bescheiden. Man muss sich vergegenwärtigen, dass die Summe schon damals als großes Risiko galt und die Nerven der Investoren offenbar erst beruhigt waren, als der dritte Teil, Die Rückkehr des Königs, es Titanic nachtat und die Schwelle von einer Milliarde Dollar beim weltweiten Einspiel überschritt (womit ein Gewinn von ungefähr 1400 Prozent erreicht war). Mit insgesamt 4,8 Milliarden Dollar für die Herr der Ringe-Trilogie und die zwei Hobbits steht das gesamte Tolkien-Franchise bislang im Vergleich nur hinter Harry Potter und seinen 7,7 Milliarden für acht Filme zurück – James Bond (24 Filme) und das Marvel-Universe (bislang 10) wegen Inkompatibilität mal außer Acht gelassen. Wobei die Tolkien-Reihe selbst gegenüber Letzteren (und Star Wars!) auf den höchsten Schnitt pro Einzelfilm kommt. (Die Zahlen sind aber leider alle nicht inflationsbereinigt.)

Im Film haben Elben und Hobbits spitze Ohren. Kommt das von Tolkien?

Das war uns lange ein Rätsel – auch den Tolkien-Lesern in der Redaktion. Denn der Autor beschreibt seine Figuren notorisch ungenau und karg, von Legolas heißt es eigentlich nur, er habe »ein schönes Elbengesicht«. TheOneRing.net, die Website für moderne Tolkien-Fans, hat aber nachgeforscht: Ja, die spitzen Ohren sind belegt. In einem Brief aus dem Jahr 1938 schreibt Tolkien an seinen Verleger, Hobbits hätten »runde, joviale Gesichter, mit leicht angespitzten Ohren und ›elbisch‹«. Daraus ließe sich schließen, Elben selbst hätten noch spitzere Ohren. Tolkien hat das später bestätigt. Hier also alles philologisch korrekt bei Peter Jackson.

Liegt ein Fluch auf »Der Herr der Ringe?«

Für manche schon. Das deutsche Medienunternehmen Kinowelt, 1984 als kleiner Filmkunstverleih gegründet, ging 1998 an die Börse und kaufte mit dem frischen Geld Produktionsfirmen, Verleihunternehmen, Rechte und sogar den einen oder anderen Fußballverein. Und wer hoch hinaus will, der macht auch Fehler. Schon im ersten Halbjahr 2001 beliefen sich die Schulden des Unternehmens auf 800 Millionen Mark. Eine sichere Bank schien da der erste Teil der Herr der Ringe-Trilogie, Die Gefährten, den Kinowelt in Deutschland im Programm hatte. Er startete am 19. Dezember 2001 und sollte dem Münchner Unternehmen bei drei Millionen erwarteten Zuschauern mindestens 50 Millionen Mark in die Kassen spülen. Tatsächlich hatte er 11,5 Millionen Zuschauer und über 80 Millionen Euro (160 Millionen Mark!) Einspiel. Doch ein paar Wochen vor Start kündigte die federführende Produktionsfirma New Line Cinema den Deal und übertrug die Rechte an den Major Warner – der auch alle weiteren Herr der Ringe- und die Hobbit-Filme verlieh. Das New-Line-Paket, zu dem auch Blade, Austin Powers und die folgenden zwei LOTR-Teile gehörten, hatten die Münchner Filmhändler 1999 für 300 Millionen Dollar erworben. Der böse Zauber des Herr der Ringe-Deals wurde zu einem weiteren Sargnagel für Kinowelt: Das Unternehmen stellte ein paar Tage vor Start den Insolvenzantrag.

War Der Hobbit ein Lieblingsprojekt von Peter Jackson?

Guillermo Del Toro
Nicht unbedingt. Eigentlich wollte Peter Jackson die ursprünglich auf zwei Teile geplante Verfilmung nur produzieren. Als Regisseur war der Mexikaner Guillermo Del Toro mit im Boot, der mit Filmen wie Pans Labyrinth und Hellboy auf sich aufmerksam gemacht hatte. Del Toro erschien als der ideale Regisseur, hatte er doch den zugrunde liegenden Roman schon mit 11 Jahren gelesen. Zwei Jahre hat Del Toro an der Vorbereitung des Projekts gearbeitet und am Drehbuch mitgeschrieben. Doch auch auf diesem Tolkien-Projekt lag der Fluch der Wirtschaft. Der Beginn der Dreharbeiten verzögerte sich immer mehr durch die Pleite der Produktionsfirma MGM. Und weil Del Toro schon Verpflichtungen für andere Filmprojekte hatte, stieg er Ende Mai 2010 aus. Und Peter Jackson sprang ein.

War der »Ring«-Roman ein Instant-Hit?

Der Triumphzug des 1954 und 55 in mehreren Büchern veröffentlichten Romans begann mit Verzögerung. Das Werk hatte sich in den USA über ein Jahrzehnt langsam, aber stetig verkauft. Mit der Veröffentlichung zweier amerikanischer Taschenbuchausgaben – eine davon illegal – schrieb LOTR dann Verlagsgeschichte: In zehn Monaten gingen 250.000 Exemplare über den Ladentisch. »Plötzlich scheint alle Welt ein sehr langes und sehr merkwürdiges Buch mit dem Titel ›Der Herr der Ringe‹ zu lesen«, schrieb der amerikanische Autor Lin Carter 1966. Danach war kein Halten mehr – auch in Deutschland nicht, wo der Schulbuchverlag Klett-Cotta LOTR herausbrachte. 1997, als die englische Buchladenkette Waterstone die Ergebnisse einer Umfrage nach dem »Buch des Jahrhunderts« veröffentlichte, fiel die Literaturszene in Schockstarre. 25 000 Leser hatten »Der Herr der Ringe« auf Platz eins katapultiert –  »Ulysses« dümpelte abgeschlagen auf Platz vier. Andere Polls gingen ähnlich aus. Die Debatte, die danach aufflammte, war ganz typisch für die Rezeption von Tolkiens Chef d’Oeuvre – LOTR hat immer schon das Pu­blikum und die Kritik gespalten.

War’s das jetzt?

Oder gibt es etwas, das Peter Jackson noch verfilmen könnte aus dem Tolkien-Universum? Theoretisch sicher. Das »Silmarillion« zum Beispiel, auch wenn das ein bisschen »alttestamentarisch« ist. Tom Bombadil, den Jackson gestrichen hat, könnte ein eigenes Spin-off bekommen. Und dann sind da natürlich Tolkiens extensive Notizen, die sein Sohn Christopher in einer zwölfbändigen Geschichte Mittelerdes ediert hat. Darin findet sich die große Schlacht um die Elbenstadt Gondolin, mit mehreren Balrogs und dem Tod von Glorfindel, der für LOTR auferstanden war – Seelenwanderung –, um den verletzten Frodo nach Bruchtal zu bringen (im Film macht das Arwen). Schließlich würde sich auch die Vorgeschichte der Lady Galadriel empfehlen, die als junge Frau ihre eigenen Leute abgemetzelt hat. Wahrscheinlich aber werden weder das »Silmarillion« noch die apokryphen Schriften den Weg auf die Kinolein­wand finden: Die Rechte liegen, wie Peter Jackson kürzlich erläutert hat, beim Tolkien-Nachlass – und die Erben sind gar nicht so glücklich mit dem, was der Regisseur aus Tolkiens Büchern gemacht hat.

Zur Kritik Der Hobbit: Die Schlacht der fünf Heere

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