Kritiker im Widerstand

Unsere "Steile These" des Monats Januar
»Star Wars: Das Erwachen der Macht« (2015)

»Star Wars: Das Erwachen der Macht« (2015)

Wer heute einen Blockbuster vermarktet, braucht keine Kritiken, sondern Internet-Buzz. Beim neuen »Star Wars« haben sie uns das unmissverständlich klargemacht – die Pressevorführungen fanden praktisch Stunden vor dem Filmstart statt. Nun kann man die internationalen Verleihfirmen nicht zwingen, ihre Filme vorab zu zeigen. Das sind privatwirtschaftliche Unternehmen, und schließlich veranstaltet die Kirmes um die Ecke auch keine PV, wie ein Kollege mal gesagt hat.

Was wirklich nervt, sind die Dienstanweisungen, die man immer heftiger aufs Auge gedrückt bekommt. Neben Zugangsbeschränkungen, Durch-suchungsbescheiden und Embargos etwa so was: »Wir möchten Sie im Namen des Kinopublikums herzlich bitten, in Ihren Filmbesprechungen Spoiler zu vermeiden, d. h. keine wesentlichen Handlungsstränge oder das Ende des Films zu verraten.« Dass der Kritiker da als Ärgernis erscheint – geschenkt. Aber wenn solche Schutzvorkehrungen getroffen werden müssen, kann das Produkt ja schon nicht so toll sein, oder? Und das Publikum wird auch für blöd verkauft. Wer je einen Bond-Film gesehen hat, weiß doch, wie der Hase läuft. Kein Zuschauer war überrascht, als Rhett Butler Scarlett O'Hara stehen ließ, die Hobbits gegen Sauron gewannen und die Titanic unterging. Selbst die meisten populären Originalgeschichten, von »Casa­blanca« über den »Weißen Hai« bis »Star Wars« Classic, hätte sich jeder Laie beim Bier ausdenken können. Aber nicht mal jeder Regisseur kann »Handlungsstränge« so fantasievoll und überlegt in Bilder fassen, dass dabei mehr herauskommt als diese willkürlichen Überraschungsmomente, die Fernsehserien im Werbetakt produzieren.

So gesehen ist der Spoiler die letzte Waffe des Kritikers – ein Mittel der ästhetischen Unterscheidung. Ich bestehe auf meinem Recht, über einen Film zu schreiben, was der Argumentation und Wertung dient. Wenn es »Außer Atem« ist, braucht man über den Plot nicht viel zu sagen. Aber wenn eine Geschichte dämlich, ideologisch oder sonstwie gesundheitsgefährdend ist, muss gespoilert werden. Das sind wir dem Publikum schuldig.

Meinung zum Thema

Kommentare

Zu vielen Filmen gehört der inhärente Spannungsbogen, den bereits beim Filmstart kaputtmachen? Wenn ein Filmkritiker meint, ohne Spoiler nicht auskommen zu können, sollte er vielleicht im Kino lieber Popcorn verkaufen.

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