Der Markt der Filmbücher

Bücher? Gedruckt? Ja doch!
Filmbücher

Gerade auf der Frankfurter Buchmesse wird viel von Crossmedialität gesprochen. Dabei gibt es das perfekte Cross-Medium schon lange: das FILM-BUCH. Christoph Dompke hat sich auf dem Markt umgesehen, mit Verlegern gesprochen und festgestellt: Es gibt immer wieder gute Titel. Im Zweifel auch mal als eBook

Große Publikumsverlage interessieren sich kaum noch für Filmisches, von Ausnahmen wie Norbert Grobs Fritz-Lang-Biografie im Propyläen-Verlag oder den Erinnerungen von Michael Ballhaus in der Deutschen Verlagsanstalt einmal abgesehen. Der Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf hat sein Filmbuchsegment stark eingeschränkt, dabei erschien hier mit den Erinnerungen von Bud Spencer einer der großen Verkaufserfolge des Filmbuchmarktes der letzten Jahre – der kürzlich verstorbene Schauspieler hat denn auch auf der Homepage des Verlages eine eigene Rubrik erhalten. Reclam veröffentlicht regelmäßig zum Thema Film (hat mit der Reihe »Filmgenres« allerdings auch einen Gemischtwarenladen am Start: Da gibt es gute und schlechte Beiträge). Der Aufbau-Verlag hingegen, der in den letzten Jahren Biografien über Horst Buchholz, Lili Palmer und Curd Jürgens veröffentlichte, hat für den Herbst keine weitere angekündigt. Doch davon abgesehen gibt es immer noch Verlage, die sich mit Verve und Verstand der Veröffentlichung von Filmbüchern widmen, an vorderster Front sicherlich Bertz + Fischer, Schüren und die edition text + kritik. Aber auch sogenannte Klein- oder Kleinstverlage wie der Alexander-, der Belleville- und der Verbrecher-Verlag sowie Vorwerk 8 pflegen ein ausgesuchtes Filmbuchsortiment. 2014 gab es mit dem Mühlbeyer Filmbuchverlag sogar eine Neugründung.

Die Auflagen sind trotzdem über die Jahrzehnte gesunken. Katrin Fischer von Bertz + Fischer meint, dass vor zwanzig Jahren der Band über David Cronenberg wohl eine Erstauflage von 3000 Stück erfahren hätte und nach einem halben Jahr nachgedruckt worden wäre: »Jetzt sind es noch 1000, und die zweite Auflage ist dann nach drei, vier Jahren erschienen.« Früher seien Filmbücher Erinnerungs- und Vertiefungsmedium und Sammlerobjekt gewesen, diese Rolle habe nun die DVD oder Blu-ray übernommen, so die Verlegerin. Der größte Verkaufserfolg von Bertz + Fischer ist der erste Band der Reihe »film« über Quentin Tarantino mit vier jeweils erweiterten und aktualisierten Auflagen.

Jerome Schäfer von der edition text + kritik verweist zwar auch auf rückläufige Verkaufszahlen, spricht trotzdem aber von einem »durchaus verlässlichen Niveau mit Auflagen im mittleren bis hohen dreistelligen Bereich«. Hier sind die Bücher des Filmwissenschaftlers Thomas Elsaesser echte Longseller, und auch Wolfgang Jacobsens »Recherche: Film. Quellen und Methoden der Filmforschung« hat sich über die Jahre hervorragend verkauft. Andererseits leistet sich der Verlag mit film + schrift, einer Reihe, die seit 2005 die deutsche Filmkritik biografisch und publizistisch durchleuchtet, ein echtes Hardcore-Cineasten-Programm.

Der eBook-Markt spielt bei den Verlagen eine unterschiedlich große Rolle. Bei Bertz + Fischer eher eine kleine: »Wenn wir uns die Verkaufszahlen vergegenwärtigen, sind unsere LeserInnen offenbar auch keine großen E-Book-Fans«, sagt Katrin Fischer. Andere Verlage wie die edition text + kritik machen gute Erfahrungen mit entsprechenden Veröffentlichungen und setzen auf einen wachsenden Markt; Reclam beispielsweise bietet mittlerweile fast jeden Titel als E-Book an.

Autoren sprechen hinter vorgehaltener Hand von der Filmbuchmisere und davon, bei großen Verlagshäusern auf die üblichen Vorbehalte und Widerstände zu treffen. Diese können letztlich nur ökonomischer Natur  sein. Eine nicht unwesentliche Rolle spielt dabei sicherlich die Herrschaft von Media Control, der Firma, die im Buchhandel Verkaufszahlen einsammelt (der tatsächlich verkauften Exemplare, ohne die, die von den Verlagen an den Buchhandel geliefert und eventuell zwei Monate später zurückgenommen werden). Gegen eine Gebühr kann jedermann dort die Verkaufszahlen eines bestimmten Buches abfragen. »Bauchentscheidungen« für eine Veröffentlichung werden dadurch sicherlich erschwert, und bei den großen Publikumsverlagen ist zu bemerken, »dass Film etwas aus dem gesellschaftlichen Fokus gerückt ist«, wie Jerome Schäfer meint.

So ist in den letzten Jahren die Schere zwischen wissenschaftlichen Veröffentlichungen auf der einen und Coffee Table Books auf der anderen Seite immer weiter auseinandergegangen. Der Erkenntnisgewinn ist auf beiden Seiten mager. Im DuMont-Buchverlag ist im Frühjahr bereits die zweite Auflage eines Buchs von Audrey Hepburns Sohn Luca Dotti erschienen: »Zuhause bei Audrey – Die Lieblingsgerichte meiner Mutter. Rezepte, Geschichten und Fotos aus dem Familienalbum«. Das erinnert an einen Hund, der auf zwei Vorderbeinen laufen kann. Man schaut es sich eine Weile interessiert an und denkt dann »So what?«.  

Wissenschaftliche Filmbücher tragen mittlerweile so fantasievolle Titel wie »Metapoietische Filme. Über das Filmemachen nach Deleuze« (Ruth Benner), »Melodramatischer Eskapismus. Affekt-Ökonomien und Exit-Optionen bei Sirk, Fassbinder, Akin« (Amadeus Haux) und »Ressentimentalität. Die melodramatische Versuchung« (Jörg Metelmann). Da kommt Heinz Hilpert ins Spiel: Einfälle sind die Läuse der Gedanken. Die meisten dieser Art von Veröffentlichungen sind zudem in einem grauenhaften Wissenschaftsdeutsch verfasst und argumentieren auf so verschlungenen Wegen, dass einem dagegen Texte von Judith Butler so sinnfällig erscheinen wie die Romane von Rosamunde Pilcher.

Verantwortungsvolle Verlage wie editon text + kritik lassen Habilitationen und Dissertationen ein gründliches Lektorat und eine intensive herstellerische Betreuung angedeihen, aber es gibt immer häufiger Verlage, die jede noch so abwegige Dissertation veröffentlichen und – worauf Katrin Fischer hinweist – oft in miserabler Qualität. Bei den Zuschüssen ist es für die Verlage zumindest kein verlegerisches Risiko, trägt aber möglicherweise auch dazu bei, »dass die Leserschaft von Filmbüchern immer mehr schrumpft« (Katrin Fischer).

Zwischen diesen beiden Polen muss man die Rosinen finden und herauspicken. Der Schirmer/Mosel-Verlag beispielsweise macht immer wieder hervorragende Bildbände mit interessanten Texten und zeigt für den Herbst einen Band über die Filme des goßen Stummfilmregisseurs F. W. Murnau (»Friedrich Wilhelm Murnau. Berlin/Hollywood. Die Filme«) an. Reclam hat für September Dietmar Daths Beitrag zum Thema »Superhelden«, Schüren für Oktober einen Band mit Beiträgen über »Späte Stummfilme. Klassiker des Kinos  1924–1930«, der Mühlbeyer Filmbuchverlag einen Beitrag zum Rassismus in Walt Disneys Animationsfilmen von Jonas Cußler und Bertz + Fischer einen kleinen, kundigen und auch für »Softcore«-Cineasten zugänglichen Band über »Deutschlandbilder« zwischen Arthouse und »Göthe« und mit dem im Mai erschienenen Buch »Ästhetik des Drastischen« von Benjamin Moldenhauer ein echtes Schwergewicht zum Horrorgenre im Programm; die edition text + kritik durchschreitet mit Veröffentlichungen über Leni Riefenstahl und Peter Beauvais ein wirklich großes filmgeschichtliches Spannungsfeld. Wer sucht, wird also fündig, oft auch in Selbstverlagen oder bei Books on Demand. Im Neopubli-Verlag ist gerade eine sehr materialreiche Arbeit über Oskar Sima (»Oskar Sima, König der Nebenrollen«) von Detlef Romey erschienen; der Fachverlag für Filmliteratur Reinhard Weber ist unermüdlich im Dienst der guten Sache unterwegs und hat vor kurzem die zweite Auflage einer Bio- und Filmografie über Charlton Heston veröffentlicht. Unentwegte Winnetou-Fans erfreuen sich derweil an »Marie Versini – Geliebte Nscho-tschi: Bilder ihres Lebens«, ebenfalls vor nicht langer Zeit im umtriebigen Karl-May-Verlag erschienen. Mal abgesehen davon, dass sich der Leser in dem einen oder anderen Fall auf stilistische Hausmannskost einstellen muss, sind diese Titel außerhalb der Spezialbuchhandlungen selten zu finden. Abhilfe schaffen Newsletter einiger Filmbuchhandlungen (zum Beispiel Bücherbogen in Berlin, Satyr-Filmwelt in Wien, Verlag für Filmschriften in Hebertshausen).

So ist die Lage zwar ernst, aber nicht hoffnungslos: Hentrich & Hentrich hat den jüdischen Kinobetreiber und Autor Hanns Brodnitz wiederentdeckt, der Alexander-Verlag versammelt frühe französische Filmtexte in einem 600-Seiten-Band (»Die Zeit des Bildes ist angebrochen«) und macht sowieso fremdsprachige Film-Arbeiten gern fürs deutsche Publikum zugänglich. Hinzu kommen aufwendig produzierte Kataloge, die zu Ausstellungen und Retrospektiven erscheinen, aber meist von den jeweiligen Institutionen vorfinanziert werden. Das Angebot ist dank der genannten Verlage doch immer noch vielfältig und schließlich rangierten Filmbücher, wie Katrin Fischer sagt, »auch zu den besseren Zeiten in den Augen von Buchhändlern nur knapp über der Lyrik«.

Abhängig bleiben wird der Filmbuchmarkt allerdings auch vom kulturellen Bewusstsein für Filmkunst in Deutschland, »das nicht so stark ausgeprägt ist wie in anderen europäischen Ländern und stark von der Vergangenheit zehrt, vor allem der Filmkultur der sechziger, siebziger Jahre« (Jerome Fischer). Man muss das Blockbusterkino nicht verdammen, aber die Rahmenbedingungen haben sich eben verändert, und es bleibt die delikate Frage bestehen, ob der Kunstcharakter eines Films überhaupt noch eine Rolle spielt. Falls nicht, für wen und weshalb sollte man Bücher veröffentlichen oder kaufen, die kluge Rezeptionskriterien an Filme herantragen? Nun steht deswegen nicht gleich der Untergang des Abendlandes oder dessen kulturgeschichtlicher Bankrott zu befürchten, jedoch kann durchaus festgestellt werden, dass die Zeiten kulturell magerer geworden sind. »Früher«, sagt Schäfer, »musste man bestimmte Filmemacher kennen, wenn man etwas auf sich hielt. Heute ist das leider anders.«

Wie es bei dem – einst berühmten, inzwischen vergessenen? – deutschen Dichter August Kopisch so schön heißt: »Ach wenn es doch wie damals wär, doch kommt die schöne Zeit so schnell nicht wieder her.« Dass Filmbuchverlage mit dieser Situation kreativ umgehen und verlegerische Risiken eingehen, das Interesse wachhalten und immer wieder den Nerv der Zeit treffen, ist eines der großen Wunder im Bücherherbst!

Besuchen Sie epd Film auf der Frankfurter Buchmesse vom 19. bis 23. Oktober. Auf einen Kaffee (for free) oder zum Filmquiz in Halle 3.1, Stand G1. Hefte gibt es auch hier: 3.1., B109 (edition chrismon) und 4.1., F65 (Alexander Verlag).

Meinung zum Thema

Kommentare

Den Artikel habe ich mit großem Interesse gelesen!

Es gab aber in den letzten Monaten (oder auch 1 bis 2 Jahren...) durchaus bemerkenswerte Novitäten wie den Prachtband über Fassbinder, oder die Biografien zu Tarantino, Allen oder de Niro.
Ich schaue immer wieder auf diese Webseite, die viele Neuerscheinungen vorstellt oder auch auf kommende Veröffentlichungen hinweist: ...

https://kinogucker.wordpress.com/filmliteratur/

Ich freu mich schon auf den gepflegten Irrsinn der Monty Python-Chaoten...

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