Der Kampf um die Berge

Der Bergfilm: Extrem-Tourismus am Everest
»Evererst«

© Universal Pictures

»In eisige Höhen« heißt ein Bestseller von Jon Krakauer über eine tödliche Saison am Mount Everest. Baltasar Kormákur hat die wahre Geschichte
jetzt verfilmt. Und man fragt sich: Was wollen die Leute eigentlich alle da oben?

Es gibt nirgends eine so augenfällige Verbindung zwischen Geopolitik, Mythos, Ästhetik und Melodrama wie in Bildern von Bergen. Die Bewegungen der Menschen dehnen sich zeitlich aus, kommen vom Zweck der Bewegung zu sich selbst; das Große bleibt groß hier nicht und klein nicht das Kleine. Wahrscheinlich werden wir es nie wirklich müde, einen Reiter auf uns zukommen zu sehen, ob in den Bergen von Montana in einem Western oder in einem Film über kurdische Flüchtlinge. Das braucht seine Zeit, und dass diese Bewegung so sehr ihre Dauer hat, dass noch die unruhigste Kamera geduldig werden muss, das macht uns auch glücklich. Obwohl solche Reiter selten etwas Gutes zu berichten haben.

»Die weiße Hölle vom Piz Palü« (1929)

Dabei könnte man keineswegs behaupten, dass das Vorhandensein von Bergen a priori eine Filmerzählung verlangsamen würde. Bergab geht es ja immer sehr schnell – weshalb zum Beispiel einer wie Indiana Jones überhaupt nur das Bergab zu kennen scheint. In der Ebene können sich Zeit und Raum miteinander ausdehnen; hier tendiert der Mensch zum Warten, wie Cary Grant in »North by Northwest« auf den Bus. Aber im Berg geht die Kinogleichung von Raum und Zeit so sehr auf wie die Gleichung von Mensch und Landschaft. In der Ebene bleibt der Mensch immer fremd, auch wenn er hier reich werden kann; im Berg bleibt der Mensch in der Regel arm, aber er ist nicht fremd. Im Berg ist der Mensch zu nahe an sich selbst, im Tal ist er zu weit weg von sich. In schlechten Filmen gibt es Leute, die etwas in dieser Richtung dahersagen. Gute Filme zeigen es.

Ein Kinobild mag aus Elementen, aus Beziehungen und aus Dimensionen bestehen, also aus Informationen, die uns über Dinge und Personen etwas sagen, aus solchen, die uns etwas darüber sagen, was Dinge und Personen miteinander zu tun haben, und schließlich aus Informationen darüber, in welchen Architekturen von Raum und Zeit, in welcher Sprache und grammatischen Form in der Ordnung der Dinge das alles vonstattengeht. Ein Berg, wenn er eine gewisse Größe überschritten hat, zwingt die Geschehnisse unter das Motiv der Dimensionen.

Mythos und Idylle

Natürlich ist unsere Geschichte von Berg und Film eine der Korruptionen und der Trivialisierung. Was den Bergfilmen von Arnold Fanck ihre Würde gibt, das ist, dass wir in ihnen sehen können, wie sich die Kamera die Berge »erobert«, in einer Mischung aus Größenwahn und Demut. Schön sind diese Bilder nicht nur, weil die Regie die Schönheit der Berge erkannt hat, schön sind sie noch mehr durch die Schwierigkeiten, die sie überwinden muss, sie zu zeigen. Aber schöner als Arnold Fancks populäre Filme in ihrer eigenartigen Mischung aus Magie, Technik, erotischem Überdruck und Propaganda für etwas ziemlich Undeutliches sind die Filme vorher, in denen die Kamera an den Bergen noch regelrecht gescheitert ist. Das Bergbild im Kino der zehner und zwanziger Jahre ist immer das erste, das gerade und genau richtige, das, was der Berg erlaubt und was man sich ihm gegenüber herausnimmt.

Doch schon bei Fanck sehen wir auch ein Raunen und eine Mystik, die uns misstrauisch machen. Später wird das deutlicher, bei Leni Riefenstahl und Luis Trenker, die den Menschen im Berg monumentalisieren, die den Berg zeigen, nicht »weil er da ist«, sondern weil er viel mehr als da sein soll. Der Berg wurde über das Romantische und das Heroische hinaus zur Darstellung einer speziellen Empfindung von Identität. Die Dimension im Bewegungsbild des Berges verstärkte den mythischen Charakter und die Geopolitik, besonders bei Trenker, sie verwandelte sich in Ideologie: Der Berg drängt sich nicht nur in den Familienroman, sondern auch in die Konstruktion von »Volk« und »Nation«.

»Heidi« (1965)

Scheinbar ganz im Gegensatz dazu gibt es die andere, die idyllische Tradition von »Heidi« bis zum deutschen Heimatfilm: der Berg als Ausweis und Refugium von Unschuld. Man kann die Heidi-Filme in ihrer Geschichte auch verstehen als technische Entzauberung: In den von Luigi Comencini und Franz Schnyder gedrehten Filmen sehen wir noch, dass es schwierig ist, mit und in den Bergen zu leben, und eben auch, sie zu filmen. In den Remakes sind die Graubündner Alpen nur noch für Kulisse und Dramaturgie zuständig.

So eng waren in Mitteleuropa »Heimat« und »Berg« miteinander verbunden, dass eine Bergeinstellung zugleich eine Heimateinstellung war. Und diesen Fluch des Identitären wurde der Bergfilm hierzulande nie wirklich los. »Hier hinauf« galt es nach dem Krieg und seinen Verlusten: um als Heimat wiederzugewinnen, was die deutsch-österreichische Seele an nationaler Ausdehnung verloren hatte. Gewiss verlor in dieser Phase das Bild des Berges seine ideologische Monumentalität. Und nicht mehr der Gipfel war die alleserklärende Metapher, sondern es ging um die vielen Zwischenstufen: Wer wie weit hinaufkommt und wer wie weit hinunterwill, das definiert die melodramatischen Spannungen. Es gibt im deutschen Heimatfilm der Nachkriegszeit einen ziemlich genau zu bestimmenden Punkt, an denen der Mann weiter hinaufmuss und die Frau umkehrt. Die »Geierwally«, die sich nicht an diese Regel hält, muss erst einmal von einem Bärenjosef gezähmt werden. Der Berg bietet sich nun nicht mehr als Medium, sondern als Heilung für den Familienroman und für das Volkhafte an. Und verliert, nicht bloß weil Kameras beweglicher und leichter werden, das Erhabene und Fremde.

»Die Geierwally« (1940)

Der Mythos und die Idylle waren im deutschsprachigen Heimatfilm nur zwei Erscheinungsformen ein und desselben betrügerischen Bergbildes. Wie wohltuend musste demgegenüber das pragmatische Bild des Berges in amerikanischen Filmen erscheinen. Einem Cowboy fällt es nicht im Traum ein, auf einen Berg hinaufzumüssen, nur weil er da ist! Man muss hier seinen Viehtreck hinüberbringen, ein Versteck finden, eine Rechnung begleichen. Bei John Ford waren die Berge vor allem Zeichen der erhabenen Fremdheit, bei Anthony Mann sind sie bereits »psychologisch«, eine Seelenlandschaft für den Bruderzwist, Echoraum des overreacher. Der große Treck ins gelobte Land muss über den Berg; mit Verlusten ist zu rechnen. Nirgendwo sind Indianer oder Banditen so gefährlich wie in den Bergen. In den Bergen ist die Landschaft faltig und unrein; der Berg ist in den amerikanischen Filmen genau das Gegenteil von dem, was er in einem mitteleuropäischen, einem deutschen Film ist, eine Schnittstelle zur Gottlosigkeit. Im Berg liegt für den amerikanischen Moses bereits der Keim zum Bruch. Pragmatisch genug indes fordert der Berg vor allem eine Pioniertat heraus.

Der Berg im Zeitalter seiner digitalen Reproduzierbarkeit

Natürlich hat auch dieser amerikanische Blick auf die Berge blinde Stellen. Sie sind die Grenzen der Landnahme, geschändete Heiligtümer der ermordeten Uramerikaner. In der horizontalen Empfindung des amerikanischen Western sind Berge der Störfall; in der vertikalen Empfindung des deutschsprachigen Films dagegen ist es die Versuchung der Ebene, die das Bergleben als buchstäblich Erhöhtes bedroht.

Aufgehen tut das hier wie dort nicht. Monument und Idylle verbergen nur unvollkommen, wie Geopolitik den Berg zum Reich von Flucht, Unterentwicklung und Revolte macht, weil an ihn die Spannungen jeder Nation herangetragen werden: Der Staat, die Kultur und die Nation, das zeigt sich am Berg, werden um keinen Preis der Welt zur Einheit. Gegenüber der Geschichte verhält sich der Berg manchmal auch wie ein schlechter Witz.

»Everest« (2015)

In Zentraleuropa sind die Berge geopolitisch weitgehend entdramatisiert. Was bedeutet: Man muss genauer hinsehen, um das Potenzial an Spannungen zu erkennen. Und genau hinsehen kann man gewiss nicht in einem Film der Mainstreamgenres. Kurzum: Der Berg als Filmthema war uns nicht umsonst so erheblich suspekt. Am ehrlichsten schienen daher Berge, wenn sie unheimlich waren. Sehnsucht und Grauen. Was am ehesten Märchen- und Horrorfilme zeigen, ist, dass Berge eine Seele haben. Wie bei Disney, wo das kleine Postflugzeug gegen den Berg um sein Leben kämpft.

Zu Beginn der siebziger Jahre hatte man sich darauf geeinigt: Berge im Film sind Kitsch. Das Genre des Bergfilms war deswegen keineswegs tot. Aber es hatte auch technisch seine Unschuld verloren. Wenn wir in Arnold Fancks Filmen zusehen konnten, wie sich die Kamera dieses Terrain eroberte, so sehen wir in den meisten Berg- und Bergsteigerfilmen der letzten Jahrzehnte der Schaffung künstlicher Sensationen zu. Für die wirklich entfesselte Kamera, die mit extremem Zoom, mit Krankonstruktionen von Hubschraubern oder von Bergsteigerhelmen aus agieren kann, muss die Schwierigkeit erst wieder geschaffen werden, und oft genug müssen wir über diese Schwierigkeiten erst informiert werden, um sie zu glauben.

Den Wettlauf um die Authentizität am Berg kann vielleicht das Bild, aber nicht mehr der Blick gewinnen. Wie echt die Kamera am Berg ist, das ist eine Sache ihrer Einstellung, wie echt dabei das erzeugte Bild wirkt, ist eine ganz andere Sache. Der Mainstream fällt daher weniger auf diese technische Konstruktion des Bergbildes als vielmehr in die idyllischen Fantasien zurück. Der heroische Bergfilm, wie aktuell »Everest« in 3-D, kann die Wahrheit des Berges nur noch im Opfer seiner Protagonisten zeigen. Ansonsten wüssten wir nicht zu sagen, ob ein fotografierter, ein montierter, ein nachgebauter oder ein im Computer generierter Mount Everest der »echtere« ist. Im Zeitalter seiner digitalen Reproduzierbarkeit ist der Berg weniger abbildbar als je.

Nachdem wir, von Fanck über Trenker bis zu den Filmdokumenten des Reinhold Messner, den Berg mit den Augen seines »Bezwingers« gesehen hatten, in seiner Größe und Erhabenheit, aber auch in seiner Funktion als technisches Problem und dramatischer Gegner, fand ein Perspektivwechsel statt. Wir sehen nun das – bergsteigende – Subjekt »mit den Augen des Berges«, oder, allgemeiner: Wir sehen nicht mehr so sehr, was der Mensch mit dem Berg macht, sondern viel eher das, was der Berg mit den Menschen macht.

»Höhenfeuer« (1985)

Die Renaissance des Bergbildes im neuen Heimatfilm konnte nur im Zeichen der Verzweiflung stehen. Das geopolitische Erbe kippte in Filmen wie Fredi Murers »Höhenfeuer« (1985) in das Psychodrama der absoluten Peripherie. Man wusste nicht mehr, was schlimmer ist: die brutale Rückständigkeit der Bergbewohner oder die brutale Fortschrittlichkeit von Technik und Touristen.

Der Akt des Erkennens ist schwierig geworden, denn jeder Blick auf die Berge, der nicht in die alten Lügen zurückfallen will, richtet sich nun buchstäblich auf den Bruch in den Gesellschaften und in ihrer Geschichte. Und wieder gibt es da einen schmalen Grat, den es zu finden gilt, zwischen dem Erkennen des Archaischen und seiner Bedingungen und einem Archaisieren, das neuerlich den ideologischen Diskurs freisetzt.

Reservat der Flüchtlinge und Außenseiter

Klein sind sie geworden, unsere Berge. In den Filmen von Christian Schocher etwa, der in »Die Kinder von Furna« (1975) einen regelrechten Kurzschluss zwischen der Rückständigkeit des Alltags in einem Schweizer Bergdorf und der ganz anderen Regression der globalisierten Medien zeigt oder in »Engiadina« (1985) einen »Postkartenfilm« des Vaters neu montiert, um die Bilder neu zu lesen, hinter denen die Geopolitik verschwindet. Fortsetzung und Bruch, das ist auch ästhetisch das Problem für jeden, der vom Berg heruntergekommen ist und wieder, wenn vielleicht auch nur durch den Film, zu ihm zurückkehren will.

Inzwischen wendet sich der Blick zurück, wie in »Sennentuntschi« (2010, Michael Steiner), der Reflexion einer Alpensage, die im Tod nahezu aller Beteiligten endet, weil hier die Bigotterie und die Angst vor allem Fremden und Sinnlichen so maßlos sind. Dagegen hilft nur, wie in dem österreichischen Alpenwestern »Das finstere Tal« (2014, Andreas Prochaska), eine ebenso maßlose Rachegewalt. Das neue Jahrtausend lässt uns den Berg als eine Traumlandschaft entdecken, in der man noch Geschichten erzählen kann, als sei nichts geschehen. So erzählt man in die Vergangenheit hinein, weil es keine Gegenwart der europäischen Berge gibt, nur den kulturellen Tod der einen und den touristischen Untod der anderen Hälfte. Und dazwischen sterben die, die keine Heimat mehr finden können, wie die Flüchtlinge, die hier erfrieren, und ansonsten sind die Alpen wiederum perfekte Kulisse für den Regionalkrimi, das deutsche Nationalgenre der Zeit. Dieser vergehenden Schönheit der Berge kann offensichtlich nur noch mit Verzweiflung oder mit Ironie begegnet werden.

Die Berge sind die Verbündeten der Minderheiten, aber auch ihr Schicksal, das Reservat der schönen Unterentwicklung. Daher gibt es allenfalls spirituelle, aber keine ideologischen Auswege im Diskurs zwischen dem beharrend Archaischen der Bergkultur und dem Fortschrittshunger der Ebene; das eine ist so grausam wie das andere, und es ist so gefährlich, ins Tal zu flüchten wie in die Berge aufzusteigen. Schrecklich, was dort die einander liebenden Geschwister in »Höhenfeuer« zu erdulden haben, aber auch: »Nicht auszumalen, wenn ich mir vorstelle, was den zwei Geschwistern passiert, wenn die Zivilisation sie ereilt und von dem Inzest erfährt« (Murer). Und umgekehrt führt Markus Imhoof in »Tauwetter« (1977) oder »Der Berg – Duell im Eis« (1990) auf seiner Suche nach dem Archaischen und Elementaren in eine beinahe radikal künstliche Welt: die Fanck-/Trenker-/Riefenstahl-Situation – zwei Männer und eine Frau in Bergnot und archaischer Enge – als absurdes Theater. Oder anders ausgedrückt: Der vollständige Verlust von Geopolitik und Mythos führt am Berg zum wahnsinnig gewordenen Melodram.

Konnte man am Ende des Jahrhunderts von einer Renaissance des Bergfilms im Zeichen einer Radikalisierung sprechen? Oder war der Blick ruiniert, unter anderem durch die zahllosen Hubschrauberaufnahmen, die um Menschen auf einem Gipfel kreisen? Der Freeclimber wie in Werner Herzogs »Cerro Torre: Schrei aus Stein« (1991) als neuer Held, das Bergsteiger-Biopic wie »Messner« (2012, Andreas Nickel) und der revisionistische Heimatbergfilm, die triumphalistisch-touristische Betrachtung mit mehr oder weniger endgültiger Blickvernichtung (»Die Alpen – Unsere Berge von oben«, 2013) oder der kritische Dokumentarfilm: All das ergibt kein kohärentes Bild mehr. In unserem Kino haben die Berge nichts mehr mit sich selbst zu tun.

Der Berg als Event

Die Widersprüche zwischen dem Western- und dem Heimatkonzept des Filmberges werden in den »Alpenwestern« erneut aufgelöst. Etwa in »Autumn Blood« (2013, Markus Blunder), einer Fußnote zum »Cliffhanger«-Konzept der Berge als Raum der Gewalt. (Schon im Italowestern galt: Dass eine Winchester einem Colt überlegen ist, gilt nur, wenn der mit der Winchester auf dem Berg, und der mit dem Colt im Tal ist.) Die Filme, zu denen bis zu einem gewissen Grad auch Thomas Arslans Western »Gold« (2013) zu zählen wäre, lösen nicht nur Mythos und Problem auf, sondern auch die Zeiten – der Western wie der Heimatfilm spielen in einer merkwürdig gegenwärtigen Vergangenheit oder in einer vergehenden Gegenwart. Zurück in die Zeit, als der Berg noch nationale wie subjektive »Identität« schuf, führt ein Film wie »Nordwand« (2008, Philipp Stölzl), der eine Freundschafts- und Liebesgeschichte aus dem Jahr 1936 erzählt, als wäre nichts geschehen.

»Nordwand« (2008)

Und der Berg birgt noch stets das Geheimnis, möglicherweise in Form eines »vergessenen« Tals, eines dunklen Shang-Ri-La, wo ein einzelner noch triumphieren kann. In »Das finstere Tal« kommt ein Fremder Ende des 19. Jahrhunderts auf einem Pferd und mit einem Maultier in ein abgelegenes Alpenhochtal, das von einer Großbauernfamilie beherrscht wird. Der Fremde bittet um Unterkunft und bezahlt dafür. Bei einer Witwe und ihrer Tochter, die vor der Heirat steht. Gegen das jus primae noctis der Tyrannen kann man sich kaum wehren, oder? Einmal hat sich eine Frau zur Wehr gesetzt. Und der Fremde ist natürlich niemand anderes als... Der Berg ist am Ende nicht nur Rückzugsgebiet der Outlaws, sondern auch schreckliches Exil. Der in Ungnade gefallene Don Camillo wird in seinem dritten Film in ein abgelegenes Bergdorf versetzt; der verbannte Lehrer in Francesco Rosis »Christus kam nur bis Eboli« (1979) erkennt den Mensch in den kargen Bergen, in »Den Menschen so fern« (2014, David Oelhoffen) ist es ein französischer Lehrer im Atlasgebirge zu Beginn des Algerienkriegs, dem dieser Ort der Verbannung auch zum Ort der Erkenntnis wird.

»Den Menschen so fern« (2014)

Aber es gibt keine Ruhe, keine Erkenntnis, keine Einsamkeit mehr am Berg. Machen wir uns nichts vor. Der Bergfilm 2015 steht im Zeichen der Kameradrohne. »Ganz neue Möglichkeiten«, jubeln die Aficionados. »Ganz neues Elend«, murmeln die anderen. Und doch vielleicht genau das Richtige zur Zeit: Der Bergfilm des Jahres 2015 benötigt kein menschliches Subjekt mehr. Zwischen digitalem Nachbau und maschinellem Überflug machen eigentlich nur noch Menschen Sinn, die Reklame für sich selbst sind. Seit Willy Bogners »Feuer und Eis« (1986) ist der Bergfilm Synonym für das »Event«. Kaum gestreift wird in »Everest« der absurde Massenandrang, der zum lebensgefährlichen Stau im Fels führt: Auch über 8000 Meter Höhe ist der Mensch vor allem von seinesgleichen bedroht. Der Berg kann dagegen nur seine stärkste Waffe einsetzen: die Gleichgültigkeit. Aber wie filmt man die Gleichgültigkeit des Berges?

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