Das kann sich doch keiner merken!

»Eyjafjallajökull - Der unaussprechliche Vulkanfilm« (2013)

»Eyjafjallajökull - Der unaussprechliche Vulkanfilm« (2013)

Schon lange vor der »Entdeckung der Unendlichkeit « wurde von den Leuten, die sich bei uns berufsmäßig Filmtitel ausdenken, die Umständlichkeit entdeckt. Gerade in den letzten Wochen aber machte sich ein Hang zu ellenlangen Titeln bemerkbar, die nicht nur die Layouter von Filmplakaten und gedruckten Kinoprogrammen vor ästhetische Herausforderungen stellen. Besonders die verwirrenden Bandwurmtitel von Comic- und Bestsellerverfilmungen, angeführt von »HERR DER RINGE« und »HARRY POTTER«, sind mit ihrer Synthese aus Denglisch und Pompös schon lange ein Graus. Okay, bei »DIE TRIBUTE VON PANEM: MOCKINGJAY – TEIL 1« musste der Buchtitel irgendwie verarbeitet werden. Doch schlicht durchnummerierte »AVENGERS«-Fortsetzungen wären viel eleganter als die Doppelpunktlösung: AGE OF ULTRON. Schon deshalb, weil sowieso nur Comicfans wissen, dass Ultron keine Staubsaugermarke ist.

Nun haben sich auch deutsche Arthousefilme vom Titelgeplapper der Multiplexkonkurrenz anstecken lassen. Die Eigenkreationen sind aber noch bräsiger. Da wird etwa der Dokumentarfilm »10 MILLIARDEN« mit dem fünfvorzwölflerisch-vergrämten Zusatz WIE WERDEN WIR ALLE SATT? versehen. »SILENTIUM« bekommt, von wegen Schweigen ist Gold, die Erklärbärzeile VOM LEBEN IM KLOSTER angehängt. »CAFÉ TA'AMON« wird pedantisch ergänzt durch KING GEORGE STREET, JERUSALEM. Bis(s) die Ohren bluten.

Schlimmer noch als die Satzzeichen-Inflation – bisheriger Tiefpunkt: »TOD DEN HIPPIES!! ES LEBE DER PUNK« – ist der Rückgriff auf die geschwätzigen Satzungetüme des Neuen Deutschen Kinos. »DORA ODER DIE SEXUELLEN NEUROSEN UNSERER ELTERN« und »HEDI SCHNEIDER STECKT FEST« sind das gefühlte Vinyl unter den Filmtiteln und erinnern unweigerlich an »JONAS, DER IM JAHR 2000 25 JAHRE ALT SEIN WIRD«, »DIE ARTISTEN IN DER ZIRKUSKUPPEL: RATLOS« und das bedrohlich Soziologische à la »LINA BRAAKE ODER DIE INTERESSEN DER BANK BLABLA«. Wie früher dürften die sperrigen Retro-Titel die effektivste Maßnahme zur Abschreckung des großen Publikums sein. Wer unter 50 ist und einen deutschen Film sehen will, wird lieber in »FACK JU GÖHTE 2« gehen. Gut, dass wir darüber gesprochen haben.

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