Marli Feldvoß

Marli Feldvoß ist Publizistin, Filmkritikerin und Lehrbeauftragte für Filmgeschichte. Aufgewachsen in Frankfurt am Main. Aus­bildung als Dolmetscherin und Übersetzerin für Englisch und Französisch (Frankfurt, London, Nizza); Studium der Germanistik, Romanistik, Filmwissenschaft (Frankfurt, Paris). Seit 1985 freie Autorin. Kritiken, Porträts, Essays über Film und Literatur für FAZ, Frankfurter Rundschau, NZZ, DIE ZEIT, epd Film u. a.; zahlreiche Buchbeiträge; Radio- und Fernsehsendungen für BR, DLR Köln, HR (»Kinostarts«), WDR (Begleitfilme »Agnès-Varda-Retrospektive«) u. a.

Quelle: Stroemfeld Verlag

Filmkritiken von Marli Feldvoß

Beliebig wie der Titel, der an den Vorgänger »Anything Else« erinnert, werden die Paare in »Whatever Works« von der Regie durcheinandergewirbelt, um sich ganz neu aufzustellen. Dagegen ist nichts zu sagen, nur Woody Allens neuer Hauptdarsteller, der Komiker Larry David, drängelt sich zu oft und zu aufdringlich vor die Kamera – erst im zweiten Teil zieht die Komödie richtig an: Dank an die Frauen
»Helen« ist die Geschichte einer Depression, die von Anfang bis Ende geschildert wird, aber trotzdem nicht so richtig in die Tiefen der betroffenen Personen vorzudringen versteht. Viel mehr als eine Fallstudie ist es deshalb nicht geworden
Mit großem Aufwand wurde ein Stück chinesischer Geschichte verfilmt und bleibt doch nur ein Bilderbogen, dem es weniger auf die Wahrheit der Figuren, sondern auf asiatisches Kolorit und eine Portion Action ankommt
Die detailgetreue Nachinszenierung des »festival of love« ist ein Meisterstück von Ang Lee. Angesichts des Schlachtfelds am Schluss wird ohne weitere Erklärung klar: hier geht eine Ära zu Ende – danach kommt die totale Kommerzialisierung der Popmusik. Vor dieser Kulisse schmeckt jede Schlammschlacht wie Sahnetorte
Vielleicht hatte Zabou Breitman mit ihrer Liebesgeschichte so etwas wie »In the Mood for Love« im Sinn. Mit Daniel Auteuil und Marie-Josée Croze hat sie die richtigen Schauspieler an Bord, nur fehlen ihrer Reise auf den Spuren einer großen Liebe Rhythmus, Charme und ein überzeugendes Erzählkonzept: »Ich habe sie geliebt«
François Ozon fährt schwere soziale Geschütze auf und vertraut auf das Wunder, das uns alle besänftigen soll: ein Wonnebrocken von Baby, das auch noch fliegen kann. So vergnüglich der Film »Ricky« ist, Sozialdrama und Fantasy wollen nicht so recht zu einer geschlossenen Erzählung zusammenwachsen
Paolo Sorrentinos »Il Divo« ist für ein italienisches Publikum gedreht, aber auch als Outsider kann man sich dem Strudel der Verwicklungen italienischer Politikgeschichte nicht entziehen
Die mittlerweile fünfte Verfilmung von Theodor Fontanes »Effi Briest« tritt gegenüber ihren Vorgängern mit einer halbherzigen Modernisierung der Effi-Figur auf, die mit den »Hilfskonstruktionen« Fontanes nichts mehr zu tun haben will, sondern sich für ein selbstbestimmtes Leben (gegen Entsagung und Hinsiechen im Roman) entscheidet. Überzeugen kann diese willkürliche Wandlung nicht, weil ihr das Stützkorsett einer plausiblen Filmerzählung und die notwendige Charaktertiefe der dazugehörigen Filmpartner fehlen
Der hierzulande weniger bekannten Herzogin von Devonshire wird mit dem Film zwar ein Denkmal gesetzt, genauere historische Zusammenhänge treten jedoch hinter den Tändeleien der höfischen Gesellschaft zurück. Keira Knightley ist der etwas puppenhafte, dennoch strahlende Mittelpunkt des Films, verblasst aber neben dem nuancenreichen Auftritt von Ralph Fiennes. Als Ausstattungsfilm fraglos opulent und überzeugend
Gus Van Sant hat einen Film für alle gedreht, in dem der unvergleichliche Sean Penn sich in Harvey Milk verwandelt, der nicht mehr Bürger zweiter Klasse sein wollte und deshalb seine Leidenschaft für die Politik entdeckte. »Milk« ist alles auf einmal: eine vielschichtige und penibel recherchierte Lektion in Geschichte, die dem damals wütenden »Kulturkampf« gegen die Schwulen Rechnung trägt, aber auch ein ganz persönliches Plädoyer für eine charismatische Persönlichkeit