Gerhard Midding

Gerhard Midding ist freier Autor für Tageszeitungen (Berliner Zeitung, Die Welt), Zeitschriften (epd Film, filmbulletin) sowie Radio-(rbb Kulturradio) und Fernsehsender (3sat). 

Filmkritiken von Gerhard Midding

Das Porträt des Künstlers als junger Mann? Steven Spielbergs semi-autobiographischer Film ist nicht nur das, sondern auch eine Liebeserklärung an seine Eltern und sein eigenes Medium. Die sentimentale Reise in die Vergangenheit ist vieldeutig inszeniert und einnehmend gespielt (Michelle Williams verkörpert die Mutter hinreißend). Zum guten Schluss erteilt David Lynch als knurriger Altmeister John Ford dem angehenden Hollywoodregisseur eine Lektion, die unvergesslich ist.
Hirozaku Kore-edas neuer Film beginnt, wie sein Cannes-Sieger »Shoplifters«, mit der Aussetzung eines Kindes. Auch diesmal ist die kriminelle Energie einer Familienbande immens, aber nicht unerschöpflich. Eine verzweifelte Mutter und zwei Babyhändler machen gemeinsame Sache in einem tragikomischen Roadmovie, dessen das Ziel, moralisch wie sentimental, eigentlich feststeht. Aber was auf dem Weg dorthin geschieht, wirkt selten vorhersehbar.
Ein Problemfall für die chinesische Zensur, aber ein Glücksfall für Kinogänger. Li Ruijun erzählt, wie aus einer arrangierten Ehe eine bäuerliche Liebesgemeinschaft und eine sachte Utopie von Selbstbestimmung wird. Sein zutiefst lyrischer Film findet Schönheit in der kargen Landschaft und Magie in nebensächlichsten Alltagsdetails. Sechs Saatkörner, auf einen Handrücken gelegt, können sich in eine Blume verwandeln, wenn man die Welt mit den Augen dieses Regisseurs betrachtet.
Ein erfahrener Kommissar erliegt der Faszination einer rätselhaften Mordverdächtigen und droht, in einem Gespinst aus Augentrug und Manipulation verloren zu gehen. Dieser Plot mag zum Grundbestand des Film noir gehören, aber Park Chan-wook unterläuft dessen Konventionen so raffiniert und mit solch lyrischem Argwohn, dass daraus ein Meisterstück der Ambiguität entsteht. In Cannes wurde der Südkoreaner mit dem Regiepreis ausgezeichnet. Ein Preis für seine Co-Autorin Chung Seo-kung wäre ebenso verdient gewesen.
Mit parteiischer Geduld erzählt Emmanuel Gras' Dokumentarfilm von den Wintermonaten 2018, als die gilets jaunes den Kampf um den öffentlichen Raum und gegen die Regierung Marcon antraten. Die Hymne an Engagement und Solidarität überzeugt vor allem dank einnehmender ProtagonistInnen.
Das Regiegespann Felix von Groeningen und Charlotte Vandermeersch (»The Broken Circle«) konzentriert sich weniger auf die Schauwerte der Bergkulisse, sondern auf die Chronik einer einzigartigen Freundschaft, die tief im Aostatal verwurzelt ist. Der Titel bezieht sich auf eine Parabel über die Weisheit, die in der Bodenständigkeit wie der Entdeckerfreude liegt.
Emmanuel Courcols Komödie beruht auf einer wahren Begebenheit. Ein schwedischer Schauspieler unterrichtete fünf Häftlinge, um mit ihnen »Warten auf Godot« aufzuführen. Kad Merad spielt die Mentorenrolle mit fiebrigem Elan, seine fünf Partner legen sich temperamentvoll ins Zeug Ein einnehmender Gefängnis- und ein mitreißender Theaterfilm.
Das Regiegespann Amandine Fredon und Benjamin Massoubre erweist der berühmten Zeichenfigur sowie ihren Erfindern Jean-Jacques Sempé und René Goscinny eine heitere Hommage. Ihr Animationsfilm verstrickt sie in einen lebhaft vielschichtigen Dialog: eine zauberhafte Reflexion über die Begeisterung. Der kleine Nick würde zweifellos »Prima!« rufen, wenn er sie sehen könnte.
Im Dokumentarfilm von Giuseppe Tornatore legt der berühmte Komponist Rechenschaft ab über sein Leben und Schaffen, so nachdenklich, konzentriert und selbstbewusst, dass selbst Momente des Schweigens beredt sind.
Die irrlichternde Kinodebüt des Comichelden markiert künstlerisch eine dunkle Stunde im DC-Universum. Aber sein verblüffend robustes Einspielergebnis lässt vermuten, dass die in der Postcredit-Sequenz annoncierte Fortsetzung keine leere Drohung bleibt.