Interview mit M. Night Shyamalan über seinen Film »The Visit«

"Verraten Sie dem Zuschauer nichts!"
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Regisseur »M. Night Shyamalan«

Interview mit M. Night Shyamalan über seinen Film »The Visit«

Mr. Shyamalan, »The Visit« wird angekündigt als ein »Zurück zu den Wurzeln«. Hat das nur mit der langen Zeit zu tun, die es dauern kann, bis ein Projekt als Studio-Film grünes Licht bekommt?

Das hat mit der Geschichte zu tun. Wenn ich eine Originalidee umsetzen möchte, gibt es dafür im Allgemeinen ein schlüssiges Konzept, hier war das eben ein ganz kleiner Film, den ich fernab Hollywoods drehte. Und das mit einem bestimmten visuellen Konzept, nämlich die ganze Geschichte durch die Videokamera der Protagonistin Becca zu erzählen. Ich habe in den letzten Jahren einige neue Dinge probiert, zuerst eine Fernsehserie, hier jetzt einen unabhängigen Film.

Wenn man Ihre früheren Filme kennt, fragt man sich beim Ansehen von »The Visit« natürlich, ob es irgendwann eine Erklärung der nicht-rationalen Art geben wird…

Vampire! Hexen! Teufelsanbeter! Verraten Sie dem Zuschauer bitte nichts! Die Auflösung war mir von vornherein klar, denn ich schreibe zuerst die Figuren.

Sie fangen nicht mit dem plot twist an?

Die meisten Filme enthüllen im Verlauf ihrer Geschichte eine Überraschung, das liegt in der Natur des Geschichtenerzählens. Aber ich gehe von den Figuren aus. Ich muss Ihnen nicht gleich alles über sie enthüllen - das wird dann später geschehen.

Sie haben lange nicht mehr mit einem so niedrigen Budget gearbeitet…

Ich wusste vorher, auf was ich dabei verzichten würde. Die Fernsehserie hat mir dabei sehr geholfen, denn dabei arbeitet man viel schneller und billiger. Hier wusste ich vorher: ich würde keine bekannten Darsteller haben, keinen Kamerakran, keine Trailer für die Schauspieler. Aber wenn die Geschichte so intim ist, ist es leichter, darauf zu verzichten. Lassen Sie mich Ihnen ein Beispiel geben. Bei »Wayward Pines«, der Fernsehserie, gab es keine Videoausspielung, wo man sich auf einem Monitor die Takes ansieht und dann entscheidet, ob man noch einen weiteren benötigt. Um das anzusehen, versammelt sich immer ein Großteil der Crew vor dem Monitor und jeder gibt seinen Senf dazu. Das hält ziemlich auf. Durch den Verzicht darauf konnte ich mich ganz auf die Schauspieler konzentrieren. Das schuf eine große Nähe und Vertrautheit. Wenn ich mich von ihnen entferne, schalten sie ihre Energie ein Stück weit herunter, ebenso das Team. Und wenn das nach jeder Einstellung passiert, dann macht das am Ende eine ganze Mange Zeit aus. Insofern war diese Beschränkung eindeutig ein Vorteil.

Wo und wie haben Sie mit den fünf Hauptdarstellern gearbeitet? Separat mit den beiden Geschwistern und dem alten Ehepaar? On location oder vorab im Studio?

Ein Studio gab es bei diesem Film nicht. Wir hatten den Vorteil, sechs Monate lang auf das Farmhaus zurückgreifen zu können. Das gehörte in Folge der Finanzkrise einer Bank. Ich zahlte ihr Miete für sechs Monate, das bedeutete, ich hatte es zur Verfügung lange vor Drehbeginn. Ich konnte darin herumgehen und mir die Einstellungen überlegen, später dort proben. Das war gut für beide Gruppen, die Darsteller der Großeltern hatten Theatererfahrung, die Kinder waren eher Neulinge.

Die Großmutter sagt einmal, ältere Menschen hätten manchmal Probleme mit ihren Körperfunktionen. Das scheint mir ein besonderer Aspekt des Films zu sein, der mich manchmal an David Cronenbergs »Die Fliege« erinnerte.

In der Tat ist die Angst vor dem Altwerden ein zentraler Aspekt des Films. Der körperliche Verfall, der sich vor Deinen Augen vollzieht, hinterlässt einen starken Eindruck. Verknüpft mit dem geistigen Verfall ist das etwas, wovon wir nicht gerne sprechen, ein gesellschaftliches Tabu. So bekommen wir auch schon einen Schock, wenn wir eine alte Dame nachts auf dem Flur sehen, die sich merkwürdig verhält.

Wie reagiert das Publikum darauf – mit betretenem Schweigen?

Oh nein! Wenn Sie den Film mit Publikum sehen, gibt es kein Schweigen - das Publikum kommentiert alles lautstark.

Sie haben den in diesem Genre sehr versierten Produzenten Jason Blum erst kontaktiert, als Sie den Film fertig gestellt hatten. Was hat er dazu beigetragen?

Er kam zu den letzten Preview-Vorführungen mit und machte einige Detailanmerkungen. Was ich von einem Produzenten erwarte, ist, dass er mir vertraut, dass er sagt, ich weiß, was Du erreichen willst, ich habe keine Antworten, aber vielleicht hörst Du Dir das und das an. Dann unterstütze ich Deine Vision und verteidige sie gegenüber allen anderen. Jason hat keine Regieambitionen, das ist wichtig.

Können Sie schon sagen, wie sehr die Erfahrung dieses Films Ihren nächsten beeinflussen wird?

Es wird wiederum ein Film mit kleinem Budget, ein Thriller, der allerdings auf klassische Weise erzählt wird.

... zur Filmkritik: »The Visit«

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