Kritik zu Mama

© Universal Pictures

Der Horror kreist in diesem von Guillermo del Toro mitproduzierten Thriller um zwei verwahrloste Mädchen, die bei ihrem Onkel und dessen Freundin wieder Familienleben lernen sollen

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Mütter können besitzergreifend sein, bis über den Tod hinaus. Von einer solch fehlgeleiteten Liebe erzählen Andres und Barbara Muschietti in ihrem Film. Die beiden Spanier formulieren in ihrem Horrorthriller eine zeitgemäße Hypothese über pathologische mütterliche Anhänglichkeit. Männer haben in Mama nicht viel zu melden. Ein gescheiterter Börsenmakler (Nikolaj Coster-Waldau), der alles verzockt und bereits seine Frau erschossen hat, befindet sich gleich zu Beginn kopflos und panikartig auf der Flucht. Auf der Rückbank seiner Limousine sitzen bibbernd seine beiden kleinen Töchter Lilly und Victoria, die der Feigling mit in den Tod reißen will. Doch in einer abgelegenen Waldhütte, in die er sich nach überstandenem Unfall rettet, hält ihn etwas Unerklärliches und Furchterregendes davon ab, seine beiden Mädchen zu erschießen: Für ein Debüt ist dieses verstörende Intro erstaunlich stilsicher und routiniert inszeniert. Und der Film hält noch mehrere Überraschungen parat.

Erst fünf Jahre später werden die verwahrlosten Kinder entdeckt. Die beiden sprachunfähigen Mädchen geben Zischlaute von sich und verhalten sich wie wilde Tiere. Erinnerungen an Wolfskinder werden wach. Wie konnten die beiden so lange alleine überleben? Lucas (Nikolaj Coster-Waldau), der fürsorgliche Bruder des Börsenzockers, will sich seiner Nichten annehmen und sie in ein geordnetes Leben zurückführen. Guter Wille allein reicht aber nicht, denn der erfolglose Künstler ist mittellos, und seine Freundin Annabel (Jessica Chastain), Bassistin in einer angesagten Rockband, hat keinen gesteigerten Kinderwunsch.

Überraschend erhalten die beiden die Möglichkeit, mit den beiden traumatisierten Geschöpfen eine ideale Kleinfamilie in einem ansehnlichen Bilderbucheigenheim zu bilden. Finanziert wird das Experiment von einem ehrgeizigen Psychologen, Dr. Dreyfuss (Daniel Kash), der als Gegenleistung die Entwicklung der traumatisierten Mädchen wissenschaftlich erforschen will. Aus dieser Idee, die einen gewissen Cronenberg-Touch hat, macht der Film leider zu wenig. Es gibt überhaupt einige Ungereimtheiten, über die man aber hinwegsieht, denn die Stärken dieses Gruselthrillers liegen nicht in der vergleichsweise konventionellen Geschichte.

Das Grauen, dessen Präsenz sich meist durch suggestive Kameraperspektiven und anschwellende Musik ankündigt, wird in Mama humorvoll aus Kindersicht eingeführt. Durch diese spielerische Tonlage entsteht eine Schaueratmosphäre, in der die traditionelle Rollenverteilung sich umkehrt: Nicht Kinder, sondern Erwachsene haben in diesem Film Angst vor dem, was unter dem Bett ist. Die Situation spitzt sich zu, nachdem die restlichen beiden Männer von der Bildfläche verschwinden. Frauen sind dann unter sich in diesem Mutter-Labor, in dem die sehenswerte Jessica Chastain als Grufti-Schlampe die eigentlich verhasste Rolle einer fürsorglichen und verantwortungsbewussten Mama immer besser ausfüllt. Durch diesen Sinneswandel, der aber nicht dogmatisch im Sinne eines konservativen Frauenbildes vermittelt wird, entstehen erst die eigentlichen Probleme: Die beiden verstörten Kinder haben nämlich schon eine Mama. Und die ist extrem eifersüchtig.

Der emotionale Terror überzeugt dank seiner gelungenen visuellen Gestaltung. Die gruselige Optik des morbiden Muttermonsters prägten die Muschiettis schon in ihrem dreiminütigen Kurzfilm von 2008, der Guillermo del Toro so sehr begeisterte, dass er die Spielfilmfassung produzierte. Nicht zufällig erinnert die Spukgestalt ein wenig an die humanoiden Insekten aus del Toros Horrorfilm- Erfolg Mimic.

Die insektenhafte Anmutung verbreitet auch in Mama ein beinahe körperlich spürbares Unbehagen. Durch die Kombination von digitalen und handgemachten Spezialeffekten entsteht eine morbide Spukgestalt, die mit ihren spinnenartigen, anatomisch unmöglichen Verrenkungen auch an die verbogenen Frauenkörper erinnert, die Ende des 19. Jahrhunderts in der Pariser Klinik des Psychiaters Jean-Martin Charcot auf Kommando hysterische Anfälle produzierten. Mit seinem etwas dick aufgetragenen Finale spekuliert der Film auf ein breiteres Kinopublikum.

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