Kritik zu La La Land

© Studiocanal

2016
Original-Titel: 
La La Land
Filmstart in Deutschland: 
12.01.2017
Sch: 
L: 
128 Min
FSK: 
keine Beschränkung

Augen- und Ohrenschmaus: Damien Chazelle lässt auf seinen harschen Erfolgsfilm »Whiplash« ein melancholisch-sanftes Musical folgen, das in Breitwand und leuchtenden Farben nostalgisch an eine andere Ära erinnert und zugleich modern vom heutigen L. A. erzählt

Bewertung: 5
Leserbewertung
5
5 (Stimmen: 1)

Was für eine Chuzpe! Ein märchenhaftes Musical ganz dreist »La La Land« zu nennen, als handele es sich um etwas, das überhaupt nicht ernst zu nehmen wäre. Schon irre, wie es Damien Chazelle hier gelingt, das klassische Musical aus vollem Herzen, ohne ironische Brechung zu zelebrieren und ihm zugleich einen modernen Twist zu geben. Wie bereits Chazelles furioser Regieerfolg »Whiplash« ist nun auch der Folgefilm von der Liebe zur Musik getragen. Da ist zunächst mal Sebastian (Ryan Gosling), dessen große Leidenschaft dem Jazz gilt, weshalb er es hasst, dass die klassische Jazzbar in seiner Nachbarschaft in einen Samba-Tapas-Joint verwandelt wurde. Nun ist er fest entschlossen, dort eine eigene Bar aufzumachen, spielt übergangsweise aber in einem Restaurant, dessen Besitzer ihm mit Entlassung droht, sollten sich seine Finger in Freejazz-Tonfolgen verirren. Es ist natürlich kein Zufall, dass der Mann, der hier den Träumen im Weg steht, von J. K. Simmons gespielt wird, der als rigider Schlagzeug­lehrer in »Whiplash« einen Oscar geholt hat.

Und dann ist da noch Mia, die als Kellnerin jobbt, während sie seit sechs Jahren wie so viele andere hier in L. A. an ihrem Traum einer Karriere als Schauspielerin arbeitet, in zahllosen, demütigenden Auditions, in denen sie sich vor unaufmerksamen Juroren die Seele aus dem Leib spielt. Und weil diese Mia von Emma Stone gespielt wird, ist es für die Zuschauer im Kinoraum offensichtlich, wie verdammt gut sie ist. En passant erzählt Chazelle also auch von unserer flüchtigen, oberflächlichen Zeit mit ihren vielen, nichtigen Ablenkungen von den wirklich wichtigen Dingen.

Sebastian und Mia begegnen sich gleich am Anfang des Films in einer furiosen Musicalszene, mitten in den stauverstopften Autobahnschlingen von Los Angeles. Alles steht, doch der Film kommt in Bewegung, überall öffnen sich Autotüren, nach und nach steigen die Wartenden aus, tanzen über die Autos und singen aus vollem Hals. In den 50er Jahren hätte man so eine Szene im Studio gedreht, hier spielt sie mitten in der Wirklichkeit, auf einem kurzzeitig gesperrten Autobahnstück. Unablässig spielt Chazelle mit dem Anachronismus zwischen dem klassischen Musical und dem harten Alltag.

Diese erste Begegnung auf dem Highway zwischen Ryan Gosling und Emma Stone, die in »Crazy Stupid Love« ein grandioses Liebespaar waren, ist alles andere als romantisch. Als es endlich wieder losgeht im Stau, ist sie noch mit dem Lernen ihres Textes beschäftigt, und er schert ungehalten aus, um schimpfend und kopfschüttelnd an ihr vorbeizubrausen, im einzigen »Vintage Car« in der Blechlawine charakterlos moderner Autos. Noch zwei weitere missglückte Male müssen sich die beiden begegnen, bis ihre Liebe in einer modernen Version einer Fred-Astaire- und Ginger-Rogers-Musicalnummer vor der glitzernden Kulisse von Los Angeles wirklich abheben kann.

Im Rhythmus der Jahreszeiten beginnen sie dann ein gemeinsames Leben und unterstützen sich gegenseitig bei der Verwirklichung ihrer Träume. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann leben sie noch heute? Nein, auch wenn sich die Kamera immer wieder von den Kompositionen von Chazelles musikalischem Sidekick Justin Hurwitz zum schwerelosen Träumen verführen lässt, wird hier kein Märchen erzählt, sondern eine ganz reale Liebesgeschichte mit all ihren schmerzlichen Widrigkeiten, mit all den blöden Zufällen und dummen Missverständnissen, die ihr in die Quere kommen können. Dabei berührt der Film eine so schmerzliche Tiefe, dass er an Gaspar Noés »Irréversible« und Stanley Kubricks »Eyes Wide Shut« erinnert. Und so wie Tom Tykwer in »Lola rennt« fragt auch Damien Chazelle, ob alles anders hätte kommen können, wäre nur eine einzige Begegnung anders gelaufen. Doch das ist dann wieder reines Kino, das sich einfach mal für ein paar Minuten ganz dem Traum verschreiben kann.

Meinung zum Thema

Kommentare

Tut mir leid, die einzigen Musicalfilme, die mich begeistert haben, waren "Cabaret" (einsame Spitze!) und "Evita", ansonsten, besonders auch hier, fand ich die wenig inspirierte Singerei und das langweilige Gehopse immer für den Kern der Handlung entbehrlich. Mir hat's nach einer halben Stunde gereicht. Als Drama wäre es vielleicht nett gewesen.

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