Interview mit Richard Eyre über seinen Film »Kindeswohl«

Richard Eyre

Richard Eyre

Richard Eyre In seiner Heimat Großbritannien gilt er als einer der wichtigsten Theater­regisseure der Gegenwart. Obwohl er seit den frühen 80er Jahren auch Filme macht, kam er im Kino erst mit seinem bewegenden Biopic »Iris« (2001) groß heraus. Judi Dench erhielt eine Oscar-Nominierung für ihre Verkörperung der Dichterin Iris Murdoch genauso wie fünf Jahre später in Richard Eyres Verfilmung von Zoë Hellers Roman »Tagebuch eines Skandals«

epd Film: Mr. Eyre, Ihr neuer Film »Kindeswohl« ist eine Adaption des Romans von Ian McEwan. Sie beide verbindet eine lange Geschichte

Richard Eyre: Das kann man wohl sagen. Wir trafen uns 1978 zum ersten Mal. Ich fand ihn als Autor interessant und beauftragte ihn, für die BBC-Reihe »Play for the Day« ein Drehbuch zu schreiben. Das war »The Imitation Game«, über Alan Turing, meine erste Inszenierung jenseits des Theaters. So wurden wir Freunde ...

... die auch immer mal wieder miteinander arbeiten.

Genau. In den 80er Jahren kollaborierten wir bei meinem ersten Kinofilm »The Ploughman’s Lunch«, für den er das Drehbuch schrieb. Und später war ich auch in die Verfilmung von »Abbitte« involviert.

War es McEwans Wunsch, dass Sie sich »Kindeswohl« vornehmen?

Schon während er den Roman schrieb, vor circa sechs Jahren also, erzählte er mir davon. Als er mir das Manuskript schließlich schickte, hatte ich Angst, dass ich vielleicht nichts würde damit anfangen können. Doch siehe da: Ich war begeistert – und so machten wir uns daran, ein Drehbuch zu schreiben. Je weiter wir vorankamen, desto klarer wurde uns, dass es nur eine einzige Person gab, die die Hauptrolle würde spielen können: Emma Thompson.

Brauchte es viel Überzeugungsarbeit, um sie für die Rolle zu gewinnen?

Zum Glück nicht, denn ich bin relativ überzeugt davon, dass wir den Film ohne sie nicht gedreht hätten. Emma Thompson hatte zunächst die nicht unberechtigte Sorge, dass der Film im Ton etwas monoton werden könne. Und leicht klaustrophobisch. Darüber haben wir zu dritt viel diskutiert und dann auch etliche Änderungen am Drehbuch vorgenommen. Mit ihr an Bord sowie dem wunderbaren Fionn Whitehead, den ich entdeckte, kurz bevor er »Dunkirk« drehte, konnte eigentlich nichts mehr schief gehen.

Thompson spielt eine Familienrichterin. Nahmen Sie diesen Berufsstand auch selbst unter die Lupe?

Emma und ich verbrachten viel Zeit beim Familiengericht. Ich war so oft an den Royal Courts of Justice, dass ich mich dort heute hinsetzen und recht passabel einen Richter abgeben könnte. Was wir dort erlebt haben, hat mich wirklich sehr beeindruckt. Denn egal, wer vor ihnen steht: Man kann davon ausgehen, dass deren Leben sich in echtem, emotionalen Chaos befindet. Ganz gleich, ob es um eine Scheidung geht oder um Kindesmissbrauch oder um eine Frage von Leben und Tod, wenn etwa siamesische Zwillinge getrennt werden müssen – diejenigen, die darüber entscheiden, müssen sachlich abwägen, können sich aber noch weniger als an anderen Gerichten davon freimachen, um was für Schicksale es hier geht.

Ihr letzter Kinofilm »The Other Man« ist zehn Jahre her. Haben Sie sich in den vergangenen Jahren bewusst auf Bühnen- und Fernseharbeiten konzentriert?

Natürlich werden mir hin und wieder Filme angeboten, aber ich frage mich dann oft, ob ich mit meinen 75 Jahren wirklich ein ganzes Jahr mit diesem oder jenem Projekt zubringen will. Die Sachen, denen ich mich zuletzt gewidmet habe, waren – jenseits von Kindeswohl – deutlich weniger zeitraubend. Opern-Inszenierungen für die Met in New York zum Beispiel. Oder kürzlich »King Lear« mit Emma und Anthony Hopkins, Emily Watson und Jim Broadbent für die BBC und Amazon. Tolle, über die Maßen erfüllende Projekte, die aber weniger an meinen Kräften zehrten als ein Kinofilm es tut.

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