Interview mit Produzent Ulrich Limmer zu »Nebel im August«

Wir wollten nicht auf die Tränendrüse drücken
Ulrich Limmer. Foto: Robert Pupeter/HFF München

Ulrich Limmer. Foto: Robert Pupeter/HFF München

Herr Limmer, Sie haben gesagt, »Nebel im August« sei »der herausforderndste, teuerste und schwierigste Film, den wir mit der collina filmproduktion je gemacht haben.« Stieß die Thematik bei Förderern, Koproduzenten und Sendeanstalten eher auf Zurückhaltung oder auf Zustimmung? Gab es bei der Finanzierung eine Initialzündung?

Jeder Leser des Drehbuches der Sendeanstalten und Verleiher war von ihm und dem Projekt zunächst sehr beeindruckt. Aber die Zurückhaltung, hier Geld zu investieren, war sehr hoch. Der meistgehörte Spruch war: »Den Film musst Du unbedingt machen – aber nicht mit unserem Geld!«. Auch das Argument, dass man sich nicht an einem »weiteren Nazifilm« beteiligen will, war zu hören. Abgesehen davon, dass es sich bei unserer Geschichte nicht um einen »Nazifilm« handelt, konnte ich diese finanziell motivierte Zurückhaltung teilweise nachvollziehen in einer Kinolandschaft, in der sich auch mancher Mainstreamfilm schwer tut. Andererseits war ich immer von dem Projekt völlig überzeugt, und es stellte sich mir nie die Frage, den Film aufzugeben. Das kostet natürlich Kraft, wenn sich die Entwicklung letztendlich über acht Jahre hinzieht. Als Caroline von Senden und Reinhold Elschot fürs ZDF zugesagt haben und Studiocanal eingestiegen ist, hat sich das Blatt gewendet, und ich bin beiden Initiativpartner unendlich dankbar für ihren Mut und ihren Glauben an den Film. Es kamen dann glücklicherweise noch weitere Partner ins Boot, weil der Film nun doch schon sehr aufwändig ist. Natürlich war auch die Zusage von Sebastian Koch sehr hilfreich, der dann in der Erarbeitung seiner Figur sehr wichtige Akzente gesetzt hat.

Haben Sie je erwogen, den Stoff als Fernsehproduktion zu machen?

Nein, aus verschiedenen Gründen: der Stoff hat absolute Kinogröße, inhaltlich, bildlich, emotional. Und es war immer klar, dass wir der Wirklichkeit gegenüber sehr verpflichtet sind, was bedeutet, dass wir in Ausstattung und Besetzung (nicht zuletzt auch in der Menge der Komparsen) authentisch sein müssen. Das kann man mit einem Fernsehspieletat nicht leisten.

Welche Schwierigkeiten gab es in der Stoffentwicklung? Wie früh kam etwa die Entscheidung, sich auf einen bestimmten Zeitraum der Geschichte Ernst Lossas zu beschränken?

Es war von Anfang an klar, dass wir uns ausschließlich auf die Zeit konzentrieren werden, in der Ernst Lossa in der Nervenheilanstalt unterbracht war. Es war ein langer gemeinsamer Weg mit Drehbuchautor Holger Karsten Schmidt, die Geschichte einerseits authentisch und andererseits dramatisch genug aufzubauen. Und ich finde, dass Holger hier eine großartige Balance gelungen ist. Ich kannte ihn noch als Student aus meiner Zeit als Drehbuchdozent in Ludwigsburg, kannte sein großes Talent und wusste, dass er ein Autor ist, der geradezu allergisch auf Sentimentalität reagiert. Unter anderem diese Eigenschaft hat ihn als Drehbuchautor für den Film prädestiniert, denn wenn man hier im Drehbuch auf die Tränendrüse gedrückt hätte, wäre der ganze Film verdorben gewesen. Die Ungeheuerlichkeit der Geschichte spricht für sich. Das gleiche wäre übrigens auch passiert, wenn die Musik zu dick aufgetragen wäre. Aber Martin Todsharow hat eine ganz wunderbar dezente Musik komponiert.

Kai Wessel hat gesagt, »Wir wollen erreichen, dass 16jährige sich unserem Thema stellen«. War das von Anfang an auch das Konzept von Ihnen und Holger Karsten Schmidt? Wie schwierig war die Balance zwischen Emotion und Information?

Das Thema geht weit über die Verbrechen der Nazizeit hinaus. Der Film stellt im Grunde die Frage, ob es gelingen kann in einem menschenverachtenden System seine individuelle Menschlichkeit zu bewahren. Ein Junge, dem jede soziale Kompetenz qua Herkunft abgesprochen wird, zeigt mehr Moral als die Welt, die ihn umgibt. Dieses zeitlose Thema gewinnt ja gerade in den letzten Jahren einer brisanten politischen Entwicklung an Bedeutung. Die Erfahrungen von Robert Domes, der schon über hundert Schullesungen mit seinem Buch gemacht hat, zeigen, wie interessiert junge Menschen an dem Thema sind. Wir werden das in Kinoschulvorführungen wieder erleben. Kai Wessel und ich waren gerade mit dem Film auf dem Festival in Giffoni, wo Hunderte von Jugendlichen den Film gefeiert und mit uns diskutiert haben. Junge Menschen werden sich für diesen Film interessieren – und das war auch immer unsere Absicht.

Die Balance zwischen Emotion und Information zu finden, ist gerade bei einem historischen Stoff, bei dem man nicht alle Hintergrundinformationen beim Zuschauer voraussetzen darf, keine einfache Angelegenheit. Es ging auch darum, die historischen Hintergründe nicht zu verbiegen, nur um der Dramaturgie Genüge zu tun. Die beste Methode, Information unterzubringen, ist es, sie mit Emotionen einer Figur zu verbinden. Als gelungenes, weil erschreckendes Beispiel sei hier der immense Stolz genannt, mit dem Dr. Veithausen vernimmt, dass seine tödliche Entzugskost nun im ganzen Reich eingesetzt wird. 

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