Interview mit Norbert Lechner über seinen Film »Ente gut! Mädchen allein zu Haus«

Interview mit Norbert Lechner

Foto: Norbert Lechner

Frank Arnold sprach mit dem Regisseur über seinen neuen Film, die Initiative »Der besondere Kinderfilm« und seine weiteren Projekte

Herr Lechner, wie ist dieses Projekt entstanden?

Als die Ausschreibung im Rahmen der Initiative ‚Der besondere Kinderfilm’ kam, habe ich bei verschiedenen Autoren, von denen ich wusste, dass sie kinderfilmaffin sind, angefragt, ob sie irgendetwas in der Schublade hätten. Katrin Milhahn (die vor einigen Jahren das Drehbuch für den tollen Kinderfilm »Mondscheinkinder« geschrieben hat) und Antonia Rothe-Liermann kannte ich schon von früher, denn wir hatten einmal ein gemeinsames Projekt (allerdings kein Kinderfilm), das dann nicht weiterging. Die beiden haben mir dann ein Exposé mit der ersten Idee geschickt. Die ursprüngliche Geschichte kam von Antonia, denn deren Großmutter war früher Lehrerin und macht jetzt im Ruhestand Deutschkurse für Kinder, deren Eltern nicht gut Deutsch sprechen. Dadurch kannte sie viele vietnamesische Kinder, und Antonia hat so die Geschichten vieler vietnamesischer Familien kennen gelernt.

Wie schwierig waren die Recherchen in der vietnamesischen Community?

Das war nicht ganz ohne. Die Autorinnen hatten schon vorrecherchiert und meinten, das müsse man wie ein rohes Ei behandeln. Viele Vietnamesen leben sehr abgeschottet. Ich habe dann zunächst einmal über eine Vietnamesin, die in der Filmbranche ist, mit deren Tante sprechen können und dadurch Einblicke gewonnen. Die lebt seit mittlerweile 25 Jahren in Deutschland, spricht aber kein Wort Deutsch, die Tochter musste immer dolmetschen. Für den Dreh habe ich dann in München den Regie-Kollegen Phuong La Van gefunden, der vietnamesischer Abstammung ist. Er hat die ganze Produktion begleitet, das war auch wichtig wegen der erwachsenen vietnamesischen Schauspieler, die weder Deutsch noch Englisch sprachen.

War es ein Problem, dass Sie im Film ja auch die etwas mafiösen Strukturen bei den Vietnamesen ansprechen – der Pate, der sein Geld kassiert, dafür aber auch eine beschützende Funktion ausübt?

Es ist ja so, dass nur Pauline ihn in ihrer "Spionagewelt" Herrn Duong als Paten einordnet, er ist in Wirklichkeit kein "Mafiaboss", sondern das Oberhaupt der vietnamesischen Community, der den Imbiss an die Familie Thuy verpachtet hat und von der Familie monatlich in bar die Pacht bekommt. Es war für mich eine interessante Erfahrung, dass Vietnamesen alles in bar bezahlen, der bargeldlose Geldverkehr ist ihnen eher fremd. Und wenn Linh gegenüber Pauline über das angebliche "Schutzgeld" spricht, ist das ja nur eine Flause, um sich gegenüber der frechen Pauline mehr Respekt zu verschaffen. Es gab aber schon Diskussionen, etwa mit der Mutter einer unserer vietnamesischen Kinderdarstellerinnen, über die Darstellung der Vietnamesen im Film. Wir haben dabei einige ihrer Einwände aufgegriffen. Ursprünglich war es so, dass der deutsche Mann die Vaterschaft gegen Geld anerkannt hat – jetzt ist die Backstory der Figur, die von Andreas Schmidt gespielt wird, eine zurückliegende kurze Liebesbeziehung mit der vietnamesischen Mutter. Deswegen hat er in der jetzigen Fassung die Vaterschaft anerkannt. Das gibt dem Ganzen eine viel stärkere emotionale Ebene.

Sie haben diesmal zum ersten Mal mit zwei Mädchen als Protagonisten gearbeitet, in Ihren beiden vorangegangenen Spielfilmen standen jeweils Jungs im Mittelpunkt. War das eine ganz andere Erfahrung?

In »Tom und Hacke« und »Toni Goldwascher« waren das so richtige Landkinder, für die das ein großer Spaß war in der Natur draußen zu sein – wenn die Mädchen hier in einer Wiese standen, meinten sie, "Oh, da sind ja Tiere, das ist ja furchtbar!" (lacht) Wir hatten diesmal eine Coachfrau, die die Mädels immer auf  die Szenen und ihre Rollen vorbereitet hat.

Gab es umgekehrt etwas, das den Mädchen leichter fiel als den Jungs?

In mancher Hinsicht waren die Mädchen schon mit einer anderen Ernsthaftigkeit dabei. Bei den Jungs ist nach der halben Drehzeit die Ehrfurcht vor der Filmwelt abgebröckelt, dann haben sie angefangen, das Ganze mit mir und dem Team als Katz-und-Maus-Veranstaltung aufzuziehen und das nicht mehr so ernst zu nehmen.

In den meisten Szenen sind die Mädchen zu zweit oder zu Dritt mit Pauline unter sich. Haben Sie entsprechend viel Zeit in der Vorbereitung nur mit ihnen verbracht?

Ja, wir hatten fünf Probenwochenenden vor Drehbeginn, wo manchmal auch die erwachsenen deutschen Darsteller hinzukamen, aber meistens waren nur die Kinder da. Dabei haben wir das ganze Drehbuch durchgeprobt. Ich habe ihnen auch Hausaufgaben gegeben, etwa in Kampfsport und Kochen für Lynn, während Lisa beobachten sollte, was bei Ihr zuhause oder den Nachbarn vor sich geht.

Die beiden Schwestern sind ja höchst gegensätzlich: die ältere sehr verantwortungsbewusst und sich des Ernstes ihrer Lage (etwa gegenüber den deutschen Behörden) bewusst, die jüngere eher wild, verantwortungslos und ein wenig konsumfixiert. Konnten Sie dabei auf Charakterzüge der beiden Darstellerinnen aufbauen oder mussten sie das alles erst erlernen?

Die kleine Linda, die unsere Tien spielt, ist schon beim ersten Casting voll aus sich herausgegangen, Lynn ist in der Tat eher eine Besonnene. Woran wir arbeiten mussten, war, die taffe Seite ihrer Figur (und auch die von Pauline) zu entwickeln, beide Darstellerinnen sind doch eher brav.

Lassen Sie uns noch über die Initiative "Der besondere Kinderfilm" sprechen…

Eine Zeit lang wurde das Kinderfilmangebot geprägt von bestimmten Marken, meist Verfilmungen populärer Bücher, während die Fernsehanstalten einen Großteil ihres Etats dafür in ihre Märchenverfilmungen steckten. Das bedeutete, dass für Originalstoffe kein Geld mehr übrig war. Schließlich haben sich dann auf Anstoß der MDR-Intendantin Karola Wille doch die Förderinstanzen mit den öffentlich-rechtlichen Sendern zusammengetan und diese Initiative entwickelt. Es funktioniert so, dass ein Produzent zusammen mit einem Autor ein Treatment einreicht, das von einem Gremium für eine Drehbuchförderung begutachtet wird. Wir waren im ersten Jahr dabei, wo aus über hundert Vorschlägen zunächst sechs zur Drehbuchförderung  ausgewählt wurden. Ein anderes Gremium entscheidet dann aufgrund der Drehbücher über die Förderung für den Film. Dadurch entfällt der lange Kampf um die Finanzierung. Wir haben als eines von zwei Projekten den Zuschlag im Sommer 2014 bekommen, hätten also schon in dem Jahr drehen können, aber ich wusste, die Vorbereitung braucht Zeit, so haben wir 2015 gedreht. Inzwischen sind weitere Sender zu der Initiative hinzugekommen, so dass jetzt drei Filme pro Jahr finanziert werden können.

»Toni Goldwascher« und »Tom und Hacke« waren sehr bayerische Filme, dieser spielt in Halle und wurde auch dort gedreht. War das insofern leichter mit der Finanzierung? Wurde bei den früheren Filmen gesagt, das würde außerhalb von Bayern kaum jemanden interessieren?

Die Finanzierung der früheren Filme war schon schwieriger, »Toni Goldwascher« haben wir mit winzigem Budget gedreht, wir hatten nur Förderung vom BKM. Bei »Tom und Hacke« hatten wir immerhin eine bekannte Vorlage (auch wenn wir die stark verändert haben), die wir als Referenz nehmen konnten. Es war aber auch nicht einfach. Wir bekamen Förderung aus Bayern, weil der Lokalbezug da war, aber auch aus Baden-Württemberg. Die ersten Förderer waren allerdings die Österreicher - das war die Initialzündung für die deutschen Gremien. Die Filme haben wir ja dann bewusst nur in Bayern ins Kino gebracht, und das hat extrem gut funktioniert.

Mussten Sie bei »Ente gut!« wegen der Länderförderung auch in verschiedenen Bundesländern drehen?

Nein, wir hatten Länderförderung aus Bayern und Mitteldeutschland. Die Geschichte war von Anfang an in diesem Plattenbau in Halle angesiedelt und da wir die entsprechenden Motive vor Ort fanden, haben wir - bis auf einen Drehtag in Berlin und zwei in Leipzig - alles in Halle gedreht. Da meine Produktionsfirma in Bayern ansässig ist, haben wir hier die Postproduktion gemacht.

Johannes Schmid, der sich mit »Blöde Mütze« und »Wintertochter« einen Namen als Kinderfilmregisseur gemacht hat, legt jetzt mit »Agnes« seinen ersten Erwachsenenfilm vor. Wie sieht das bei Ihnen aus?

Da schlagen zwei Herzen in meiner Brust: ich werde auf jeden Fall dem Kinderfilm treu bleiben, ich habe ein neues Kinderfilmprojekt, das ganz am Anfang steht, auf der anderen Seite habe ich ein schon weit fortgeschrittenes Projekt, das ursprünglich auf einem Jugendbuch basiert, das ich aber jetzt als Psychothriller für ein erwachsenes Publikum umsetze. Es ist die Verfilmung des Romans "Der Erdbeerpflücker" von Monika Feth.

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